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Polizeirazzia in pakistanischer Koran-Schule

13. Dezember 2011

Die pakistanische Polizei hat angekettete Schüler aus einer Koranschule befreit. Dort sollten sie möglicherweise zu radikal-islamischen Kämpfern ausgebildet werden.

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Religiöser Unterricht in einer pakistanischen Koranschule (Foto: AP)
Koranschulen bieten auch den Armen Unterkunft und BildungBild: AP

Die Polizei in der südpakistanischen Hafenstadt Karachi hat am Dienstag (13.12.2011) 68 Koranschüler aus der Gewalt von Geistlichen befreit, die die Kinder und Erwachsenen mutmaßlich zu Taliban-Kämpfern ausbilden wollten. Einige der befreiten Koranschüler erhoben gegenüber der Polizei und den Medien den Vorwurf, gefoltert worden zu sein. Die Geistlichen hätten sie auf den Dschihad - den Heiligen Krieg - vorbereiten wollen. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben einen Geistlichen der Koranschule fest, vier weitere konnten fliehen. Die Ermittler kündigten im Zusammenhang mit der Einrichtung in Karachi umfassende Ermittlungen an.

Nach Polizeiangaben waren die Schüler im Alter zwischen 4 und 54 Jahren im Keller der Koranschule oder "Madrasa" angekettet. Unter den 14 Jungen und 54 Männern befanden sich demnach auch Drogenabhängige und psychisch Kranke, die von Angehörigen in die Obhut der Geistlichen gegeben wurden. Die Familien sollen der Verwaltung der Koranschule dafür je 5000 Rupien (ca. 43 Euro) pro Monat bezahlt haben.

Moderate und radikale Schulen

Schüler lesen im Koran (Foto: AP)
Hauptaufgabe der Koran-Schulen ist die Erziehung im Sinne des IslamBild: AP

Seit langem stehen die pakistanischen "Madrasas" unter Generalverdacht, ideologische Brutstätten des Terrors zu sein. Allerdings predigen die allermeisten Koran-Schulen nach Angaben von Experten eine moderate Weltanschauung. In der islamischen Geschichte spielten Koran-Schulen schon immer eine bedeutende Rolle und bis heute haben sie ihre Bedeutung in der islamischen Welt behalten.

Nach amtlichen Zahlen existieren offiziell über 15.000 sogenannte Madrasas in Pakistan, an denen zwei Millionen Schüler ihre Ausbildung erhielten. Daneben gibt es vermutlich Tausende nicht registrierte Schulen. Hauptaufgabe der Koran-Schulen ist die Erziehung im Sinne des Islam. Außerdem bieten sie jungen Menschen vor allem aus den ärmeren Bevölkerungsschichten eine Chance auf Bildung. Viele nutzen dieses Privileg, denn Pakistan ist eines von weltweit nur zwölf Ländern, die weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ins Bildungswesen investieren.

Gigantisches Rekrutierungspotential

Allerdings gibt es auch zahlreiche "Madrasas" in Pakistan, die die Schüler durch eine einseitige und besonders strenge Interpretation des Korans indoktrinieren. Je länger sich die Jungen in diesen Schulen aufhalten, desto rigoroser lehnen sie oftmals jede andere Weltanschauung ab. Aus diesen Kreisen rekrutierten auch die Taliban bevorzugt ihre Anhänger. Analytiker in den USA gehen davon aus, dass jede zehnte der rund 14.000 "Madrasas" militante Ideen propagiert - und dort unter den Schülern ein gigantisches Rekrutenpotenzial für Terrororganisationen herangezogen werden könnte.

Religiöse und militärische Ausbildung

Schülerinnen vor dem Eingang zu einer Koranschule (Foto: AP)
Oftmals stehen Koranschulen unter GeneralverdachtBild: AP

Die Zahl der Koranschulen in Pakistan nahm nach dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan 1979 drastisch zu. In den "Madrasas" bekamen die Schüler (Talibs) schon damals eine ebenso religiöse wie militärische Ausbildung, um als junge Widerstandskämpfer oder "Mudschahedin" in den Kampf gegen die Rote Armee im Nachbarland zu ziehen. Der von den Muslimen ausgehende Widerstand gegen die Sowjets wurde durch den pakistanischen Geheimdienst ISI und US-amerikanische Finanzmittel großzügig unterstützt. Viele der Koran-Schulen - wie etwa Darul-Uloom Sarhad und Darul-Uloom Haqqania, westlich von Islamabad - wurden zu Ausbildungslagern für den muslimischen Widerstand. Viele namhafte Talibanführer sowie die Anhänger der ägyptischen Moslem-Bruderschaft haben sich regelmäßig an diesen Schulen aufgehalten.

Autor: Alexander Freund (dpap, AFP, KNA)
Redaktion: Ana Lehmann