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Politik

Zahl der "Reichsbürger" bei Polizei steigt

31. Oktober 2016

Vor knapp zwei Wochen erschoss ein selbsternannter "Reichsbürger" im bayerischen Georgensgmünd einen Polizisten. Nun entdecken die Ermittler einem Medienbericht zufolge weitere Verdachtsfälle in ihren eigenen Reihen.

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Reichsbürger Joachim Widera
Ein "Reichsbürger" aus Rheinfelden posiert mit seinem "Deutschen Reich Reisepass"Bild: Picture-Alliance/dpa/P. Seeger

Die Zahl der Disziplinarverfahren gegen Polizisten, die im Verdacht stehen, der Szene der so genannten Reichsbürger nahezustehen, habe sich bundesweit in kurzer Zeit vervielfacht, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Nach einer Umfrage der Zeitung unter den Landesinnenministerien liege sie derzeit bei 15. Die meisten Fälle meldete demnach Bayern, wo vor wenigen Tagen ein 26-jähriger Beamter suspendiert worden sei. Er sei bereits der sechste mutmaßliche "Reichsbürger" in der dortigen Polizei.

Die gesamte Szene bestehe nach Schätzungen von Verfassungsschützern bundesweit nur aus wenigen hundert Menschen, heißt es in dem Bericht. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Innenministerien und Sicherheitsbehörden der Länder ergab demgegenüber, dass der "Reichsbürger"-Bewegung bundesweit mindestens 1100 Personen zuzuordnen sind. Allerdings fehlten aus sieben der 16 Bundesländer zunächst konkrete Angaben.

Missachtung für Bundesrepublik

Die "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Staatlichen Institutionen wie Gerichten sprechen sie die Legitimität ab und erkennen amtliche Bescheide nicht an.

Neben Bayern führt Sachsen-Anhalt derzeit vier Disziplinarverfahren gegen mutmaßliche "Reichsbürger" in der Polizei, drei von ihnen sind bereits vom Dienst suspendiert. Nordrhein-Westfalen prüft demnach zwei neue Verdachtsfälle, womit sich die Zahl der entsprechenden Disziplinarverfahren dort auf vier verdoppeln könnte. In Berlin ist ein Polizist als "Reichsbürger" suspendiert. Die Bundespolizei führt derzeit zwei solche Disziplinarverfahren.

Polizei trauert

Am Samstag hatten in Nürnberg Angehörige, Freunde und die bayerische Polizei Abschied von dem 32-jährigen Polizisten genommen, den der mutmaßliche "Wutbürger" in Georgensgmünd erschossen hatte.  Den mit gelben und weißen Blumen geschmückten Sarg flankierten in Nürnberg sechs Kameraden des Toten. Auch Abordnungen von Polizeiverbänden aus dem In- und Ausland nahmen am Gottesdienst teil. Bundesweit verharrten Polizisten zugleich in einer Schweigeminute. In Berlin versammelten sich viele Beamte vor dem Polizeipräsidium, Streifenwagen hielten an.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erinnerte in einer Rede an die hervorragenden Leistungen des aus Mecklenburg stammenden Beamten eines Spezialeinsatzkommandos (SEK). Die tödlichen Schüsse auf ihn seien ein "Angriff auf unsere Werte, den Rechtsstaat, uns alle", sagte er. Sie müssten Anlass sein, "gegen sogenannte Reichsbürger mit aller Konsequenz vorzugehen und ihnen sämtliche Waffen zu entziehen". Der mutmaßliche Schütze sitzt inzwischen unter anderem wegen Mordes in Untersuchungshaft. Drei weitere Polizisten hatten durch seine Schüsse Verletzungen erlitten.

kle/se (afp, dpa)