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Polizei in Münster holt Flüchtling aus Kirchenasyl

23. August 2016

Einem 31-jährigen Flüchtling aus Ghana drohte die Abschiebung. Im Kapuzinerkloster in Münster erhielt er Kirchenasyl. Nun wurde er offenbar gewaltsam von der Polizei abgeführt. Kirchenvertreter sind schockiert.

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Kapuzinerkloster in Münster (Foto: DPA)
Im Kapuzinerkloster in Münster erhielt ein ghanaischer Flüchtling KirchenasylBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Die Polizei und der Kreis Coesfeld erklärten, bei der Festnahme des Mannes im Kapuzinerkloster in Münster sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen. Als ihm Handschellen angelegt worden seien, habe der Mann einen Beamten in die Hand gebissen. Nach Angaben des Kreises Coesfeld wurde die Abschiebung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entschieden. Der Kreis sei um Amtshilfe gebeten worden. Verantwortlich für die Festnahme sind nach Polizeiangaben die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld und eine Richterin. Das BAMF verwies darauf, dass Kirchenasyl nur in besonderen Härtefällen gewährt werden solle.

Das Verwaltungsgericht Münster gab am Abend laut WDR einem Eilantrag statt, wonach die Abschiebehaft des Mannes für 48 Stunden ausgesetzt wird.

Heftige Kritik von den Kirchen

Vertreter der Kirchen in Münster reagierten schockiert auf die Auflösung des Kirchenasyls. Die evangelische Superintendentin Meike Friedrich und der katholische Stadtdechant Jörg Hagemann zeigten sich erschüttert, dass der Kreis Coesfeld einen ghanaischen Asylbewerber mit Polizeigewalt aus dem Kirchenasyl geholt habe. "Unfassbar, dass der Kreis Coesfeld den Ghanaer nach Ungarn zurückführt! Wir verweisen hier auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster, worin dieses die inhumanen Zustände für Asylbewerber in Ungarn feststellte", betonten die beiden Theologen.

Das Netzwerk Kirchenasyl kritisierte das Vorgehen der Polizei scharf. Die Räumung eines Kirchenasyls sei ein ungeheuerlicher und in dieser Form einmaliger Vorgang, kritisierte eine Sprecherin des Netzwerks.

In Ungarn registriert

Der 31-jährige Flüchtling aus Ghana war nach Angaben des Netzwerks Kirchenasyl zuvor in Ungarn registriert worden. Nach dem Dublin-Abkommen der Europäischen Union muss ein Flüchtling in dem EU-Staat Asyl beantragen, über den er in die EU eingereist ist. Bei den derzeitigen Zuständen in Ungarn sei es jedoch sehr zweifelhaft, dass der Mann aus Ghana dort ein faires Verfahren bekomme, kritisierte die Sprecherin des Netzwerks. Zudem sei der Mann herzkrank und brauche eine entsprechende medizinische Behandlung.

Das Netzwerk Kirchenasyl warf den Behörden ein "massives und brutales Vorgehen ohne jegliche Dialogbereitschaft" vor. "Wir waren gerade dabei, die Dokumentation des Falles an die zuständigen Stellen weiterzuleiten", erklärte sie. Der Mann aus Ghana sei wie ein Schwerverbrecher behandelt worden. Er sei jedoch ein Bedürftiger, der sich hier Schutz erhofft habe.

Inzwischen ist der Mann aus Ghana wieder auf freiem Fuß. Das Verwaltungsgericht Münster gab einem Eilantrag statt. Die Abschiebung nach Ungarn sei bis zu einer Entscheidung im Hauptverfahren ausgesetzt, sagte der Vorsitzende Richter Michael Labrenz am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach Einschätzung des Gerichts genüge die Versorgung von Flüchtlingen in Ungarn nicht den Anforderungen des EU-Rechts und der europäischen Menschenrechtskonvention, erläuterte Labrenz.

Kirchenasyl wird eigentlich geduldet

Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus von Kirchengemeinden zeitlich befristet beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen. Der Aufenthaltsort der Flüchtlinge wird den Behörden gemeldet. Bislang wird die Praxis des Kirchenasyls als Ausnahme in seltenen Fällen weitgehend geduldet.

cr/stu/kle (kna, epd)