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Politik direkt Forum vom 26. 06. 2008

3. Juli 2008

"Sollen Einwanderer einen Wissenstest machen?"

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Fragenkatalog der Ausländerbehörde. Foto: Harry Melchert dpa/lsw +++(c) dpa - Bildfunk+++Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Informationen zum Thema:

Wie viel Einwohner hat Deutschland? - Einbürgerungstest für Migranten

Ab Herbst wird es ernst für Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen. Sie müssen einen Einbürgerungstest absolvieren, einen Fragenkatalog beantworten aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben. Doch die Einführung durch das Bundesinnenministerium ist politisch umstritten. Und auch die Migrantenverbände reagieren unterschiedlich. Während der Türkische Bund das Vorhaben massiv kritisiert, begrüßt der Zentralrat der Muslime den Einbürgerungstest: Fragen zur Staatskunde oder Verfassung seien notwendig. Türkische Zeitungen wie das Massenblatt "Hüriyett" dagegen giften: Selbst Deutsche können diesen Test nicht beantworten.

Unsere Frage lautet:

"Sollen Einwanderer einen Wissenstest machen?"

Antworten unserer Zuschauer:

René Junghans, Brasilien:

"Auf jeden Fall ist so ein Sprachtest gut. Denn wer Deutscher werden will, muss genügend Kenntnisse erwerben über Kultur, Politik, Wirtschaft und natürlich auch die deutsche Sprache beherrschen, sowohl gesprochen als geschrieben. Zudem sollte jeder Ausländer die deutsche Nationalhymne fehlerfrei vorsingen können und Treue auf die deutsche Flagge schwören. Nicht zu vergessen: am deutschen
Wehrdienst teilnehmen (sofern er im Wehrdienstalter ist). Zu nationalistisch? Nicht unbedingt. In den USA geht es ähnlich zu.
Entweder wird der Einwanderer ein 100%iger deutscher Staatsbürger, mit allen Rechten und Pflichten, oder es bleibt ihm, als Einwanderer mit Dauer- bzw. Zeitvisum im Land zu leben. Niemand muss deswegen ausgewiesen werden, sondern man überläßt es jedem Einwanderer selbst, ob er sich integrieren will, oder ob er weiterhin als Außenseiter im Land leben will. Das ist Demokratie!"

Carola Catex, Frankreich:

"Ich lebe seit 13 Jahren in Frankreich und bin seit einigen Monaten auch französische Staatsangehörige. Der einzige 'Test', der von mir verlangt wurde, war eine längere Unterhaltung in französischer Sprache, bei der es um ganz unterschiedliche Themen ging. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass man, wenn man es geschickt anstellt, in einer solchen Unterhaltung recht gut feststellen kann, ob der/die Antragsteller/in sich integrieren will oder nicht. Alleine die Tatsache, dass jemand die Landessprache gut spricht, weist meiner Meinung nach schon darauf hin, dass eine minimale Integration bereits stattgefunden hat. Andere Hinweise ergeben sich aus den Themen der Unterhaltung. Fragen, die mit: 'Was halten Sie von ...' beginnen, geben immer näheren Aufschluss und selbst ausweichenden Antworten oder ablehnenden Reaktionen kann man einiges entnehmen. Ich denke, dass ein einfühlsames Gespräch wesentlich mehr Aufschluss gibt, als ein schriftlicher Einwanderungstest. Jeder kann Antworten auswendig lernen, was aber überhaupt nichts darüber aussagt, wie integriert diese Person wirklich ist. Einige Fragen sind außerdem nicht sehr glücklich gewählt, um es einmal freundlich auszudrücken. Weist jemand, der diverse Wappen nicht zuordnen kann, wirklich automatisch ein niedrigeres Integrationsniveau auf? Würde man Menschen, die schon immer Deutsche waren und auch in Deutschland aufgewachsen sind, diesen Test machen lassen, so wäre das Ergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit verheerend. Soviel zur Aussagekraft. Ich gehe davon aus, dass der eigentliche Sinn des Tests der ist, die Menschen zu entmutigen und dadurch die Zahl der Antragssteller zu reduzieren. Der Zweck heiligt anscheinend die Mittel."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Gewiss sollten sie etwas wissen über das Land. Aber da viele aus anderen Kulturen kommen, in denen kein Recht herrscht, und es sogar 'ehrenvoll' ist, was hier ein klarer Rechtsverstoß ist, wäre es wichtiger, ihnen das klar zu machen. Auch ist es wichtig, dass sich Einwanderer dem Land und seinen Gesetzen anzupassen haben, in dem sie leben wollen. Sie haben sich anzupassen und nicht umgekehrt, wie manche zu glauben scheinen. Beispiel: Zwangsheirat und was Mädchen passieren kann, die sich weigern."

