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Poroschenkos heißer Herbst

Roman Goncharenko3. November 2015

Die Festnahme eines Oppositionspolitikers droht, die Ukraine in eine innenpolitische Krise zu stürzen. Während Präsident Poroschenko vom Kampf gegen Korruption spricht, nennt es die Opposition "selektive Justiz".

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Der ukrainische Präsident Poroschenko (Foto: Reuters)
Bild: Reuters//Ukrainian Presidential Press Service

"Dill gegen Radieschen": Was wie der Titel eines Kinderbuchs klingt, ist ein Wahlplakat aus der Ukraine. Zu sehen sind beide Gemüsesorten, doch das Radieschen ist sichtbar faul und die Schrift darauf erinnert an die Parteisymbolik von Präsident Petro Poroschenko. Das ukrainische Wort für Dill heißt "UKROP" und der 45-Jährige Oppositionspolitiker Gennadi Korban ist Chef der gleichnamigen neuen Partei. Sie besteht aus vielen ehemaligen Kämpfern gegen prorussische Separatisten und gibt sich patriotisch. Mit solchen Plakaten versuchte Korban im Sommer, ein Direktmandat fürs Parlament zu gewinnen. Jene Wahl hat er damals verloren. Auch die kostenlose Verteilung von Buchweizen an Wähler - die viele als einen indirekten Stimmenkauf sahen - half ihm nicht.

Doch bei der Kommunalwahl am 25. Oktober bekam UKROP mit Poroschenko-kritischen Slogans landesweit rund acht Prozent der Stimmen. Seine überraschende Festnahme am vergangenen Samstag schlug deshalb hohe Wellen.

Erinnerungen an Fall Timoschenko

Ein Video der Festnahme, veröffentlicht vom ukrainischen Geheimdienst SBU, erinnert an Actionfilme: Maskierte Männer in Tarnanzügen versuchen in Korbans Wohnung in Dnipropetrowsk zu gelangen. Die Tür wird mit einem Brecheisen aufgemacht, der sichtbar schockierte Politiker - wie ein Schwerverbrecher abgeführt. Die Generalstaatsanwaltschaft und der SBU werfen Korban Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldveruntreuung und Entführungen vor. Er selbst bestreitet die Vorwürfe. Am Dienstagmorgen wurde Korban freigelassen und wegen neuer Vorwürfe wieder festgenommen. Weitere Details sind nicht bekannt.

Der ukrainische Präsident verteidigte das Vorgehen der Justiz gegen Korban als Kampf gegen die Korruption. Die Partei UKROP beschwerte sich über "politische Repressalien" und rief ihre Anhänger zu Protesten in Kiew auf. Auch aus der Regierungskoalition gab es ähnlich scharfe Töne. Sowohl die Vaterlandspartei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko als auch die Partei Selbsthilfe des Lemberger Bürgermeisters Andrij Sadowyj verurteilten Korbans Festnahme. Letztere erklärte, man fühle sich an "politische Verfolgungen" wie zur Zeit des nach Russland geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch erinnert - eine Anspielung auf die viel kritisierte Festnahme und Verurteilung von Julia Timoschenko im Jahr 2011.

Gennadi Korban, Vorsitzender der ukrainischen Partei UKROP (Foto: Reuters)
Korbans UKROP-Partei hat bei der Kommunalwahl landesweit etwa acht Prozent der Stimmen bekommenBild: imago/ZUMA Press

Machtkampf mit dem Oligarchen

Kritiker werfen zudem der Justiz vor, man gehe gegen Korban vor, nicht aber gegen ehemalige Mitglieder der früher regierenden "Partei der Regionen". Ihre Rolle in der politischen Krise in der Ukraine gilt als umstritten, außerdem wirft man ihnen Korruption vor. Offenbar, um solche Stimmen verstummen zu lassen, lud die Generalstaatsanwaltschaft am Montag drei ehemalige Politiker der "Partei der Regionen" medienwirksam vor. Doch alle drei genießen als Parlamentsabgeordnete Immunität vor Strafverfolgung. Korbans Festnahme könnte "der Beginn eines großen Showdowns zwischen dem Präsidenten Poroschenko und seinen Gegnern sein", sagte der Kiewer Publizist Serhij Rudenko im Gespräch mit der DW.

Die Ereignisse um Korban solle man in Kontext der "ziemlich schwierigen Beziehungen" zwischen Poroschenko und dem einflussreichen Oligarchen Ihor Kolomojskij aus Dnipropetrowsk betrachten, meint Rudenko. Korban gilt als enger Vertrauter Kolomojskijs. Beide sind millionenschwere Geschäftsmänner. Kolomojskij kontrolliert die größte ukrainische Bank, mehrere Unternehmen in der Öl- und Metallindustrie sowie einige Medien. Als der Oligarch nach dem Machtwechsel in Kiew im Frühjahr 2014 zum Gouverneur von Dnipropetrowsk ernannt wurde, nahm er Korban mit. Beide halfen der ukrainischen Armee im Kampf gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine und werden dafür bis heute von vielen im Land respektiert.

Kritiker werfen jedoch Kolomojskij vor, eine Art "Privatarmee" aus Freiwilligenbataillonen gegründet zu haben. Anfang 2015 überwarf er sich außerdem wegen einer Ölfirma mit Poroschenko. Der Milliardär wurde zum Rücktritt gezwungen. Seitdem ist seine Beziehung zu Poroschenko angespannt. Kolomojskij reagierte bisher zurückhaltend auf die Festnahme seines Vertrauten Korban. Der Oligarch erklärte die Festnahme mit den Wahlerfolgen der UKROP-Partei.

Konflikt mit unabsehbaren Konsequenzen

Mit der Festnahme von Korban habe Poroschenko einen tiefen innenpolitischen Konflikt mit unabsehbaren Konsequenzen riskiert, meinen Beobachter in Kiew. Manche sehen die Regierungskoalition in Gefahr und warnen sogar vor Neuwahlen. Für ein Land, das seit rund zwei Jahren von schweren Krisen und Krieg erschüttert wird, wäre das keine gute Entwicklung. Dabei braucht die Ukraine derzeit Ruhe, um neue Finanzhilfen aus dem Ausland zu bekommen und die Minsker Friedensvereinbarungen umzusetzen. Die Waffenruhe im Osten erweist sich in diesen Tagen als brüchig. Es gibt wieder Meldungen über Schusswechsel, Tote und Verwundete.

Wie angespannt die Lage in der Ukraine geworden ist, wurde am Montagabend deutlich. In Kiew wurde auf das Büro des Generalstaatsanwalts Viktor Pschonka geschossen. Ein Panzerglas habe ihm das Leben gerettet, teilte seine Behörde mit.