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Popkultur im Deutschunterricht

Kathrin Schröter26. November 2012

Das Goethe-Institut Sankt Petersburg will mit Gegenwartskultur für Deutschland begeistern. Ein Konzert der Kölner Band Erdmöbel zeigt, wie Musik eine Brücke über Grammatik und Vokabeln schlägt.

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Erdmöbel (Foto: Pressebild)
Bild: Matthias Sandmann

"Ich liebe Schwermusik", sagt Deutschschüler Alexander. Hardrock meint er damit, Bands wie Rammstein, sehr bekannt in Russland. Bogdan studiert Wirtschaft und mag lieber englischsprachigen Pop. Von der Band Erdmöbel haben beide noch nie gehört. Aber seit die Texte der Kölner in ihrem Sprachunterricht am Goethe-Institut besprochen wurden, haben die jungen Russen einen Eindruck von deutscher Popmusik jenseits des Mainstream.

"Das Läben ist scheen, ich kann deine Tränen nicht verstähn", radebrecht Bogdan den Text eines Songs. "Mir gefällt bisschen!", meint Alexander, will privat aber lieber bei Rammstein bleiben. Auch zuhause n Deutschland sind Erdmöbel nicht gerade massentauglich, aber das Feuilleton liebt die Kölner. Und manche Kritiker bezeichneten sie nach ihrem letzten Album sogar als beste deutsche Band. Genau das richtige, um deutsche Popkultur im russischen Deutschlandjahr zu präsentieren, fand das Goethe-Institut in Sankt Petersburg.

Vom Klassenzimmer in den Club

Am Abend des Konzerts ist der Dada-Club in einem der typischen Hinterhöfe der Stadt gut gefüllt. Vorbei an den Ruinen einiger Wohnhäuser erreicht man den Eingang der Konzerthalle. An die 200 junge Russen und das Team eines lokalen TV-Senders sind gekommen.

Hinterhof des Dada-Clubs in Sankt Petersburg (Foto: Kathrin Schröter)
Hinter dieser Hinterhoffassade versteckt sich der angesagte Dada-Club in Sankt PetersburgBild: Kathrin Schröter

Sänger Markus Berges, der auch alle Texte schreibt, schafft es mit ein paar Brocken Russisch, die Sympathien des größtenteils weiblichen Publikums zu gewinnen. Mit markanter Hornbrille und Retro-Anzug bietet er einen für die Metropole offenbar ungewohnten Anblick, der gut ankommt. Der Funke springt über, und dann klappt sogar der Teil, in dem das Publikum den Refrain eines Songs alleine singen soll - "Das Leben ist schön", den Titel aus dem Unterricht.

Gefühl von Fremdheit

"Eigentlich eine Horrorvorstellung", meint Berges dazu, dass seine Texte zum Deutschlernen verwendet werden. Gedicht-Interpretation in der Schule sei ja früher eher zum Abgewöhnen gewesen. Die russischen Sprachschüler hat es offenbar nicht abgeschreckt. Die blonde Sascha steht ganz vorne vor der Bühne und ist begeistert. "Toll, ich verstehe die Emotionen, ich verstehe, was sie sagen wollen."

Und das bei ganz schön anspruchsvollen Wortfolgen. "Sorpe, Banfe, Schopse, Milz" schreit Berges ins Mikrofon. Das sind Namen von deutschen Flüssen aus dem Lied "Fremdes", einem politischen und bösen Popsong über die Stadt Köln. Solche Feinheiten versteht hier vermutlich niemand, aber das da einer sauer ist und Schlagzeug und E-Gitarre gemeinsam auf etwas einprügeln, das vermittelt sich schon. "Es ist natürlich ein Gefühl von Fremdheit, weil ich gedacht habe, verstehen die das jetzt eigentlich?", sagt Berges später. "Aber dann dachte ich, irgendwas funktioniert hier, sonst wäre nicht so eine Stimmung."

Deutschlernen im Trend

Viele der jungen Leute im Publikum lernen Deutsch, weil sie später zum Studieren oder Arbeiten auswandern wollen. An den öffentlichen Schulen ist Deutsch nach Englisch die wichtigste Fremdsprache in Russland. Im Deutschlandjahr will das Goethe-Institut für deutsche Popkultur begeistern und holte deswegen zum Erdmöbel-Konzert auch die Wanderausstellung "musik + X" in die Stadt.

Markus Berges und Ekki Maas im Interview beim russischen Radio Fontanka.fm (Foto: Ekki Maas, Selbstauslöser)
Markus Berges und Ekki Maas im Interview beim russischen Radio Fontanka.fmBild: Ekki Maas

In einem angesagten Kultur-Hotspot, dem Fabrikloft "Project Etagi", sahen etliche Schulklassen die Schau mit Videoclips, Interviews und Konzertausschnitten aus der deutschen HipHop-, Reggae- oder Elektronikszene. Viele hörten dabei zum ersten Mal etwas von Seeed oder Tocotronic und lernten, dass Tokio Hotel aus Deutschland sind. Barbara Frankenberg, stellvertretende Leiterin des Sankt Petersburger Goethe-Instituts, ist zufrieden mit der Resonanz. "Wir wollen ein aktuelles Deutschlandbild vermitteln und einen Motivationskick geben. Musik verbindet einfach die Leute in allen Ländern."

Noch näher dran an deutscher Popkultur sind die Besucher auf dem Konzert von Erdmöbel. Als Zugabe spielen sie ihre Version des Carpenters-Klassikers "Close to you". Und der könnte an diesem Abend auch als deutsch-russische Liebeserklärung verstanden werden: Den Refrain "Nah bei dir" singt der ganze Saal minutenlang mit…