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Politischer Amateur-Klub in Ankara

Baha Güngör20. März 2003

"Nein" zur Stationierung, "Ja" zu Überflugrechten für US-Kampflugzeuge. Mit ihrem Schlingerkurs gegenüber der amerikanischen Irak-Politik hat sich die Türkei keinen Gefallen getan - meint Baha Güngör in seinem Kommentar.

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Wer beim Überqueren des Flusses und dazu noch bei starker Strömung versucht, die Pferde an der tiefsten Stelle zu wechseln, darf sich nicht wundern, dass er ins Wasser fällt. Ins Wasser gefallen sind jedenfalls die Hoffnungen der Türkei, aus einem von der Bevölkerung mit erdrückender Mehrheit abgelehnten Krieg Kapital zu schlagen.

Das Parlament handelte richtig, als es - wenn auch nur mit hauchdünner Mehrheit - die Vorlage der islamistischen Regierung, den Amerikanern die Stationierung von 62.000 Soldaten auf anatolischem Boden zu gestatten, ablehnte. Dieser Antrag war verbunden mit der Öffnung des Luftraums für US-Bomber und mit der Entsendung von türkischen Soldaten in den Nordirak. Dagegen ist das zweite Abstimmungsergebnis vom Donnerstag (20.3.) unglaubwürdig. Warum?

Halbherzigkeit

Die zweite Vorlage, der jetzt im politischen Amateur-Klub von Ankara mit deutlicher Mehrheit zugestimmt worden ist, öffnet den Luftraum für US-Maschinen und gibt grünes Licht für die Entsendung türkischer Soldaten über die türkisch-irakische Grenze. Die Stationierung von US-Soldaten und damit die Öffnung einer Nordfront war ohnehin nicht mehr vorgesehen. Dieses halbherzige nachträgliche 'Yes' der Großen Nationalversammlung kann die verloren gegangenen Sympathien der USA für den bislang als zuverlässig eingestuften Bündnispartner nicht wieder herbeizaubern. Eines Bündnispartners wohlgemerkt, der vom Wohlwollen Washingtons bei der Überwindung seiner Wirtschafts- und Finanzkrise abhängig ist.

Der Schlingerkurs der Türkei vom "Nein" über "Vielleicht" zum kleinen "Ja" angesichts des Irak-Abenteuers der USA kommt jedenfalls der Türkei teuer zu stehen. Die einst versprochenen sechs Milliarden Dollar als Entgelt für das Entgegenkommen der Türkei sind ebenso Schnee von gestern wie die in Aussicht gestellten weiteren 24 Milliarden Dollar an Krediten. Die USA haben gezeigt, dass die Unterstützung der Türkei nicht unbedingt notwendig war, um einen von der Weltöffentlichkeit als nicht legitim abgelehnten Krieg zu entfachen.

Unberechenbare Größe

Die Türkei hätte, nachdem sie 'A' gesagt hatte, auf das 'B' verzichten und auf 'A' beharren müssen. Im Klartext: Die Ablehnung der Vorlage hätte nicht rückgängig gemacht werden dürfen. So hat sich die Türkei aber als eine unberechenbare Größe mit vielen Variablen erwiesen. Diese Unzuverlässigkeit haben sich die Kriegsbefürworter um George Bush ebenso gemerkt wie die Ablehnungsfront angeführt von Berlin und Paris. Ob sich die USA an der bislang von ihr unterstützten islamistischen Regierung 'rächen' werden, wie in der Türkei spekuliert wird, oder ob die Regierung Recep Tayyip Erdogans es sich mit den friedlichen Europäern verscherzt hat - beides bleibt abzuwarten.

Fest steht, dass das Ansehen der türkischen Regierung trotz einer enormen Mehrheit im Plenum schwer beschädigt wurde. Das macht es sehr fraglich, ob die Islamisten tatsächlich noch viereinhalb Jahre in der Regierungsverantwortung bleiben können. Das mächtige Militär hat sich am Ende durchgesetzt, weil es einen Kurden-Staat im Norden Iraks verhindern wollte und deshalb den Einmarsch ins Nachbarland vom eigenen Parlament legitimiert sehen wollte. Dass der türkische Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer die Militäraktion als 'nicht richtig' ablehnt, ist dabei nur noch Nebensache.