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Politik direkt Forum vom 15. 07. 2010

22. Juli 2010

„Muss Jugendgewalt konsequenter bestraft werden?"

https://p.dw.com/p/ORM7
Dominik Brunner wurde 2009 von brutalen Jugendlichen zu Tode geprügeltBild: DW-TV

Informationen zum Thema:

Jugendgewalt in Deutschland - Kids außer Kontrolle

Sie schlagen zu - ohne jede Rücksicht. Dass Menschen dabei ums Leben kommen, nehmen sie in Kauf: Kids außer Kontrolle. So war es im Fall des Münchener Managers Dominik Brunner. Er wollte Kinder vor Schlägern schützen. Das hat ihn das Leben gekostet. Die beiden Tatverdächtigen stehen nun vor Gericht. In einer Reportage berichten wir über jugendliche Schläger, die keine Rücksicht kennen.

Unsere Frage lautet:

„Muss Jugendgewalt konsequenter bestraft werden?"

Antworten unserer Zuschauer:

Hannelore Krause, Deutschland:

"Eindeutig Ja! Gewalt entsteht bei den meisten Jugendlichen in den Familien, die der Unterschicht angehören - bei Familien mit Hartz IV und bei Deutschen mit Migrationshintergrund. Gewalt wird in den Familien auch oftmals vorgelebt, wenn keine Bildung vorhanden ist, kein Schulabschluss, keine Aussicht auf Arbeit. Das macht kaputt. Vielfach ist auch Alkohol im Spiel. Man wird der Jugendgewalt nicht Herr. Wenn schon das Elternhaus nicht funktioniert, die Schule kann auch nichts verrichten. Lehrer sind eh schon mit diesem Umfeld überfordert und die Justiz fühlt sich oft ohnmächtig. Bei Verurteilungen werden jegliche Entschuldbarkeiten ins Spiel gebracht, so dass Strafen sehr gering ausfallen. Eine Berliner Jugendrichterin hat für die Problemkieze Berlins ein Modell entworfen nach dem Motto 'Früh, konsequent, deliktbezogen verhandeln', damit 'ein Lerneffekt eintritt'. Sie hält u. a. regelmäßig Kontakte zu Elternhaus und Schule, um die Eltern problembewusst zu machen, so sie es verstehen. Inwieweit dieses Projekt allerdings Früchte tragen wird, wird sich zeigen. Ich habe bewusst den Namen weggelassen und auch ihren Suizid nicht erwähnt. Ihr Buch 'Das Ende der Geduld - konsequent gegen jugendliche Gewalttäter' ist letztlich erschienen.“

Heinz Hohenstein, Kanada:

"Nicht nur in Deutschland haben wir dieses Problem! Hier in Kanada fehlt es auch nicht an Jugendgewalt! Es hat sich auch in andere Länder verbreitet! Wir haben uns vielmals gelöst von Gottes Wort, von den Geboten Gottes (…), und dann ist es auch nicht erstaunlich was daraus entsteht. Wir haben entsetzliche Gottlosigkeit! Respektlosigkeit gegenüber jeder Form der Autorität; Hass, Mord, und Gewalttaten sind an der Tagesordnung. Wenn wir wirkliche Besserung haben wollen dann brauchen wir eine Umkehr zu Gott und seinem Wort! Das bringt uns einen großen Segen!"

Herbert Fuchs, Finnland:

"Jedes mal schrecklich, wenn man von der Jugendgewalt u.a. aus Deutschland hört. Sicherlich gibt es viele verschiedene Faktoren wie die Arbeitslosigkeit, eine abgebrochene Berufsausbildung, ein verkommenes Elternhaus, keine Bildung usw. Wer ist Schuld daran? Die Eltern, der Staat oder die schnelllebige, globalisierte Zeit, die keine Entschuldigung kennt. Die Gummiparagrafen und die Verteidiger in Deutschland dazu zeigen deutlich, dass allen der rote Faden verloren gegangen ist. Wir leben leider in einer total verrückten Zeit und man braucht sich nur die Menschheit täglich ansehen. Die einen laufen herum wie ein Kaspar und benehmen sich danach, die anderen werden verrückt und viele Jugendliche verfallen der Gewalt mit Mord und Totschlag bei kleinster Beleidigung oder falschen Blickkontakt an der Bushaltestelle. Was tun, sprach Zeus? Mehr Polizei oder hartes Gesetz wie in USA? Meine Meinung: Wer anderen Menschen böses Leid zufügt, muss jahrelang in ein hartes Arbeitsstraflager mit Fußfessel unter strengster Aufsicht, damit (…) derjenige begreift was es heißt, Achtung zu haben vor einem Menschenleben. Jeder Mensch muss lernen, sich zu benehmen, egal aus welchem Elternhaus er kommt; wenn nicht, dann muss es von Gesetz wegen eine harte Strafe bekommen, die nicht als lächerlich empfunden wird und eine Abneigung erzeugt."

Erwin Scholz, Costa Rica:

"Wie der Herr so das Gescherr:

Fern von Theorie-Geplärr

zeigen Volkes Sprüche an,

Vorbild sein es richten kann.

Zuwendung in jungen Jahren

kann viel böses Tun ersparen.

