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Premiere des Musicals "Schwejk it easy"

10. November 2001

Konstantin Wecker komponierte ein Pop-Musical: "Schwejk it easy" hatte am 19. Mai im Berliner Theater des Westens Premiere.

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Was für ein Hundeleben muss der böhmische Hundehändler Josef Schwejk führen. Er wird verhaftet, in die Irrenanstalt gesteckt und für "amtlich blöd" erklärt. Die Figur des braven Soldaten Schwejk hat es dem Pop-Barden Konstantin Wecker angetan. Nach der Idee des Schelmenromans von Jaroslav Hasek aus dem Jahre 1921 komponierte er ein Pop-Musical. "Schwejk it easy" hatte am 19. Mai im Berliner Theater des Westens Premiere.

"Sei ein Schwejk in deinem Herzen, stell dich blöder, als du bist". Das Herz des liebenswerten Schwejk gehört den Anarchisten, Querulanten und Gestrauchelten. Schwejk ist die Verkörperung der Prager Volksseele. Mit Mutterwitz macht er das Beamtentum lächerlich und stellt sich dem Militärgehorsam der K.U.K.-Monarchie entgegen. Hinter der Tarnkappe des Idioten spricht der böhmische Schelm dem Volk aus der Seele. Was hat der alte Revoluzzer Wecker mit dem böhmischen Schlitzohr gemeinsam? "Schwejk und ich sind manchmal gleich", gibt Wecker zu. "Wie der Schwejk zivilen Ungehorsam leistet, ist vorbildlich."

Wer Prager Wirtsstubengemütlichkeit auf der Bühne des Musical-Theaters erwartet, wird enttäuscht. Pop-Songs donnern über die Bretter, ein Potpourri aus alten und neuen Wecker-Melodien spannt einen Stimmungsbogen. Dazu schwingen die schrillen Krankenschwestern der Irrenanstalt in ihrer ganz und gar nicht züchtigen Dienstkleidung die langen Beine. Da kommt selbst ein braver Soldat in Versuchung.

Richtig romantisch wird es allerdings erst, wenn der Schwejk mehr oder minder unbeholfen seiner Aninka seine Liebe gesteht - eine Liebe, die nicht von dieser Welt ist. Klassiker des Liedermachers Wecker wie "Was ich an dir mag" und "Was für ein Gefühl" erinnern an alte Zeiten. Doch Wecker macht auf Tempo, keine Zeit für Gefühlsduselei.

Anders als in der Romanvorlage rast das Musical durch die Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Erst das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. Weiter geht es mit dem Militarismus des Ersten Weltkrieges. Plötzlich taucht ein Gospelchor aus der Flower-Power-Ära auf, danach folgen der Prager Frühling, kommunistische Herrschaft und die Zeit der Wende. Zwischendurch ward noch der Prager Fenstersturz aus dem Jahr 1618 eingeflochten. Und um den Bogen in das Jetzt zu spannen, flattern die Börsenkurse und tanzen die Banker.

Mittendrin ist immer der brave Soldat: Es ist der verwirrend-misslungene Versuch, die Hauptfigur in alle möglichen Zeiten und Gesellschaften zu projizieren. Dazu schenkt die üppige Wirtin Frau Dienstbier das gute Budweiser aus und erzählt die Geschichte von dem unsterblichen, berühmten Anarchisten Schwejk. Dieser wird von Peter Fröhlich mit herrlich gemütlich-böhmischen Akzent und viel Charme gespielt.

Doch auch der Anarcho-Barde Wecker ist brav geworden. Vorbei die Zeiten, als er 1977 seine ganze Empörung über das gesellschaftliche Unrecht in den Kult-Song "Willy" legte. Mit einer geradezu unnachahmlichen Leidenschaft kämpfte Wecker am Flügel gegen rechtsradikale Pöbelei, Volksverdummung und warb für zivilen Ungehorsam.

Vorbei auch die Zeiten, als Wecker, der ewige Protestler, im Kokainrausch über die Bühne taumelte und dort auch zuweilen einschlief. 1995 wurde er zunächst verhaftet und wegen Besitz von rund 1,5 Kilogramm Kokain zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Absturz kam prompt, die Auferstehung dauerte länger. "Nur mit Musik hatte ich von der Sekunde meiner Entlassung an keine Probleme", sagt Wecker. Mäßigen Erfolg hatte eine Tournee mit Brecht-Liedern und das Kinder-Musical "Jim Knopf". Mit "Schwejk it easy" will Wecker mit leichten Melodien an alte Erfolge anknüpfen.

Viel Beifall gab es bei der Premiere für Darsteller und Musiker, der Komponist Wecker musste sich allerdings Buh-Rufe bei seinem Bühnengang gefallen lassen.