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Politik direkt Forum vom 18.09.2008

25. September 2008

"Kann ein deutscher Koran die Integration fördern?"

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Islam-Unterricht Foto: Jörg Carstensen dpa/lnw+++Bild: dpa

Informationen zum Thema:

Islamunterricht - Eine junge Lehrerin bricht Tabus in Deutschland

Abbildungen des Propheten Mohammed, die eigentlich verboten sind, lässt sie in ihren Büchern abdrucken. Lamya Kaddor, in Deutschland geborene Tochter eines Syrers, will ihre Religion auch für Kinder und Jugendliche verständlich machen. Zwei Bücher zum Islam hat sie geschrieben: einen Kinderkoran und ein Religionslehrbuch, beides in deutscher Sprache. Die Arbeit der liberalen Religionswissenschaftlerin und Lehrerin kommt bei konservativen Islambewahrern nicht besonders gut an. Doch die Schüler lieben sie dafür, dass in ihrem deutschsprachigen Islamunterricht keine Frage tabu ist. Ihre Art Unterricht könnte Modell werden für das bundesweit geplante Fach.

Unsere Frage lautet:

"Kann ein deutscher Koran die Integration fördern?"

Antworten unserer Zuschauer:

Nabid Zafri, Bangladesch:

"Ich denke ja. Ein deutschsprachiger Koran ist eine gute Sache, weil er die Integration fördert. Das spielt eine große Rolle für die vielen Muslime, die in Deutschland leben. Ich stimme dem ausdrücklich zu."

Daniel Studzinski, Singapur:

"Ich bewundere Lamya Kaddors Mut. Das ist wie Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Eine in sich verschlossene Religion, die mit Verboten und Sprachbarrieren eine gezielte kulturelle Abtrennung pflegt, mit einer Sprengung aller Fesseln einen frischen und freien Gedankenwind zu verpassen, gleicht der Zeit der Aufklärung im christlichen Glauben. Es ist in der Tat kaum bekannt, dass die meisten Muslime den Koran nicht gelesen haben, zumindest nicht in der Sprache, die sie auch verstehen können. Wie schwierig dieser Prozess ist, lerne ich selbst am Beispiel der Familie meiner muslimischen Ehefrau. Eine Integration des Islams in die europäische Kultur und Gesellschaft kann nur mit beidseitigen Verständnis möglich sein."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Einen Versuch, glaube ich, ist es wert und könnte durchaus hilfreich sein. Das von den Konservativen Widerspruch kommt, war zu erwarten. Bleibt zu hoffen, dass es bei verbalen Widerstand bleibt und keine irren Fundamentalisten (Un-)Taten folgen lassen."

Ghassen Belaid, Tunesien:

"Fördern? Ja. Vorausgesetzt, dass der deutsche Koran nur als Ergänzung zum arabischen heiligen Koran benutzt wird. Dabei sollen mögliche sinngemäße Verfälschungen vermieden werden."

Gudrun Koletzki, Deutschland:

"Ja, das kann zur Integration beitragen, besonders so wie es die Lehrerin in ihrem Bericht darstellt."

Lee Davis, USA:

"Nein, wichtig ist nicht, was geschrieben steht. Worauf es wirklich ankommt, ist, was die Worte für den Leser bedeuten."

Martin Burmeister, Venezuela:

"Alle Lehrmittel, sei es der von der einen oder der anderen Seite, fördern das Verständnis der jeweiligen Kulturen. Und ein deutscher Koran fördert auch bestimmt die Integration muslimischer Ausländer in Deutschland."

Polla D. Ibrahim, Irak:

"Ich glaube, dass die Lehrerin in ihrem Beitrag den Koran nicht wirklich verstanden hat. Sonst hätte sie den Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) nie bildlich dargestellt, denn das ist verboten. Auch ist eine 'Übersetzung' des Koran, wie sie diese Lehrerin vorgenommen hat, unzulässig. Erlaubt ist etwas, was 'Tafser' genannt wird: Wenn man Teile des Korans nicht versteht, dann holt man sich Rat bei einem weisen Religionsgelehrten. Ich selbst mache das auch so. Die Lehrerin sollte den heiligen Koran einfach ins Deutsche übersetzen – nicht mehr. Dann kann sie ihren Schülern die Bedeutung des Original-Islam erklären - in Abstimmung mit einem Imam. Allah hat den Koran allen Völkern der Welt geschickt. Den Koran klar zu verstehen und daran zu glauben, ist nicht nur das Recht der Völker, sondern auch eine Bedingung, die der Islam selbst stellt."

