1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Politischer Rechtsruck in den Niederlanden

10. Juni 2010

Nach dem knappen Sieg der Liberalen bei der Parlamentswahl und dem unerwartet starken Ergebnis für den Rechtspopulisten Geert Wilders stehen die Niederlande vor schwierigen Koalitionsverhandlungen.

https://p.dw.com/p/Nn82
Rutte (Foto: AP)
Wahlsieger mit einem Sitz Vorsprung: Mark Rutte von der rechtsliberalen VVDBild: AP

Einen Tag nach der Parlamentswahl in den Niederlanden sind sich alle politischen Beobachter am Donnerstag (10.06.2010) einig: Den politisch Verantwortlichen in Den Haag steht ein langwieriger Koalitionspokerng bevor. Zwar erklärte sich nur wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) zum Wahlsieger, mit nur einem Sitz Vorsprung vor den Sozialdemokraten (PvdA) fiel das Ergebnis aber denkbar knapp aus. Drittstärkste Kraft wurde die Freiheitspartei (PVV) des Islam-Gegners Geert Wilders, die an den Christdemokraten des bisherigen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende vorbeizog.

Die Ergebnisse

Die besten Chancen auf das Amt des Regierungschefs hat nun VVD-Chef Mark Rutte. Seine Partei erreichte nach Auszählung fast aller Stimmen 31 der 150 Mandate, die Sozialdemokraten (PvdA) kamen auf 30 Sitze. Der Rechtspopulist Geert Wilders konnte die Zahl der Mandate mehr als verdoppeln. Er kam auf 24 Mandate. Abgeschlagen auf dem vierten Platz mit nur 21 Mandaten landeten die Christdemokraten von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Er zog noch am Mittwochabend die Konsequenzen aus seiner Niederlage und trat als Parteichef seiner CDA zurück. Die Ergebnisse seien "eine Ohrfeige", sagte er und kündigte an, nicht dem neuen Parlament angehören zu wollen. Das Amt des Ministerpräsidenten will er aber bis zur Konstituierung einer neuen Regierung weiterführen.

Zu den Wahlgewinnern gehörten auch die Grün-Linken, die nach Auszählung fast aller Stimmen auf 10 Mandate kommen (vorher 7). Die linksliberale Partei Demokraten 66 steigerte sich von 3 auf 10 Mandate. Die Sozialistische Partei sackte auf 15 Mandate ab (vorher 25).

Mark Rutte (VVD), Geert Wilders (PVV), Job Cohen (PvdA) und Jan Peter Balkenende (CDA) (Foto: dpa)
Die Parteichefs: v.l. Mark Rutte (VVD), Geert Wilders (PVV), Job Cohen (PvdA) und Jan Peter Balkenende (CDA)Bild: picture alliance/dpa

Die Hauptakteure

Als Wahlgewinner - wenn auch knapp - wird Rutte mit der Regierungsbildung beauftragt. Sollte der 43-jährige ehemalige Wirtschaftsmanager sich nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen durchsetzen, wäre er der erste liberale Regierungschef in den Niederlanden seit dem Ersten Weltkrieg. Seine Partei hatte als Ziel ausgegeben, das Staatsdefizit, das derzeit bei 5,3 Prozent der Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegt, auf Null herunterzufahren.

Rutte hat bereits angekündigt, bis zum 1. Juli eine neue Regierung aufzustellen. Politische Beobachter gehen aber von wesentlich längeren Verhandlungen aus. Schon vor der Wahl hatte Rutte erklärt, er werde keine Partei von den Gesprächen ausschließen.

Wilders (Foto: AP)
Drängt in die Regierung: Der Rechtspopulist Geert WildersBild: AP

Damit wurde auch denkbar, dass es der umstrittene Wilders tatsächlich in die Ministerriege schaffen könnte: Er sah sich nach einem anti-muslimischen und ausländerfeindlichen Wahlkampf als eigentlicher Wahlgewinner und forderte eine Teilnahme an der neuen Regierung. "Wir sind die großen Gewinner des Tages, wir wollen regieren", rief der 46-Jährige vor seinen Anhängern in Den Haag. Niemand in Den Haag komme nun mehr an seiner PVV vorbei, sagte er.

Die Mitte-Links-Regierung des bisherigen Regierungschefs Balkenende war Mitte Februar am Streit über den niederländischen Afghanistan-Einsatz zerbrochen. Deshalb wurden Neuwahlen nötig. Insgesamt waren am Mittwoch rund zwölf Millionen Wähler aufgerufen, über die Zusammensetzung der 150 Sitze zählenden Volksvertretung zu entscheiden. Rund 74 Prozent der Berechtigten gingen zur Wahl. Es war die niedrigste Beteiligung seit 1998.

Autor: Herbert Peckmann (apn, afp, dpa)
Redaktion: Eleonore Uhlich