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Premiere: Serbisch-kroatischer Dokumentarfilm über Kriegsverbrechen

16. Februar 2006

Gleich zu Beginn des Kroatien-Krieges kam es in Ost-Slawonien zu ersten Kriegsverbrechen. 15 Jahre danach haben serbische und kroatische Journalisten Täter und Opfer zu Wort kommen lassen – in einem gemeinsamen Film.

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1991 - ein dunkler Herbst in VukovarBild: AP

Es erscheint schlechterdings unmöglich zu erzählen, was sich in Vukovar im Frühling, Sommer und Herbst 1991 zugetragen hat und dabei die Gelegenheit anzubieten, dass Menschen beider Seiten zu Wort kommen. Aber genau das haben die Autoren des Films "Vukovar - letzter Schnitt", des ersten kroatisch-serbischen Dokumentarfilms über die Tragödie von Vukovar, getan.

Keine Stimme aus "Off"

Der Film entstand als Produktion des Belgrader Medienhauses B92, nach dem Drehbuch des kroatischen Journalisten Drago Hedl, der auch das kroatisch-serbische Team führte. Hedl über die Dreharbeiten: "Wir haben die Gesprächspartner ihren Teil der Geschichte erzählen lassen und es den Zuschauern überlassen, selbst einzuschätzen, wer in seiner Aussage der Wahrheit am nächsten kommt. Im Film gibt es kein "off": Es gibt keinen Erzähler, Kommentator, der erklärt, was die Zuschauer gerade sehen. Das Ganze haben wir mit dokumentarischen Bildern unterlegt, die das veranschaulichen, was der Gesprächspartner gerade sagt oder zu sagen versucht."

Rückkehr zum Tatort

Veran Matic, Produzent des Films und Direktor von B92 sagte, dieser Film sei kein gewöhnlicher Film über Vukovar heute und vor 15 Jahren: "Das ist ein Film, in dem die Akteure der Verbrechen wieder dort sind, wo die Tragödie passiert ist, teilweise sogar an genau der gleichen Stelle. Stilistisch arbeiten wir mit direkten und unerbittlichen Schnitten – dem letzten Schnitt, wie ja der Titel unseres Filmes lautet."

Beide Aspekte berücksichtigt

Matic hob hervor, das gerade die Arbeit mit gemischten Teams den Versuch darstelle, einen Film zu machen, der nicht schon vom Start weg als kroatische oder serbische Version des Krieges diskreditiert werde: "Die Tatsache, dass wir im gemeinsamen Team gearbeitet und versucht haben, beide Aspekte und beide Sichtweisen zu artikulieren, ist der Versuch, den Film weitaus nutzbringender zu machen als er es wäre, wenn nur eine Sicht der Dinge gezeigt würde."

Schwierige Auswahl der Gesprächspartner

Nach den Worten von Drago Hedl war der wichtigste Teil des Projektes, die Gesprächspartner zu finden und auszuwählen. Besonders schwierig sei dies auf serbischer Seite gewesen: Die meisten der möglichen Gesprächpartner befänden sich entweder vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag oder fürchteten die Folgen ihrer Aussagen im Film fürchteten. Dazu Drago Hedl: "Wir haben jedoch auch von serbischer Seite Gesprächspartner gefunden, wie den ehemaligen Geheimdienst-Chef Aleksandar Vasiljevic, der einige wichtige Dinge gesagt hat, die man zum ersten Mal in diesem Film sehen wird."

Material auch aus Privatarchiven

Die Recherche für den Film umfasste auch die Sichtung der Archive der wichtigsten kroatischen Medien aus dieser Zeit sowie einiger privater Archive – Amateuraufnahmen, die von Dachböden Vukovars herab gemacht wurden. Eine ähnliche Recherche wurde auch in Serbien gemacht, allerdings liegt dort ein Großteil des Materials wegen der Anklagen des UN-Kriegsverbrechertribunals ICTY in Den Haag noch immer unter Verschluss.

"Wir mussten uns mit dem zufrieden geben, was erreichbar war und das waren vor allem Aufnahmen, die uns die Leute aus ihren Privatarchiven gegeben haben", so Drago Hedl. "Das sind vor allem Aufnahmen vom Angriff auf das Vukovarer Krankenhaus im Oktober 1991, auf denen man sieht, auf welch schreckliche Weise es zerstört wurde. Wir haben aber auch zum ersten Mal einige interessante Materialien aus den Armee-Archiven erhalten, aus serbischen Quellen, die bisher nicht öffentlich gezeigt wurden."

"Vukovar – letzer Schnitt" ist ein Film, der Zeugen und Standpunkte beider Kriegsseiten zeigt. Dabei gleicht er aber die Schuld nicht aus, versucht nicht, irgendein Gleichgewicht herzustellen, denn alle wissen – so Drago Hedl – was sich wie in Vukovar ereignet hat: "Wir haben nur die Sicht der Menschen gezeigt, die an der Verteidigung von Vukovar teilgenommen haben. Zivilisten, die sich in Kellern versteckten oder deren Söhne oder Väter in Ovcara gelandet sind. In diesem Landwirtschaftsbetrieb bei Vukovar wurden 200 kroatische Gefangenen ermordet. Wir haben uns bemüht, so authentisch wie möglich zu sein und hoffen, in unserer Arbeit erfolgreich gewesen zu sein. Es wäre uns lieb, wenn jemand nach uns einen Film machte, der noch einen Schritt weitergeht."

Tragödie von Vukovar im Hintergrund

Produzent Veran Matic möchte mit diesem Film auch das Unrecht der Medien gegenüber Vukovar wiedergutmachen: "Ich habe das Gefühl, dass Vukovar und die Tragödie von Vukovar irgendwie vernachlässigt werden. Wahrscheinlich, weil es zu Beginn des Krieges passierte. Danach haben sich die Verbrechen nur noch aneinander gereiht und eines auf dem anderen aufgebaut. Und die Verbrechen, die ganz zu Anfang geschehen sind – und das war mit Vukovar der Fall – werden ständig vergessen. Die Zeit und die Verbrechen in dieser etwas späteren Zeit haben uns durch die Mühle gedreht."

Der Film "Vukovar – letzter Schnitt" wird am 24. Februar im Rahmen des Dokumentarfilm-Festivals Zagreb dox Premiere haben.

Petra Martic
DW-RADIO, 15.2.2006, Fokus Ost-Südost