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Politik

Polnische Richter unter Druck

16. August 2017

Neue Gesetze stellen die polnische Justiz unter die Kontrolle der Regierung. Der Justizminister darf vorsitzende Richter benennen und abberufen. Kritische Richter geraten unter Druck.

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Polen Proteste gegen die Justizreform der Regierung
Bild: picture-alliance/dpa/J. A. Nicolas

An einem sonnigen Nachmittag im Juli: Demonstranten versammeln sich vor dem Parlamentsgebäude in Warschau. Waldemar Zurek tritt vor die Menge: "Die Verfassung ist unser höchstes Gesetz. Deshalb werde ich sie bis zum Ende schützen. Das habe ich bei meinem Richtereid geschworen". Beifall.

Waldemar Zurek ist Richter und Pressesprecher des Landesjustizrates, des Organs, das die Unabhängigkeit der Justiz überwacht. Teil der Justizreform der nationalkonservativen Regierung in Warschau ist, den Rat unter Kontrolle zu bringen. 

"Es ist ein Krieg um den Rechtsstaat, der hier gerade ausbricht", sagt Zurek im Gespräch mit der DW. Die Regierung wolle den Staat mit "einfachen Gesetzen" verändern. "Sie hat dazu aber keine Befugnisse, da sie im Parlament nicht über die notwendige Verfassungsmehrheit verfügt", empört sich der Richter. Ein solches Gesetz ist gerade in Kraft getreten. Es gibt dem Justizminister das Recht, die Vorsitzenden aller ordentlichen Gerichte zu benennen und auch abzusetzen.

"in einem absurden Labyrinth"

Richter Waldemar Zurek
Waldemar Zurek, Richter unter DruckBild: KRS

Doch sein Mut und seine kritische Haltung bergen Risiken für Waldemar Zurek. Seit Monaten fühle er sich wie "in einem absurden Labyrinth".

"Plötzlich erfuhr ich, dass man in meiner Sache ermittelt", sagt er. Offiziell richten sich die Ermittlungen nicht gegen den Richter, sondern würden zu seinem Schutz geführt, heißt es. Die Staatsanwaltschaft habe aus den Medien erfahren, dass er Kollegen von Drohbriefen erzählt habe, die er bekomme. Er reichte weder eine Klage ein, noch erstattete er Anzeige bei der Polizei. Die Staatsanwaltschaft wurde trotzdem aktiv; doch statt den Briefeschreiber zu suchen, wird Zurek verhört.

Er fürchtet, dass die Ermittler bald auch seinen Computer mit allen Informationen und Kontakten durchsuchen werden. "Schon jetzt überprüfen sie meine Telefonate - und das ohne meine Einwilligung", sagt Zurek. Die Gesetze in Polen lassen das zu. Für den Richter sind die Drohbriefe nur ein Vorwand für die Staatsanwaltschaft, ihn unter Aufsicht zu stellen.

Seltsame Verhöre

Die Befürchtungen des Richters werden durch neue Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde bestätigt. Diese habe "rein zufällig" gerade jetzt mit der Überprüfung seiner Steuererklärungen aus den letzten Jahren begonnen.

Polen Proteste gegen die Justizreform der Regierung
Zehntausende Polen waren gegen die Justizreform auf die Strassen gegangenBild: picture-alliance/dpa/J. A. Nicolas

"Die Ermittler fragen zum Beispiel, wie viel Geld ich auf einem Konto vor fünf Jahren hatte",  berichtet Zurek aus den Verhören. "Ich sage dann: genauso viel, wie in meiner Steuererklärung steht. Aber sie bohren weiter: Waren es 5000 Zloty? Waren es mehr oder weniger als 5000 Zloty? Daran kann ich mich so genau doch nicht erinnern". 

5000 Zloty sind umgerechnet rund eintausend Euro. Die Art, wie die Behörden mit ihm umgehen, empfindet der Richter als Schikane. Ein Interview mit der DW lehnt das Antikorruptionsbüro ab. In einer lapidaren Stellungnahme heißt es, die Überprüfung der Steuererklärungen des Richters sei eine Routinesache. Die Beamten verweisen dabei auf Internetportale, die von einem vermeintlich "beachtlichen Vermögen" des Richters berichten. Konkrete Vorwürfe oder Anschuldigungen gibt es nicht.

Andrzej Duda
Präsident Andrzej Duda legte Ende Juli gegen zwei von drei geplanten Justizgesetzen ein Veto einBild: picture alliance/Pap/P.Supernak

Die Richter als "Kaste"

Angriffe von regierungstreuen Medien ist Zurek bereits gewohnt. Er würde "die Interessen der alten Richterkaste" vertreten, die aus alten Kommunisten bestünde, werfen ihm PiS-nahe Publizisten vor. "Die Regierenden stellen uns als eine Elite dar, die mit dem alten System verbunden ist und die die Reformen verhindern will", sagt er.  Dass der 47-Jährige im kommunistischen Polen als Jugendlicher in der Oppositionsbewegung aktiv und kein kommunistischer Funktionär war, spielt dabei keine Rolle.

Zurek sieht die nächste Zukunft wenig optimistisch. Er glaubt nicht, dass Jaroslaw Kaczynski wegen der Kritik aus Brüssel oder wegen der Proteste seiner Landsleute von dem harten Kurs und dem Umbau des polnischen Staates abweichen würde. Viel mehr würde er blind weiter sein Ziel verfolgen, die Justiz komplett unter die Kontrolle zu bringen.

Düstere Aussichten für den Rechtstaat

Polnische Richterin ausgebremst

Schon jetzt ist das polnische Verfassungsgericht von regierungsnahen Richtern dominiert und das öffentliche Bild seiner Unabhängigkeit beschädigt. Viele in Polen sprechen von einer "Attrappe". Das neueste Gesetz stärkt den Justizminister, der zugleich Generalstaatsanwalt ist, in unverhältnismäßiger Weise gegenüber den Richtern. Seit wenigen Tagen darf er die Vorsitzenden von ordentlichen Gerichten und ihre Stellvertreter berufen oder absetzen, ohne es begründen zu müssen. Zwei weitere Gesetze hat Präsident Andrzej Duda gestoppt. Sie sahen ebenfalls mehr Kontrolle über den polnischen Landesjustizrat und das Oberste Gericht vor. In welcher Form sie schließlich in Kraft treten werden, weiß noch niemand. Kaczynski versucht trotz aller Proteste weiter, das Oberste Gericht unter seine Kontrolle zu bringen. Dieses entscheidet unter anderem über die Gültigkeit von Wahlen. 

Waldemar Zurek rechnet damit, seinen Posten als Richter am Krakauer Bezirksgericht zu verlieren. Als wären die Ermittlungen "zu seinem Schutz" nicht schon genug, habe er drei Wochen nach seinem kritischen Auftritt auf der Demonstration in Warschau erfahren, dass ihm ein Disziplinarverfahren wegen seines politischen Engagements droht. Doch ans Aufgeben denkt er nicht.

Porträt einer Frau mit kurzen blonden Haaren und blauen Augen
Monika Sieradzka DW-Korrespondentin in Warschau