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Porzellan mit Tradition: Meissen und Kahla

Jennifer Stange12. Februar 2016

Zwei große Porzellanmanufakturen im Ostdeutschland haben die Wende überlebt. Das Staatsunternehmen Meissner Porzellan schreibt rote Zahlen, Konkurrent Kahla ist erfolgreich am Markt. Was macht den Unterschied?

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Deutschland Porzellan-Manufaktur Meissen Porzellanmalerin
Handarbeit: Verzierung in der Meissner ManufakturBild: picture-alliance/dpa

Noch bevor die Porzellanindustrie bundesweit in die Krise geriet, traf es die Keramikhersteller der ehemaligen DDR. Knapp 20 Fabriken zählten die Volkseigenen Betriebe der Feinkeramik, 18.000 Menschen hatten hier einen Job. Heute sind es nur noch wenige Hunderte, sie arbeiten entweder in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen, Europas ältestem Unternehmen dieser Art, oder in Kahla, wo Haushalts- und Gastronomieware hergestellt wird.

Zwei Betriebe, die unterschiedlicher nicht sein könnten. "Die deutsche Porzellanindustrie hat zu spät auf verändertes Nutzerverhalten reagiert", sagt Holger Raithel, Geschäftsführender Gesellschafter von Kahla Porzellan im gleichnamigen Ort in Thüringen.

Deutschland, Kahla Porzellan
Rutscht nicht: Magic Grip ist eine Erfindung von KahlaBild: KAHLA Porzellan GmbH

Das Aus für die Kaffeekanne

Die Kaffeekanne wurde vom Vollautomaten abgelöst und günstige, markenlose Müsli-Schalen eroberten die Küchen, noch bevor die heimische Porzellan-Industrie überhaupt darüber nachdachte, Müsli-Schalen herzustellen. "Wir haben uns immer gefragt: Was brauchen ein Porzellankäufer? Was für Teller braucht man am Computer", sagt Raithel.

Neue Formen und technische Innovationen am Material, mit deutlicher Handschrift des ausgebildeten Physikers Holger Raithel haben Kahla zu einem der innovativsten Porzellanunternehmen Europas gemacht. Dekoriert mit knapp einhundert internationalen Design-Preisen für Gestaltung, Funktionalität und Umweltverträglichkeit.

Deutschland, Holger, Rositta und Günther Raithel
Die Inhaberfamilie: Holger, Rositta und Günther Raithel (v.l.) Bild: KAHLA Porzellan GmbH

Die Tasse von der Mitte an den Rand

Raithel führt die die Geschäfte "nachhaltig", wie er betont. Sein Vater Jürgen, ein ehemaliger Vorstand des bayerischen Porzellanherstellers Rosenthal, übernahm Kahla 1994. Er investierte in Fertigungstechnik und erschloss neue, internationale Vertriebswege und Geschäftszweige. So den Profi-Bereich mit Produkten für die Gastronomie-Branche und das Geschäft mit Werbeartikeln, der ein Drittel des Umsatzes ausmacht.

Eine nahezu beispiellose Erfolgsgeschichte, meint Wirtschaftshistoriker Erik Lindner. Und das in einer Zeit, als die Porzellanindustrie in Deutschland kollabierte. Seit 1991 stürzte die Zahl der Beschäftigten laut Verband der Keramischen Industrie von 25.000 auf aktuell rund 4000 Mitarbeiter und die Umsätze von 800 Millionen auf 300 Millionen im Jahr 2014. Kahla hingegen kam 2015 auf rund 30 Millionen Euro Umsatz und schreibt laut Raithel seit der Jahrtausendwende schwarze Zahlen.

Doch auch das seit über 170 Jahren existierende Familienunternehmen geriet Ende der 1990er Jahre in Schwierigkeiten. Subventionen mussten nach einem langjährigen Rechtsstreit mit der EU inklusive Zinsen zurückgezahlt werden. Insgesamt blieben nur knapp vier Millionen Euro öffentliche Fördermittel im mittlerweile vollständig privatisierten Betrieb.

Bildergalerie Meissen Porzellan
Wenn's mal festlicher sein muss: Luxuriöses aus MeissenBild: DW/A. Maciol

Luxuriöses aus Sachsen

Peanuts, wenn man nach Sachsen schaut. Sachsenkönig August der Starke hatte das "Weiße Gold" vor 300 Jahren erschaffen lassen, um mit dem begehrten Gut die Staatskasse zu füllen. Seit der Wende ist das genau anders herum. Alleiniger Gesellschafter ist das Land Sachsen. Der Freistaat steckte allein seit dem Jahr 2000 rund 20 Millionen Euro in das Unternehmen und gewährte Kredite in Höhe von 20 Millionen Euro. Dennoch wird für das Geschäftsjahr 2014 ein Rekordminus von 19,2, Millionen Euro erwartet. Offizielle Zahlen gibt es jedoch bis heute nicht.

Meissen steht für erstklassige handgefertigte Ware im hochpreisigen Segment. Der Niedergang der Tischkultur sei verantwortlich dafür, dass Meissner Porzellan immer mehr zum Ladenhüter wurde. Mit Umbaumaßnahmen trat das Unternehmen schon 2008 die Flucht nach vorn an. Das Sortiment im Kerngeschäft wurde zusammengestrichen, die Belegschaft von 1000 auf etwa 600 Mitarbeiter nochmals verkleinert und neue Produkte unter dem alten Label auf den Markt gebracht.

Bildergalerie Meissen Porzellan
Auch das kommt aus Meissen: Figuren aus Porzellan zu vierstelligen Preisen.Bild: DW/A. Maciol

Kaum wieder zu erkennen

Hinzu kamen edle Uhren, feinste Stoffe, Teppiche und Kleider. "Das ist Meissen heute, man erkennt es eigentlich kaum wieder", meint Wirtschaftshistoriker Lindner. Man setzte verstärkt auf zahlungskräftige Kundschaft im Ausland, die man in kostspielige Flagship-Stores locken wollte, wie der Villa Meißen Couture in Schanghai oder in einem Luxuskaufhaus in Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Die Tochtergesellschaft in Mailand organisiert vor allem die Entwicklung und Lieferung für die neuen Produktgruppen. Doch die erhofften Gewinnmargen blieben aus.

"Erfolg ist relativ", so der neue Geschäftsführer der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meißen GmbH, Tillmann Blaschke. Ein Erfolg wäre es schon, die negativen Wirkungen zu minimieren." Bescheidene Töne, die ihn von seinem risikobereiten Vorgänger Christian Kurtzke unterscheiden. Als "Narziss mit Goldrand" hatte ihn das Manager-Magazin verspottet. Im März des vergangenen Jahres verließ er plötzlich das Unternehmen.

Zukünftig will man nun wieder verstärkt auf den Umsatz mit Porzellanprodukten setzen, heißt es. Immerhin wurde trotz neuer Luxus-Produkte der Hauptumsatz 2014 mit fast 90 Prozent im Bereich Porzellan gemacht. Ob eine Rückbesinnung das Traditionsunternehmen retten kann, bleibt dennoch fraglich. Denn insbesondere für kleinere Manufakturen bleibt der Markt laut Keramikverband angespannt.

Letztlich sei es auch eine politische Entscheidung, ob und wie es in Meissen weitergeht, sagt Blaschke. Schließlich trägt das Land Sachsen und somit der Steuerzahler das volle finanzielle Risiko. Vorsorglich kaufte der Freistaat über eine eigens gegründete Stiftung bereits 2014 alle Museumsbestände der Meissen Porzellan-Stiftung GmbH in Höhe von sechs Millionen Euro auf.