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Politik hat keine Lösung für die Eurokrise

Zhang Danhong15. April 2013

ESM, Fiskalpakt, Bankenunion - mit diesen Wunderwaffen versucht die Politik, die Risse in der Währungsunion zu kitten. Wie wirksam sie wirklich sind, wird unter den Ökonomen kontrovers diskutiert.

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German Chancellor Angela Merkel delivers a statement after a parliamentary session on the last European Council on March 20, 2013 at the German lower house of parliament, Bundestag, in Berlin. AFP PHOTO / JOHANNES EISELE (Photo credit should read JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images) Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentiert am 20.03.2013 in Berlin die gescheiterte Hilfe für das hochverschuldete Euro-Land Zypern/Marcel Fürstenau.
Merkel Statement zu Zypern 20.03.2013Bild: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Wenn ein Staat überschuldet ist, kann er sich immer auf das Instrument Inflation verlassen. Er druckt mehr Geld, macht es dadurch billiger und kann sich so leichter seiner Schulden entledigen. Ein Zahlungsausfall ist daher höchst selten, auch wenn die Gläubiger real weniger Wert zurückbekommen.

Wenn dieser Staat aber Mitglied einer Währungsunion wird, gibt er die Geldpolitik und dadurch die Waffe der Inflation aus der Hand. Wenn er dann bis zum Hals verschuldet ist, steigt für die Investoren das Risiko des Zahlungsausfalls. Sie verlangen von ihm hohe Zinsen oder kehren ihm ganz den Rücken. Diese schmerzhafte Erfahrung machen die Krisenstaaten in der Eurozone seit drei Jahren.

ESM - Gemeinsamer Schuldenfonds

Darin sieht Jürgen von Hagen, Direktor des Instituts für Internationale Wirtschaftspolitik, einen Konstruktionsfehler des Euro. Um den zu beheben, wurde der Rettungsfonds ESM gegründet. Von Hagen bezeichnet ihn lieber als einen gemeinsamen Schuldenfonds, "der auf der Annahme aufgebaut ist, dass eine Verschuldungskrise in Europa immer nur in einem einzelnen Staat existieren kann und wenn möglich, dann auch bitte noch in einem kleinen Staat".

Eurokrise: wer zahlt was?

Denn sobald eine größere Volkswirtschaft wie Spanien oder Italien kippt, dann ist die Rettungssumme schnell aufgebraucht. Zwar kann sie theoretisch unendlich vergrößert werden, doch dann würde sich das von Ökonomen genannte Allmende-Problem verschärfen. Ein solches Problem entsteht immer, wenn sich eine Gemeinschaft einer frei verfügbaren, aber begrenzten Ressource bedient. In diesem Fall die Ressource der Steuereinnahmen. Dieses Allmende-Problem führe dann dazu, "dass die Regierung eines Landes gerne auf die Steuereinnahmen eines anderen Landes zugreifen möchte, weil sie dann ja Einnahmen bekommt, die sie nicht demokratisch verantworten muss", sagt von Hagen. Das werde zu einer weiterer Überschuldung in Europa führen, ist der Ökonom überzeugt.

Fiskalpakt - eine Überwachungsillusion

Optimisten meinen, dass es dazu nicht kommen wird. Denn der seit Jahresanfang in Kraft getretene Fiskalpakt ist genau dazu da, um der Schuldenmacherei einen Riegel vorzuschieben. Darin verpflichten sich 25 Länder in Europa, neben der Einhaltung der Verschuldungsregeln (Maastrichter Kriterien) eine Schuldenbremse einzuführen. Für von Hagen ist dieser Pakt lediglich eine Überwachungsillusion: "Der Fiskalpakt beruht auf der Vorstellung, dass wir die Haushaltspolitik in den Mitgliedsstaaten immer stärker überwachen. Aber wir überwachen nicht die Durchführung der Haushaltspolitik, sondern nur die Aufstellung der Haushaltspolitik." Eine solche Aufstellung basiert auf Prognosen, an denen man wiederum so lange basteln kann, bis alles den Vorstellungen der Politik entspricht.

Prof. Jürgen von Hagen vom der Universität Bonn (Foto: Uni Bonn)
Abrechnung mit der Rettungspolitik: Jürgen von HagenBild: Universität Bonn

Achim Wambach, Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln, warnt dagegen, den Fiskalpakt mit dem Argument abzutun, es würde sich ohnehin niemand daran halten: "Es gibt nicht Schwarz-Weiß, sondern immer Grau. Auch die Maastrichter Kriterien, die nicht eingehalten wurden, haben eine Wirkung verursacht." Es war den Politikern durchaus peinlich, beim Haushaltsdefizit über drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu gehen.

Prof. Achim Wambach von der Universität Köln (Foto: Uni Köln)
Kein Schwarz-Weiß, sondern immer Grau: Achim WambachBild: Staatswissenschaftliches Seminar/Wambach

Bankenunion braucht ihre Zeit

Auch wenn der Fiskalpakt positive Wirkung entfalten könnte, bleibt immer noch der Bankensektor als die größte Baustelle der Eurozone. Die geplante Bankenunion soll das Risiko minimieren, dass die Insolvenz einzelner Banken die ganze Währungsunion ins Wanken bringen könnte. Als erster Schritt wird die Europäische Zentralbank ab 2014 eine gemeinsame Bankenaufsicht verantworten. Danach ist die Frage zu beantworten, ob ein Einlagensicherungsfonds auf nationaler oder europäischer Ebene installiert werden soll. Im günstigsten Fall steht die Bankenunion ab 2015, so die Einschätzung der Experten. Bis dahin wird die EZB alles tun, um die Währungsunion zusammenzuhalten.

Austrittsszenarien

Ob es ihr gelingt, steht in den Sternen. Ein Bröckeln der Eurozone könnte eintreten, wenn die wirtschaftlichen Fliehkräfte immer stärker werden oder wenn die Nordeuropäer immer rettungsmüder werden. Vorstellen könnte sich Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, dass ein Land wie Finnland den Euro verlässt, "weil es für die Peripherie nicht mehr zahlen will, wenn sich die Eurozone schlecht entwickelt". Er geht aber davon aus, dass ein solcher Austritt keine großen Verwerfungen hervorrufen wird. "Ein anderes schwierigeres Szenario wäre, dass eben die Peripherie-Staaten die Anpassung nicht schaffen und nach weiteren drei Jahren Rezession sagen: Wir gehen, weil wir keine Hoffnung haben." Er hofft nicht, dass es so weit komme, sagt der Ökonom aus Mannheim.

Prof. Clemens Fuest von Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (Foto: DW)
Finnland könnte austreten: Clemens FuestBild: DW/Zhang Danhong