Rudolf Lappe, Kanada:

"Schäubles 'Bundes-Test-Kreation', die noch nicht einmal im Bundestag diskutiert werden darf, sondern mal eben durch Verordnung in Kraft tritt, lädt nicht ein sondern aus, schreckt ab, und fördert eher Ausgrenzung als Integration. Dieser Test baut neue Hürden auf, ist schlicht untauglich und kontraproduktiv."

Jerome Dourlet, Frankeich:

"Die Idee eines Sprachtests finde ich generell nicht schlecht. Ich bin aber nicht sicher, ob der Test tatsächlich effektiv ist. Kann man wirklich davon sprechen, dass einige Grundkenntnisse über ein Land und Geschichtsdaten für eine gut gelungene Integration stehen? Eine Test ist meiner Meinung nach keine Garantie für gelungene Integration. Die Absicht, die da hinter steht, ist doch klar: 'Wir geben dir eine Chance zur Einbürgerung. Aber du musst dich hier unserer Kultur anpassen und den Regeln fügen.' Oftmals ist es auch so, dass Immigranten schlecht bezahlte Hilfsjobs annehmen müssen, um überhaupt eine Überlebenschance zu haben. Sie sind dann enttäuscht über mangelnde Chancen und halten an ihrer Kultur fest. Sich zu integrieren, liegt solchen Leuten fern, wie das Beispiel Frankreich zeigt."

Thomas Schröder, Deutschland:

"Nach meiner Auffassung ist es völlig in Ordnung, wenn ein Wissenstest gefordert wird. Dass über Inhalte und Sinnhaftigkeit vortrefflich gestritten werden kann, ist sicherlich typisch für uns - also einfach machen! Dass wir, die Einwohner die Fragen evtl. selbst nicht beantworten können, ist schade und sollte sicher zu Reaktionen führen, ist aber ein völlig unpassendes Argument gegen einen Wissenstest - auch wenn es aus dem Munde von Volksvertretern kommt. Ziel eines Wissenstest ist es doch, ein gewisses Auseinandersetzen mit dem Land zu erreichen/nachzuweisen, dessen Nationalität man ja aus ganz konkreten Gründen haben will ALSO MACHEN!"

Torsten Quack, Kanada:

"Es spricht nichts dagegen, wenn ein ernsthaft an Deutschland interessierter Mensch dieses Interesse und die damit automatisch verbundene Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte, Politik, Bevölkerungsstruktur, Wirtschaft, Kultur, ... auch einmal schriftlich belegt. Dies sind Themen, mit denen sich in Deutschland jedes Kind in der Schule auseinandersetzen muss, auch wenn Manches im Erwachsenenalter nicht immer direkt abrufbar bleibt. Dies sollte als Chance, nicht als Hindernis - geschweige denn als Schikane - wahrgenommen werden."

Werner Horbaty, Nicaragua:

"Das ist bei uns in der Schweiz schon lange üblich. Sicher haben Sie den Film mit dem Kabarettstar Emil Steinberger "Die Schweizermacher" gesehen. Es ist für Einwanderer unbedingt nötig, neben Arbeit auch die Kultur und Gesetze des Gastlandes zu kennen und die Sprache zu sprechen. Auch hier in Nicaragua kämen wir Europäer nicht einmal mit einem Taxi weiter, wenn man nicht Spanisch sprechen kann."

Sascha Simmering, Mexiko:

"Hier ist es völlig normal, dass wenn man einen mexikanischen Pass möchte, ein Test abzulegen ist. Und mit Sicherheit ist der schwerer als in Deutschland! Es werden zum Beispiel Fragen zur Verfassung gestellt. Ich persönlich denke, das geht völlig in Ordnung. Außerdem vermute ich, dass der Test ja nicht wirklich schwer sein wird. Hier in Mexiko sind es fünf Fragen, und die müssen alle richtig beantwortet werden."

Erich Prinz, Thailand:

"Ja, der Staat hat ein Recht, einen Einbürgerungs- und Wissenstest durchzuführen. Allerdings sollten die Fragen nur so schwer sein, dass auch jeder Deutsche sie beantworten kann. Fragen nach der Anzahl der Bundesländer oder den Farben der Nationalflagge finde ich okay."

Ulrich Pillen, Schweiz:

"Grundsätzlich ist ein Test aus meiner Sicht zu begrüßen. Allerdings sind Fragen, die nicht den Lebensbereich des Befragten tangieren ungeeignet, um festzustellen, ob der Einzubürgernde sich mit Deutschland identifiziert. (z.B. wie viele Bundesländer die Bundesrepublik hat) Ein Multiple-Choice-Test überzeugt mich jedoch nicht, da dieser leichter durch auswendig gelernte Antworten zu lösen und zu bestehen ist. Gefragt werden könnte nach dem Bundesland, in dem der Einwanderer lebt, der Hauptstadt, dem Ministerpräsidenten, Wahrzeichen / Sehenswürdigkeiten des Wohnortes; nach der deutschen Hauptstadt, nach Bundespolitikern, Staatsform, grobe Züge der Deutschen Geschichte, berühmte Deutsche sowie rein informativ nach der Meinung zu aktuellen politischen Fragen und zum Tagesgespräch. Insbesondere Letztgenanntes gewährt Einblick, ob der Einwanderer an seinem Umfeld teilnimmt. ('Nennen Sie einige nicht familiären Nachrichten, über die sie sich in letzter Zeit geärgert/ gefreut / aufgeregt haben!')"

