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Popmusik klingt immer trauriger

5. Juni 2012

Popmusik ist in den vergangenen 50 Jahren tendenziell trauriger und langsamer geworden. Das ergab eine Untersuchung von 1000 Songs. Eine weitere Einsicht der Forscher: Die Songs wurden "emotional ambivalenter".

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Die Band "The Eagles" bei einem Konzertauftritt im August 2001 in Denver (Foto: AP)
The EaglesBild: AP

Das Wissenschaftlerteam aus Deutschland und Kanada hat mehr als 1.000 Songs analysiert, die zwischen 1965 und 2009 Top-Platzierungen in den US-Charts erreichten. Die Soziologen und Musikpsychologen maßen unter anderem das Tempo in Beats per Minute und ermittelten die Tonart: Dur oder Moll? Beides ist wichtig dafür, wie ein Song auf Hörer wirkt: Schnelle Dur-Stücke wie der Beatles-Ohrwurm "She loves you" machen eher fröhlich, langsame Moll-Balladen wie "Hotel California" von den Eagles (siehe Foto oben) eher traurig.

Das Ergebnis: "Seit den 60er Jahren hat sich die Anzahl der Pop-Hits in Moll nahezu verdoppelt", sagt der Soziologe Christian von Scheve von der Freien Universität Berlin. Es gebe heute auch mehr Titel, die gemischte Gefühle transportieren. Zum Beispiel Stücke in Moll, die vergleichsweise schnell seien. Oder Titel in Dur, die sehr langsam daherkämen. Das mache eine Ambivalenz aus, die es früher selten gab, ergänzte der Forscher. Damals seien Titel eher nur fröhlich oder nur traurig gewesen. Im Schnitt sei die Musik in den Charts seit den 1960er Jahre zudem langsamer geworden.

Hörer genießen auch musikalische Komplexität

Auch die Texte seien nachdenklicher geworden. "Popmusik-Hörern gefallen heute emotional komplexere Stücke", folgern die Autoren der Studie, die in der jüngsten Online-Ausgabe der Zeitschrift "Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts" veröffentlicht wurde.

Dass mit mehr traurigen Pop-Songs auch eine deprimiertere Stimmung in der Bevölkerung verbunden ist, glaubt von Scheve allerdings nicht. Die Wissenschaftler vermuten eher, dass heute weit mehr Gefühle zugelassen werden als noch in den 60er Jahren - und die Welt seltener in schwarz oder weiß eingeteilt wird. "Die Leute neigen dazu, Ambivalenz und Komplexität in der Musik mehr zu schätzen", sagt der Wissenschaftler.

Ein Faible für traurige Töne

Die Popmusik-Hörer würden keineswegs immer trauriger und die Song-Schreiber müssten auch nicht stets negative Gefühle verarbeiten, vielmehr meint Scheve: "Die Botschaft ist vielleicht eher: Auch Traurigkeit kann genossen werden."

Übrigens scheint der Popmusik-Trend geschichtlich betrachtet kein Einzelfall zu sein. Klassische Musik habe zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert eine erstaunlich ähnliche Entwicklung genommen, berichten die Wissenschaftler.

kle/rb (dapd, dpa, kna, afp)