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VW-Affäre: Winterkorn unter Druck

Barbara Wesel 22. September 2015

Die VW-Affäre erreicht jetzt auch Brüssel. Neben Rücktrittsforderungen wollen Kritiker neue Testverfahren für Abgasprüfungen und eine Kontrolle der ganzen europäischen Autoindustrie.

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Deutschland VW Logo Symbolbild zum Abgasen-Skandal
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Die EU-Kommission hält sich mit Kritik in der VW-Affäre noch zurück: Es sei verfrüht zu sagen, ob unmittelbare spezifische Überwachungsmaßnahmen auch in Europa nötig sind, und ob hiesige VW-Fahrzeuge betroffen seien, erklärte eine Sprecherin. Aber man werde der Sache auf den Grund gehen. Dies angesichts der Forderungen aus Paris, eine EU-weite Untersuchung aller Autohersteller durchzuführen. "Wir haben einen europäischen Markt mit europäischen Regeln", die eingehalten werden müssten, forderte der französische Finanzminister Michel Sapin. Er scheint überzeugt, dass die eigene Autoindustrie den Normen genügt.

Henkel fordert Rücktritt von Winterkorn

Hans-Olaf Henkel gibt sich in punkto VW-Affäre knallhart: Winterkorn müsse ohne weiteren Verzug zurücktreten und die Verantwortung für den Skandal übernehmen, sagt der heutige Europaabgeordnete und frühere Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

"Er muss nicht gleich Harakiri begehen, wie wir das schon in Japan erlebt haben", aber es genüge nicht, dass der Vorstandsvorsitzende vor den Verkehrsminister zitiert werde. Und Henkel fährt schwerstes Geschütz auf: "Die aus den USA bekannt gewordene Manipulation der Abgaswerte sprengt alles, was sich einige Vertreter der deutschen Industrie nach dem Krieg geleistet haben". Der Schaden für die Autoindustrie sei immens, er sieht sogar die gesamte deutsche Industrie und ihren guten Ruf beschädigt.

Parteitag Alternative für Deutschland (AfD) in Erfurt Hans-Olaf Henkel
Harte Kritik an Winterkorn: Hans-Olaf HenkelBild: picture-alliance/dpa

Schon früher, so der frühere BDI-Chef, habe er Gespräche mit Ingenieuren über die Abgasnormen geführt, und sie hätten geklagt, dass die Vorgaben kaum einzuhalten seien. "Die Regeln für Dieselfahrzeuge sind extrem ambitioniert", aber das sei trotzdem kein Grund für das, was bei VW passiert ist.

Grüne sehen sich bestätigt

Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms sieht ihren dunkelsten Verdacht durch die VW-Affäre bestätigt: "Mir ist sofort klar geworden, warum die Autokonzerne seit Jahren so stark gegen die Verbesserung der Testverfahren gekämpft haben." Die EU habe gute Grenzwerte beschlossen, aber die nützten nichts, wenn die Fahrzeuge nicht entsprechend auch unter Fahrbedingungen auf der Straße getestet werden. Auch für sie steht außer Frage, dass die Führung des VW-Konzerns für den angerichteten Schaden geradestehen müsse.

Darüber hinaus kritisiert Harms die Bundesregierung, die jahrelang in Brüssel die Schutzherrin der Autoindustrie gespielt habe, statt sich für den Klimaschutz einzusetzen. Die Fraktion der Grünen fordere seit Jahren, die Testverfahren für Autos zu verbessern, damit sie wirkliche Emissionen möglichst optimal darstellten. Die EU-Vorschriften aus der Richtlinie Euro 5/6 seien seit sieben Jahren bekannt, und so lange kenne man auch bereits die Diskrepanz zu den tatsächlichen Grenzwerten. Die EU-Kommission solle jetzt so schnell wie möglich Vorschläge für neue Testverfahren vorlegen, um den Missstand zu beenden, so Harms.

Grüne Politikerin Rebecca Harms 26.9.2014
Regierung als "Schutzherrin der Autoindustrie": Rebecca HarmsBild: picture alliance/Wiktor Dabkowski

Abgesehen davon sieht die Grünen-Abgeordnete im Alter der Chefs und Vorstände ein besonderes Problem der deutschen Industrie: Viele Unternehmen hätten sich beim Umweltschutz jahrelang mit Abwehrkämpfen beschäftigt. Jetzt sei es Zeit, dass eine neue Generation ans Ruder komme, mit neuen Ideen und einer anderen Mentalität.

Unerträglicher Imageschaden

Auch bei der konservativen Fraktion im Europaparlament findet die VW-Vorstandsetage keine Fürsprecher mehr: Die Manipulation bei VW schadet dem Image der ganzen Autoindustrie, meint der CDU-Abgeordnete Werner Langen. Und was Rücktrittsforderungen angeht: "Wenn Winterkorn auch die Testverfahren mit überwacht hat, dann muss es Konsequenzen geben".

Es sei Schaden für die ganze deutsche Industrie entstanden, wenn der Gesetzgeber bewusst hinters Licht geführt worden sei. Das besondere Problem in der VW-Affäre sieht Langen darin, dass der Grenzwert für Stickstoffoxide (NOx) in den USA für umweltfreundliche Fahrzeuge besonders ehrgeizig sei. Der Konzern aber habe gezielt gerade damit geworben: "Es ist mir unbegreiflich, wie man so etwas machen kann".

Sein Fraktionskollege Peter Liese will darüber hinaus Aufklärung für den gesamten europäischen Markt: "Auch in Europa wissen wir, dass der Spritverbrauch und die Abgas-Emissionen auf der Straße sieben Mal höher sind als auf dem Prüfstand". Das schädige die Verbraucher und die Kommunen, die "aufwändige Pläne zur Luftreinhaltung aufstellen müssen". Die Hersteller müssten jetzt nachweisen, dass sie nicht manipuliert haben und die EU müsse ihre Regeln überprüfen.

Speziell für Dieselfahrzeuge solle es mit der Einführung von "Real Driving Emission" ein neues Testverfahren geben. Die NOx-Grenzwerte lägen auf der Straße sieben Mal höher als im Testlabor, sagt Liese. "Gerade die deutschen Hersteller haben in den letzten Jahren viel davon geredet, die Fahrzeuge sauberer gemacht zu haben. Deshalb müsse jetzt genau geprüft werden, ob diese Verbesserung nicht nur auf dem Prüfstand stattgefunden hat". Das Europaparlament will sich auf seiner nächsten Plenarsitzung voraussichtlich mit dem Fall befassen.