René Junghans, Brasilien:

"Auf jeden Fall kann ein deutscher Koran die Integration fördern. Er ist meiner Meinung nach absolut notwendig und kommt schon reichlich spät. Religiöses Verständnis kann doch eigentlich nur dann entstehen, wenn alle Beteiligten die Unterschiede der verschiedenen Religionen kennen. Je besser der Koran, wie auch alle anderen Religionen, den Menschen deutlich gemacht wird, um so größer ist die Chance, dass die leider immer noch sehr verbreitete Diskriminierung uns Deutschen fremd scheinenden Religionen abgebaut wird. Meinen Glückwunsch an die Autorin, zu Ihrem Mut, ein heikles Thema offen anzupacken. Ich hoffe, sie wird sich nicht durch die Kritik einiger fanatischer Islamisten mundtot machen lassen. Was wir dringend brauchen, ist Völkerverständigung. Und die fängt nun mal damit an, jeden Zuwanderer in Deutschland zu verstehen, nicht nur zu tolerieren. Religionsfreiheit darf nicht nur ein Wort sein, sondern muss in die Tat umgesetzt werden."

Touati Rabah, Algerien:

"Ja, denn dadurch wird bestätigt, dass die drei monotheistischen Religionen (Christentum, Judentum und Islam) gleichgesinnt sind. Die Terroranschläge, die von islamistischen Gruppen gefordert werden, haben mit dem richtigen, toleranten und den Nächsten liebenden Islam, natürlich nichts zu tun."

Charles Smyth, Großbritannien:

"Ein deutscher Koran an sich kann nicht schaden, so lange Deutschland nicht die Kosten für Produktion und Vertrieb des Buches übernimmt, wie es die Muslime fordern. Die Veröffentlichung des Buches ist Sache der saudischen Königsfamilie. Das Buch von Lamya Kaddor weicht extrem von dem Originaltext ab. Man könnte im konkreten Fall sogar von einem Reformwerk sprechen, das versucht, ein Gegengewicht zum konservativen Islam zu setzen. Deshalb wäre es wohl besser, den Koran ins Internet zu setzen, um das Problem mit den Vertriebs- und Produktionskosten zu umgehen. Eine echte Gelegenheit für die Deutsche Welle."

Helge Weyland, Argentinien:

"Glauben ist Glaubenssache. Daher ist es von großem Nutzen, andere Glaubensrichtungen verständlich zu machen, um sich mit dem Glauben auseinander zu setzen."

Husein Arapovic, Finnland:

"Einen deutschen Koran gibt es schon, und die "liberale" Lehrerin braucht keinen neuen zu schreiben. Ich will damit sagen, dass man die Regeln des Korans nicht brechen darf, um die Religion vorzustellen. Im Koran findet man Antworten auf alle Fragen, in denen es um Leben und Religion und besonders ums Lernen geht. Aber wenn man trotzdem (die Antworten, d.Red.) nicht findet, dann muss man die fragen, die den Antwort wissen. Und sich nicht einfach etwas ausdenken. Ich denke, dass die Eltern selbst den Religionslehrer aussuchen sollten, der ihre Kinder der Religion lehrt. Der Staat kann nicht vorschreiben, was und wie von der Religion gelernt wird. (...) Ich finde, dass ein 'deutscher' Koran nicht existieren darf, weil es nur einen Koran gibt, der in mehrere Sprachen übersetzt werden kann. Man darf nicht einfach das hineinschreiben, was einem gefällt. Koran ist meiner Meinung nach kein Hindernis für die Integration, sondern eine große Hilfe. Man soll nur wissen, was drin steht. Es gibt auch viele andere Methoden die Integration zu verbessern. Ihr habt nur die falsche ausgewählt, und es kann nur schief gehen. Nehmt euch doch Beispiel an anderen Ländern. Nichts gegen Deutschland, aber ihre Methoden sind nicht immer die Besten."

Yonas Zennia, Kanada:

"Ein übersetzter Koran kann nicht schaden. Allerdings könnte die bildliche Darstellung des Propheten Mohammed als Provokation angesehen werden – auch von moderaten Muslimen. Falls dies als "publicity stunt" von Frau Lamya gedacht war, dann muss sie damit rechnen, dass die meist beschäftigungslose muslimische Jugend auf der Straße dagegen protestieren wird."

Holger Linder, Thailand:

"Die Idee von Frau Lamya Kaddor finde ich gut, und es wurde auch Zeit, dass sich diesem Thema jemand aus einem muslimischen Land annahm. Ich, soweit mir möglich, werde Frau Kaddor unterstützen. Es wird Zeit, dass die Konservativen, Extremisten und radikalen Religionsführer in allen Religionen aufwachen. (...)"

Firas Ghrawi, Syrien:

"Ein deutschsprachiger Koran ist eine großartige Idee. Aber die Übersetzung hätte von einem Araber, der Deutsch als Zweitsprache spricht, vorgenommen werden müssen. In der arabischen Sprache gibt es nämlich Worte, die verschiedene Bedeutungen haben. Araber bekommen Hintergrundinformationen zum Original-Koran, der vor 1400 Jahren geschrieben wurde, aus speziellen Büchern. Dort werden altertümliche Wörter und rätselhafte Sätze erklärt. Man muss also bei der Übersetzung sehr viel Sorgfalt walten lassen, sonst macht man aus dem Koran ein bedeutungsloses Buch."

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