Dorothea Well, Ghana:

"Ich lebe in Westafrika und bin der Meinung, dass dieser Test einfach sinnlos ist! Es ist sinnvoll den Einbürgerungswilligen auf den Zahn zu fühlen. Das geht aber viel besser in einem persönlichen Gespräch. So etwas wäre viel effektiver. Der Fragebogen ist für die Betroffenen und die Auswerter zu viel Arbeit. Und überhaupt: Sind Fragebogenausfüller die besseren Deutschen? Dennoch bin ich durchaus der Meinung, dass Menschen, die eingebürgert werden wollen, sich mit dem Land ihrer Wahl beschäftigen und identifizieren sollten."

Renate Berthold, USA:

"Ich habe den Einbürgerungstest für die USA gemacht und fand das völlig normal. Es war interessant, und ich habe viel dabei gelernt. Der Test zwingt einen dazu, sich mit der Geschichte und der Politik des neuen Landes zu beschäftigen. Und das ist auf jeden Fall informativ und positiv. Die Bereitschaft und das Interesse an so etwas sollte eigentlich selbstverständlich sein. Dass viele Deutsche den Test selber nicht bestehen würden, ist peinlich und spricht nur dafür, dass alle Bürger ein besseres Staatsbürgertraining brauchen."

Milad Fahimi, Argentinien:

"Die deutsche Staatsbürgerschaft ist kein Zeugnis, das ausgehändigt wird. Das untergräbt ihre Wichtigkeit. Sie wird nicht nach einer positiven Leistung vergeben, sondern nach dem Abhaken gewisser würdevoller Mindesterfordernisse, wozu dieser Test definitiv nicht gehört. Interesse an Deutschland ja, Prüfungszwang nein!"

Charles Smyth, Großbritannien:

"In einer Hinsicht ist so ein Test gut: Die Teilnehmer wissen hinterher etwas mehr über Deutschland und seine Geschichte. Ich halte aber einen Sprachtest – wenn er gut vorbereitet ist – für nützlicher. So beugt man sozialer Entfremdung vor, wie wir sie hier in Großbritannien so oft mit den indischen und pakistanischen Bevölkerungsgruppen erleben."

Anneliese Brunner, Argentinien:

"Ich finde es sehr richtig, dass Einwanderer, die in Deutschland sesshaft werden wollen, die deutsche Sprache lernen sollen. Aber müssen sie alle Länder der Bundesrepublik beim Namen nennen oder Gesetze kennen? Kommt es nicht mehr auf die alltägliche Sprache an, dass sie mit Nachbarn sprechen, allein einkaufen oder bei der Arbeit sich verständlich machen können? Letzteres ist wohl das Wichtigste! Alles Andere können sie später dazu lernen, um ihre neue Heimat zu lieben. Wir haben in den letzten Jahren viel Zuzug von Amerikanern, Engländern und Schotten; weniger den Deutschen. Aber alle beginnen Spanischkurse, um sich verständlich machen zu können, um nicht von Dolmetschern abhängig zu sein."

Stephan Pabel, Brasilien:


"Ich finde, ja, das sollten sie. Sie sollten wissen, was im deutschen Alltag üblich ist, etwas über deutsche Werte wissen, damit
sie eine Ahnung haben, worauf sie sich einlassen und selbst entscheiden können, ob sie damit einverstanden sind. Ein Beispiel
zum Ankreuzen: Sportunterricht in deutschen Schulen: a) Mädchen und Jungen werden voneinander getrennt unterrichtet. b) Mädchen und Jungen werden gemeinsam unterrichtet. c) Ob Jungen und Mädchen gemeinsam Sportunterricht haben, wird jeweils
an einem Elternabend entschieden. d) Das ist je nach Altersgruppe der Jugendlichen gesetzlich unterschiedlich geregelt."

Erwin Scholz, Costa Rica:

"Wissen ist gut, Benehmen besser,
Prinzip zu oft ein stumpfes Messer.
Dem Immigrant die Ohren rauschen:
Kommt rein mit Test, bleibt ohne draußen."

Ali Cakmakcilar, Türkei:

"In der Türkei ist die Situation mit dem Türkischsein oft ähnlich, insbesondere an Universitäten. Viele Unis unterrichten in Englisch. Das führt dazu, dass sich Studenten in ihrem eigenen Land fremd fühlen. Aber, was kann man daran ändern?
Gibt es bei ihnen in Deutschland eigentlich Kurse für Studenten, die sich auf fremde Länder vorbereiten?"

Die Redaktion 'Politik direkt' behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen.