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Politik

Pressefreiheit in Kroatien: Note mangelhaft

3. Mai 2017

Medienunternehmen in Kroatien arbeiten unter großem politischen und wirtschaftlichen Druck. Das wirkt sich auch auf die Arbeit der Journalisten: Selbstzensur macht sich breit und kritischer Journalismus ist Mangelware.

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Kroatische Tageszeitungen
Bild: DW/D.Klancir

Innerhalb eines Jahres ist Kroatien auf der Rangliste der Pressefreiheit der internationalen Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG) um elf Plätze auf Rang 74 gefallen - die größte Verschlechterung eines EU-Landes im weltweiten Ranking. Hauptgrund dafür sei die unmittelbare politische Intervention bei der Besetzung der führenden Redakteursposten in den öffentlichen Medien, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von RoG im DW-Interview. So wurde beispielsweise der frühere Generaldirektor des öffentlichen Rundfunks HRT im März 2016 seitens der damals regierenden Mitte-rechts-Koalition entlassen und durch einen regierungstreuen Direktor ersetzt. "Außerdem versucht die Regierung auch einige andere Institutionen, wie etwa den Rat für elektronische Medien, weiter zu politisieren. Das ist sehr problematisch in einem Land, das erst seit Kurzem in der EU ist", sagt Mihr.

Helena Puljiz, Journalistin in Kroatien beim HRT
"Man kann jederzeit entlassen werden", sagt Helena PuljizBild: HRT

Dabei ist die politische Einflussnahme auf die Medien in Kroatien kein neues Phänomen. Auch früher versuchten Politiker aller Couleurs "ihre" Medien zu kontrollieren und dadurch eine für sie angenehme Berichterstattung zu sichern. Öffentlich-rechtliche Sender spielen dabei auch heute eine besondere Rolle. Trotz der wachsender Bedeutung des Internets als Informationsquelle, ist das Fernsehen im Alltag immer noch ein einflussreiches Medium. Laut einer Untersuchung sehen täglich 87 Prozent aller Kroaten im Alter von zehn bis 75 Jahren fern. Und die national-konservative Regierung weiß das, seit sie vor mehr als einem Jahr an die Macht kam, für ihre Zwecke zu nutzen: "Nun sind direkte politische Interventionen häufiger geworden", sagt Milan F. Zivkovic, Medienexperte aus Zagreb. "Heute funktioniert das öffentlich-rechtliches Fernsehen in Kroatien sozusagen als privater YouTube-Kanal der regierenden Koalition", so Zivkovic.

"Autozensur als Metastase"

Das hat dann auch direkte Folgen für die Journalisten, die ihre Arbeit ernst nehmen und kritisch über die regierende Strukturen berichten wollen. "Man kann jederzeit rausgeschmissen werden und die Arbeit verlieren, ohne Einkommen und ohne Schutz", sagt die kroatische Journalistin Helena Puljiz. Man habe mittlerweile Angst, kritisch zu berichten. "Deswegen hat sich die Selbstzensur in den kroatischen Medien wie eine Metastase verbreitet", so Puljiz.

Und trotzdem ist die direkte politische Intervention in das Programm oder die Redaktionspolitik in den Medien nicht das größte Problem für die Pressfreiheit im Land. Denn in Kroatien gibt es eine ganze Reihe von privaten Print- und elektronischen Medien, auf die die Politik keinen direkten Einfluss hat.

Noch viel weitreichender sind wirtschaftliche Aspekte. "Schon seit Jahren verschlechtert sich die finanzielle Lage der Medien in Kroatien. Die Auflagen sinken, genau so wie die Werbeeinnahmen. Das führt zu Entlassungen und wirtschaftlicher Druck auf die Journalisten wächst", sagt Zivkovic.

Journalisten haben Angst

Seit 2008 hat sich der Umsatz der Printmedien mehr als halbiert. Er liegt jetzt bei rund 135 Millionen Euro, und das hat sich auch auf die Zahl der angestellten Journalisten ausgewirkt: Insgesamt arbeiten heute 30 Prozent weniger Mitarbeiter in allen kroatischen Medien. In den Printmedien ist die Anzahl der Mitarbeiter um 53 Prozent gesunken. "In wenigen Jahren hat sich die Zahl der arbeitslosen Journalisten verdreifacht. Durchschnittslöhne der meisten Medienschaffenden sind heute in Kroatien niedriger als der nationale Durchschnittslohn. Und viele Journalisten arbeiten als dauerhafte Honorarkräfte - ohne irgendwelche Arbeitsrechte", fasst die mehrfach ausgezeichnete Journalistin Helena Puljiz die Lage zusammen.

Kroatien Staatlicher TV Sender in Zagreb
Vernebelte Berichterstattung - Staatlicher TV Sender in ZagrebBild: Imago/Pixsell

Das wirkt sich auch unmittelbar auf die Art der Berichterstattung aus. Menschen werden ängstlich, haben Sorge um die eigene Existenz. "In so einer Situation ist es gar nicht nötig, dass jemand einen Journalisten oder einen Redakteur anruft und ihm sagt, was er zu schreiben hat. Journalisten machen das schon von alleine. Aus einem vorauseilenden Gehorsam heraus berichten sie so, dass sie dem Ärger schon im Vorfeld aus dem Weg gehen", sagt der Medienexperte Milan F. Zivkovic.

Strukturelle Unabhängigkeit

In so einem Klima können viele kroatische Medien ihre demokratische Funktion als "vierte Gewalt" nicht erfüllen. Kritischer oder investigativer Journalismus beschränkt sich auf einige wenige Nischenmedien. In vielen Medien werden entweder politische Interessen der Regierenden oder die wirtschaftliche Interessen der Eigentümer und der Werbeauftraggeber geschützt. Auch die Hoffnung, dass private Investoren aus dem Westen die journalistischen Standards anheben und Pluralismus fördern, hat sich nicht bewahrheitet. Sie suchen vor allem Profit. Und der ist besonders in Boulevardmedien zu finden.

Verbessern könne sich die Lage nur, sagt Zivkovic, wenn einerseits Medien ökonomisch unabhängig werden können, und andererseits, wenn ihre politische Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben wird. "Es kann nicht sein", sagt der Medienexperte, "dass die journalistische Freiheit von den ethischen Überzeugungen der Politiker abhängt. Insbesondere beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist wichtig, dass finanzielle und politische Unabhängigkeit strukturell gesichert sind."