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Präsidentenwahl in politischem Chaos

16. Juni 2012

Inmitten politischer Unsicherheit sind die Bürger in Äypten aufgerufen, in einer Stichwahl ihren neuen Präsidenten zu bestimmen. Der Westen mahnt die Fortsetzung des Demokratieprozessses an.

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Die Präsidentschaftskandidaten Mursi (l) und Schafik (Fotos: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bei der an diesem Samstag begonnenen zweitägigen Stichwahl können die rund 52 Millionen wahlberechtigten Ägypter zwischen Ahmed Schafik, einem Vertreter des gestürzten Mubarak-Regimes, und dem Chef der islamistischen Moslembruderschaft, Mohammed Mursi, entscheiden. Bei der ersten Wahlrunde am 23. und 24. Mai hatten Mursi und Schafik die beiden ersten Plätze belegt, die zum Sieg notwendige absolute Mehrheit aber klar verfehlt.

Überschattet wird die Wahl durch die Entscheidung des ägyptischen Verfassungsgerichts vom Donnerstag (14.06.2012), das vor vier Monaten gewählte Parlament aufzulösen. Es sei illegal gewesen, dass auch Parteimitglieder für die unabhängigen Bewerbern vorbehaltenen Parlamentssitze kandidiert hätten, urteilten die Richter in Kairo. In dem ersten frei gewählten Parlament seit dem Sturz von Langzeit-Herrscher Husni Mubarak vor 16 Monaten stellen die Moslembrüder die Mehrheit. Sie werteten die Entscheidung des Verfassungsgerichts als "kalten Staatsstreich".

Ägypter wählen Präsidenten

Mehrere Parteien und Aktivisten-Bündnisse sprachen sich dafür aus, die Stichwahl um die Präsidentschaft abzusagen. Dies lehnte der Islamist Mursi ab. Er warnte zugleich vor Wahlbetrug. In diesem Fall werde es "eine große Revolution" geben. Aufrufen zu Protesten gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts auf dem zentralen Tahrir-Platz folgten am Freitag nach Korrespondentenberichten nur wenige hundert Menschen.

Noch kein Termin für Parlamentswahl

Der Oberste Militärrat, der Ägypten seit dem Sturz Mubaraks regiert, erklärte, die Streitkräfte würden allen Versuchen, die Stichwahl zu stören, entschieden entgegentreten. Einen Termin für die Wahl eines neuen Parlaments nannten die Militärs nicht. Beobachter erwarten, dass die Generäle demnächst eine Verfassungserklärung erlassen werden, um die Befugnisse des gewählten Präsidenten zu definieren. Die für Ende Juni angekündigte Übergabe der Macht an eine gewählte zivile Regierung erscheint allerdings nach der Parlamentsauflösung fraglicher denn je.

Westerwelle warnt vor "Demokratiedefizit"

Die Europäische Union forderte eine "faire und transparente" Präsidentenwahl und einen raschen Übergang zu einer Zivilregierung. Die EU werde die Stichwahl "sehr genau beobachten", sagte ein Sprecher der Außenbeauftragten Catherine Ashton. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle mahnte eine Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses in Ägypten an. "Es darf jetzt kein Demokratievakuum entstehen", sagte ein Sprecher Westerwelles in Berlin. Die Arbeitsfähigkeit des Parlametns sollte so schnell wie möglich wieder hergestellt werden, forderte der Minister.

Die USA äußerten sich "besorgt" über die Auflösung des Parlaments in Kairo. Neuwahlen müssten voll demokratisch, frei und transparent sein, "so dass wir damit vorankommen, dem ägyptischen Volk das zu geben, was es möchte - einen gewählten Präsidenten, ein gewähltes Parlament und ein System, das nachhaltig ist", erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums in Washington.

wl/gri/kle (dpa, rtr, dapd, afp)