Muss von klein an es erlernen,

sich vom Übel zu entfernen,

was nur klappt, wenn all die Alten

nicht wie Blinde sich verhalten."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Die Jugendgewalt ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Viele verschiedene Gründe werden angegeben, z.B. Filme, in denen die Mitglieder brutaler Jungendgangs cool sind, fast als großartig dargestellt. Die nehmen sich Jugendliche leicht als Vorbild, denn als cool möchten sie gerne gesehen werden. Auch Gewalt verherrlichende Rap-Musik und brutale Videospiele. Dies und anderes kann eventuell tatsächlich dazu beitragen sowie Alkohol und andre Drogen. Und die Eltern? Stimmt, viele hatten kein gutes Elternhaus, wurden aus verschiedenen Gründen vernachlässigt, gar misshandelt. Bei manchen gehen beide Elternteile arbeiten; leider ist das bei vielen notwendig, da ein Einkommen nicht ausreicht - Tendenz steigend. Aber wie auch immer, mindestens ab 16 (…) muss man verstehen, dass das brutale Zusammenschlagen, gar Totschlagen von Menschen Unrecht ist. Die im Beitrag Gezeigten waren älter, zeigten nicht mal Reue. Sie wurden zu lange mit Samthandschuhen angefasst. Psychologische Beratung, zusammen mit Sozialarbeiten halfen nicht. Das kann auch nur denen helfen, die bereit sind, sich helfen zu lassen. Vielleicht sollte man sie jetzt doch etwas härter bestrafen, aber dazu muss das richtige Maß angewandt werden; zu hart wird sie noch aggressiver machen. Auf keinen Fall dürfen sie mit älteren Kriminellen zusammengesperrt werden."

René Junghans, Brasilien:

„Das Problem in Deutschland ist nicht, Jugendgewalt konsequenter zu bestrafen, sondern endlich mal anzufangen, sich über den Ursprung der Jugendgewalt Gedanken zu machen und das Problem bei der Wurzel zu packen. Die heute so verloren scheinende Jugend ist das Ergebnis fehlender Familienstrukturen, fehlender Elternliebe und fehlender Erziehung. Hier haben nicht nur die Eltern über Jahrzehnte hin kläglich versagt, weil sie sich nicht um ihre Kinder gekümmert haben, ihren Kindern die Geborgenheit eines gesunden Familienlebens nahmen, indem beide Elternteile arbeiten gingen, nur an sich selbst dachten, viel Geld verdienen wollten, um materiellen Reichtum anzuhäufen. Gleichzeitig haben die Schulen sich auf ein kaltes, unpersönliches Lehrprogramm versteift und nie hat jemand Gedanken darüber verloren, dass jedes Kind doch an erster Stelle seelische Wärme und Geborgenheit braucht. Natürlich haben die Kinder dann unter sich diese fehlende Gefühle ersetzt, indem sie sich in Gruppen bzw. Banden zusammentaten. Erst kam der Alkohol, dann die Drogen, damit war das vorauszusehende Chaos da. Der Schritt zur Gewalt war da schnell getan. Jugendgewalt ist für mich der Aufschrei dieser jungen Menschen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, um zu zeigen, dass sie existieren. Härter bestrafen nützt nichts, das lässt die Jugend nur noch aggressiver werden. Was man braucht, ist ein sofortiges Umdenken, ein Umkrempeln der deutschen Gesellschaft, um in Erinnerung zu rufen, dass Kinder an erster Stelle stehen, denn sie haben nicht darum gebeten, geboren zu werden. Kinder werden geboren, um geliebt zu werden, nicht um bestraft und im Stich gelassen zu werden. Wer seine Kinder mit Liebe erzieht, der hat später keine Gewaltexzesse zu befürchten. Um das deutsche Jugendproblem zu lösen, muss jede Familie bei sich selbst anfangen! Der Staat kann und muss orientieren, sollte aber vor härterer Bestrafung absehen.“

Peter Buege, Brasilien:

„Nein, härtere Strafen erzeugen mehr Frust, mehr (Widerstand, d.Red.) und mehr eigenwilliges Verhalten. Ich kann darüber sprechen, weil ich einmal zu denen gehörte, die man als unverbesserlich einstufte. (…) Der Betroffene musst selbst den Weg finden und entscheiden. Ein langer und harter Prozess. (…) Ich habe mich allein aufgebaut, ohne jede fremde Hilfe. Mein 'Lehrer' war die Fremdenlegion und sie hat mir gegeben (d.Red.), was ich als Jugendlicher in Deutschland nicht erhielt. Seit meinem siebten Lebensjahr mußte ich für mich selbst entscheiden. Heute kann ich sagen: Ich kann mir selbst dafür auf die Schulter klopfen, dass ich nie den Abgrund runtergefallen bin. Jugendamt und Psychiater sind die falschen Ansprechpartner. Was fehlt, sind (lebenserfahre, d.Red.) Menschen als Vorbild; nur von denen lernt man wirklich.“

Alexander Walczuch, Deutschland:

„Wenn ein 18-Jähriger nicht begreift, dass Gewalt keine Lösung ist, dann gehört er so lange hinter Gittern, bis er versteht, welche Mindestregeln in der Gesellschaft befolgt werden müssen.“

Die Redaktion von ‚Politik direkt’ behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen.