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Prag und die Welt

29. Juni 2009

Im Vorfeld wurde an der Fähigkeit Tschechiens, die EU in der Krise zu führen, stark gezweifelt. Zum Abschluss der Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2009 zieht Ondřej Horký eine durchwachsene Bilanz.

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Nach der hoch gelobten EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs im Jahr 2008 waren viele Beobachter zunächst skeptisch, ob der Nachfolger aus Prag überhaupt in der Lage sein würde, die Union gerade in Zeiten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise angemessen zu repräsentieren. Würde die tschechische Führung nicht durch die damals noch ausstehende Ratifikation des Vertrags von Lissabon und die fundamentale Europa-Kritik von Präsident Václav Klaus in ihrer Rolle eingeschränkt, fragten die Kritiker wohl nicht ganz zu Unrecht.

Der Sturz der tschechischen Regierung Ende März 2009 schien das Schicksal ihrer EU-Präsidentschaft geradewegs zu besiegeln. Damit schien die Regierung in ihrer Fähigkeit, mit ihren Plänen für die Ratspräsidentschaft ebenso wie mit unvorhergesehenen Ereignissen umgehen zu können – und hier die drei Prioritäten „Wirtschaft“, „Energie“ und die „EU in der Welt“ voranzutreiben – deutlich geschwächt. Dass sie daran jedoch nicht scheiterte, muss schon als eine der herausragenden Leistungen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft gewertet werden. Welche programmatischen Erfolge – insbesondere im Hinblick auf das Themenfeld der globalen Entwicklung als Teil der dritten Priorität konnte sie verzeichnen?

Priorität Osteuropa

Während der Präsidentschaft verengte sich diese Priorität zu einer Metapher für Osteuropa. Als die Gaskrise im Januar viele östliche Mitglieder der EU in Mitleidenschaft zog, unterstützte die Präsidentschaft das Zustandekommen eines Abkommens zwischen den beiden Konfliktparteien Russland und Ukraine. Später versuchte sie, die Nabucco Gas-Pipeline wiederzubeleben, um die Energieabhängigkeit der EU von beiden Ländern zu verringern. Beide Interventionen können durchaus als Erfolg der Ratspräsidentschaft verbucht werden.

Darüber hinaus dient die im Mai lancierte „östliche Partnerschaft“ dem Ziel, die Beziehungen zwischen der EU und sechs ihrer östlichen Nachbarn zu vertiefen und bildet somit ein Gegengewicht zur Mittelmeerunion, die unter der französischen Präsidentschaft ins Leben gerufen wurde. In anderen Weltregionen war die Präsidentschaft allerdings weniger aktiv. Im Falle des Gaza-Kriegs etwa verwechselte die tschechische Führung ihre eigene pro-israelische Haltung mit der Haltung der EU-Linie.

Kaum Erfolg in der Entwicklungspolitik

Die Entwicklungszusammenarbeit nimmt keinen besonders hohen Stellenwert auf der Agenda der Tschechischen Republik ein. Dennoch ist sich das Außenministerium der Bedeutung von entwicklungspolitischen Fragen für die EU bewusst und bemüht sich, tschechische Transformationserfahrungen auf EU-Ebene einzubringen.

Unter der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft wurde beispielsweise ein Konsens über den Zugang von Entwicklungsländern zu nachhaltigen Energiequellen auf lokaler Ebene und die Förderung von lokalen und netzunabhängigen armutsreduzierenden Lösungen bei großen Infrastrukturprojekten erzielt.

Allerdings fehlten im Programm der Tschechen Antworten auf Fragen, die für die europäische Entwicklungspolitik sehr viel dringender waren. Obwohl der Rat seine Verpflichtung, die ODA-Ziele zu erreichen, bereits stark betont hatte, war die vorausgehende tschechische Position sehr viel weniger ambitioniert.

Die Verbesserung der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit war ebenfalls kein Thema. Die tschechische Unterstützung einer Initiative Finnlands, die Entwicklungszusammenarbeit in den transatlantischen Dialog zu integrieren, könnte mittelfristig dazu beitragen, die Koordination der EU mit dem weltweit zweitgrößten Geber zu verbessern.

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Vorbereitung auf die Klimakonferenz in Kopenhagen

Grundlegende Fragen der Kohärenz waren ebenfalls nicht auf der Agenda zu finden. Die Tschechen begrüßten eine Resolution der UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung, da sie von der Union keine Kürzungen bei landwirtschaftlichen Subventionen verlangte – allerdings zum Nachteil südlicher Produzenten. Ferner verhandelte die tschechische Präsidentschaft erfolgreich mit wichtigen Akteuren aus Nord und Süd, um die im Dezember anstehende UN-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen vorzubereiten. Dennoch sind die Aussichten für ein effizientes Post-Kyoto-Abkommen nicht rosig.

Neben dem Klimawandel bleibt die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise die dringendste globale Herausforderung. So wie die tschechische Regierung deren Auswirkungen daheim unterschätzt hat, tat sie dies auch in Bezug auf die Entwicklungsländer. Ein Grund hierfür ist der unbeirrbare Glaube an die Kraft der Märkte, die sich aus der positiven wirtschaftlichen Transformationserfahrung ergibt.

Pragmatismus statt Magie

Gemessen am Einsatz für nationale Ziele, war die EU-Ratspräsidentschaft sicherlich erfolgreich, wie die östliche Partnerschaft zeigt. Dennoch gelang es der Präsidentschaft nicht, die Aufmerksamkeit der politischen Elite für globale Themen zu wecken und sie scheiterte letztlich auch daran, eine klare europäische Botschaft zur Bekämpfung der Krise zu formulieren.

Es bleibt zu hoffen, dass der Vertrag von Lissabon mehr Kontinuität in das System der EU-Ratspräsidentschaften bringt. Der tschechischen Präsidentschaft gelang es immerhin, die Annahme des Vertrags auf dem letzten Treffen des Rats ein Stück weiterzubringen - vor allem mit Blick auf Irland. Dieser letzte Schritt wird wahrscheinlich dazu beitragen, die Außen- und Entwicklungspolitik der EU in Zukunft zu stärken und dafür sorgen, dass die tschechische Präsidentschaft nicht als Alptraum in Erinnerung bleibt.

Ondřej Horký, Institute of International Relations (IIR), Prag, Tschechische Republik

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) zählt weltweit zu den führenden Forschungsinstituten und Think Tanks zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik. Das DIE berät auf der Grundlage unabhängiger Forschung öffentliche Institutionen in Deutschland und weltweit zu aktuellen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Das einzigartige wissenschaftliche Profil des DIE ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Forschung, Beratung und Ausbildung. Dadurch baut das DIE Brücken zwischen Theorie und Praxis der Entwicklungspolitik.