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Politik direkt Forum vom 05. 02. 2009

11. Februar 2009

"Darf die Politik die Kirche kritisieren?"

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Papst Benedikt XVI. wird von Bundeskanzlerin Angela Merkel krititisiert.Bild: picture-alliance/ dpa

Informationen zum Thema:

Holocaust-Debatte – Kanzlerin Merkel engagiert sich für positiven Umgang mit Judentum

Beim Umgang mit dem Holocaust gibt sich die Kanzlerin entschlossen. Auch vor dem Papst schreckt sie nicht zurück. Nachdem Benedikt der XVI. den Holocaust-Leugner Bischof Williamson wieder in die katholische Kirche aufgenommen hat, forderte sie eine eindeutige Klarstellung des deutschen Papstes. Schon vor ihrem Amtsantritt als Kanzlerin hatte sich Merkel immer wieder gegen eine Leugnung des Holocaust, für den christlich-jüdischen Dialog, eingesetzt. In Deutschland ist die Leugnung des Holocaust‘ ein Rechtsbruch; fällt unter den Volksverhetzungsparagrafen. Deshalb ermittelt in Deutschland auch die Staatsanwaltschaft gegen Williamson. Aber Kanzlerin Merkel geht es natürlich auch um das Verhältnis zu Israel. Im Land der Täter will sie keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass der Holocaust nicht vergessen ist, Israel sich auf die deutsche Solidarität verlassen kann.

Unsere Frage lautet:

"Darf die Politik die Kirche kritisieren?"

Antworten unserer Zuschauer:

Harrison Picot, USA:

"Angela Merkels Position zur Holocaustleugnung ist entweder bigott oder eine Entschuldigung Deutschlands an die Juden zu einer Zeit, da Israel die Palästinensergebiete rücksichtslos angreifen. Merkel sagt ja zu Israels Angriffskrieg auf Gaza, verurteilt aber das Gequatsche eines katholischen Priesters. Was ist eigentlich schlimmer, ein Wort oder eine Tat? Wenn man Mord verurteilt, muss man jeden Mord verurteilen! Merkel hat mal wieder bewiesen, dass die Deutschen nichts gelernt haben!"

Jack Becconsall, Großbritannien:

"Wann immer die Kirche versucht, ihren Einfluss vom Göttlichen ins Weltliche auszudehnen, muss sie von unseren gewählten Repräsentanten herausgefordert werden!"

Anthony Rowling, Südafrika:

"Die Berichterstattung der Deutschen Welle grenzt an Sensationsjournalismus. Der Papst wusste nichts von Bischof Williamsons Ansichten zum Holocaust, als er ihn und die Piusbruderschaft wieder in die Kirche aufnahm. Zu unterstellen, dass Benedikt dies absichtlich getan hat, ist zumindest unglaubwürdig. Außerdem hat Kanzlerin Merkel den Papst nicht kritisiert, wie Sie behaupten, sondern eine Klärung der Position des Vatikans gefordert. Papst Benedikt hat über die Jahre mehr als jedes andere Kirchenoberhaupt für die Aussöhnung von Katholiken und Juden getan. Dafür gebührt ihm Anerkennung, vor allem von Seiten des Zentralrats der Juden in Deutschland."

Martin Burmeister, Venezuela:

"Kirche und Politik sollten 100-prozentig getrennt sein. Leider gibt es immer wieder Situationen, in denen die eine Seite die andere angreift oder diskriminiert. Um aus diesen Situationen heraus zu kommen, ist nur eine sachliche Diskussion angebracht, welche die Klärung der Streitfrage ermöglichen sollte."

Lee Davis, USA:

"Wir brauchen internationale Gesetze gegen Volksverhetzung."

Amin Zoqurti, Jordanien:

"Ja. Wenn jemand etwas falsch macht, dann erwartet er, dass er kritisiert wird! Jeder, besonders die Politiker, dürfen kritisieren."

Adalbert Goertz, USA:

"Die Kanzlerin sollte den Papst in Ruhe lassen. Der britische Bischof hat den Holocaust nicht geleugnet. Er hat nur gesagt, dass die Zahl von 6 Millionen Vergasungen nicht stimmen kann. Ich habe diese Aussage mehrmals von ihm gehört. Muss ich jetzt in Deutschland mit Gefängnis rechnen?"

Herbert Fuchs, Finnland:

"Für einem Ottonormalbürger ist der ganze Vorfall aus dem Vatikan schier unbegreiflich, wie man hinter den Mauern des Vatikans denkt und handelt. Ich will Papst Benedikt XVI. keine Schuld geben, weil irgendwie sicher der ganze Vatikanstaat seine eigenen Gesetze des Überlebens verfolgt und der Papst im Grunde auch nur ein Mensch auf Petrus Stuhl ist. Die wahren Gründe dieses Handels wird wohl niemand (...) erfahren, auch wenn Bundeskanzlerin Merkel (...) provokativ dagegen Einspruch erhoben (und klargemacht hat, d. Red.), dass wir Deutschen bestürzt seien von der Rechtsauffassung des Vatikans."

Erwin Scholz, Costa Rica:

"Der Kritik an Kirchenfürsten,

vehement sie abzubürsten,

folgt die Strafe auf dem Fuße

mit 'gesalz'ner Jenseits-Buße'."

René Junghans, Brasilien:

"Kritisieren darf und sollte jeder, das gehört zur Demokratie. Allerdings ist es unangebracht, dass Frau Merkel als Kanzlerin solche harsche Kritik öffentlich von sich gibt. Hätte sie dies ausdrücklich als Privatperson getan, würde die Sachlage ganz anders sein. Als Politikerin hat sich Frau Merkel an diplomatischen Richtlinien zu orientieren und die lassen solch offene Kritik nicht zu. Wenn jemand den Holocaust verleugnet, handelt es sich letztendlich um einen demenzgeplagten Menschen, denn man kann Fakten nicht durch Verleugnung aus der Welt schaffen. Demenzgeplagte Menschen sollte man entweder psychiatrisch helfen oder wenn das nicht möglich ist, eben großzügig überhören. Papst Ratzinger ist ein sehr alter Mann, der sich besser zur Ruhe setzen sollte, denn auf der einen Seite scheint er mir in vielen Dingen sehr ehrlich und gutmeinend, aber auf der anderen Seite blickt er halt nicht mehr so ganz durch. Ihn aber für seine höchstpersönlichen Entscheidungen zu kreuzigen, das finde ich fehl am Platz. (...) Lasst den Papst seine Arbeit tun und Frau Merkel die ihre. Jeder hat seine eigenen Kompetenzen. Frau Merkel würde es ganz sicher nicht in den Kram passen, wenn der Papst ihr sagt, wie sie ihr Amt zu führen hat."

Charles Smyth, Großbritannien:

"Normalerweise würde ich diese Frage mit nein beantworten. Denn die katholischen Gläubigen können ihre eigene Kirche schon in ausreichenden Maße selbst beeinflussen. In diesem Fall aber liegt die Sache anders. Aus der besonderen historischen Situation Deutschlands heraus ist es folgerichtig, dass Angela Merkel sich schnell und deutlich gegenüber Holocaustleugnern positioniert und vom Vatikan eine Richtigstellung fordert. Ähnlich hat sie auch schon gegenüber den wirren Holocaust-Theorien aus Iran reagiert. Außerdem werden die Botschaften aus dem Vatikan weltweit gehört und haben einen nicht unerheblichen Einfluss."

Rolf Bockmühl, Philippinen:

"Es kann nicht sein, dass die katholische Kirche von unseren Geldern lebt und sie kann machen was sie will. Selbst die Ausgaben der Kirche sind unkontrollierbar. Deshalb, Kritik muss sein! Wenn offiziell vom Vatikan geschrieben wird, der Papst hätte die Details nicht gewusst, dann erstaunt es mich doch sehr. Ein belesener Mensch wie Herr Ratzinger wusste so etwas nicht? Das klingt nach fauler Ausrede. Auch die geforderte Abbitte des englischen Bischofs soll doch nur vordergründig die Stimmung zu Gunsten der Kirche verändern. Dieser unbelehrbare Herr Williamson ändert sich genau so wenig, wie die meisten Mitglieder dieser Bruderschaft. Frau Merkel hat richtig und schnell gehandelt. Respekt!"

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Der Holocaust mit der millionenfachen Ermordung von Juden ist eine sehr gut bewiesene Tatsache. Wenn das von hohen Kirchenvertretern geleugnet wird und der Papst diesen Williams und gar die Pius-Brüder wieder zurückholt - was schwer zu verstehen ist - hat jeder, auch die Politik, das Recht zu kritisieren. Die Zeiten, als Kirche und Päpste unantastbar waren, sollten wirklich Vergangenheit sein."

Die Redaktion von 'Politik direkt' behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen.