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Polizei stürmt NATO-Zentrum

18. Dezember 2015

Eine reichlich ungewöhnliche Art hat die nationalkonservative Regierung in Polen gewählt, um Beamte auszutauschen. Sie ließ ein von der NATO betreutes Spionageabwehrzentrum stürmen.

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Das versiegelte NATO- Zentrum in Warschau (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Supernak

Die neue Regierung in Polen hat in einer nächtlichen Aktion den Leiter eines neuen NATO-Kompetenzzentrums für Spionageabwehr in Warschau ausgewechselt. Beamte des Verteidigungsministeriums und der Militärpolizei seien kurz nach Mitternacht in das Gebäude eingedrungen, berichtete dessen bisheriger Chef Krzysztof Dusza im Fernsehen. "Ich habe ihnen gesagt, dass ihre Anwesenheit hier illegal ist", berichtete der Oberst. Er forderte nach eigenen Angaben nach der Razzia die Polizei auf, die Türen des Zentrums zu versiegeln (Artikelbild).

"Beamte ersetzt"

Außenminister Witold Waszczykowski (Artikelbild) sagte im Radio, dass die bislang in dem Zentrum beschäftigten polnischen Beamten ihre Berechtigung verloren hätten, vertrauliche Dokumente einzusehen. "Sie mussten durch andere ersetzt werden, die solche Rechte haben." Das Verteidigungsministerium in Warschau veröffentlichte eine knappe Mitteilung, wonach Oberst Robert Bala als neuer Übergangschef für das Zentrum eingesetzt worden sei.

Die NATO hatte im Oktober beschlossen, das Spionageabwehrzentrum in Warschau unter Führung von Polen und der Slowakei zu errichten. An dem Projekt ist aber auch Deutschland beteiligt. Derartige Zentren seien internationale Einrichtungen, die auch international finanziert und mit Personal ausgestattet würden, um "an der Seite der Allianz zu arbeiten", sagte ein Sprecher des Verteidigungsbündnisses. Es seien aber "keine NATO-Einrichtungen".

Slowakei schweigt

Der abgesetzte Oberst Dusza vertrat die Ansicht, dass er weiter im Amt sei, da personelle Veränderungen zusammen mit der Slowakei beschlossen werden müssten. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sagte jedoch auf Fragen von Journalisten am Rande des EU-Gipfels in Brüssel: "Die Angelegenheit scheint in die Souveränität Polens zu fallen - und ich werde sie nicht kommentieren."

Die seit November amtierende Regierung der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) steht in der Kritik, weil sie zahlreiche Spitzenposten in Verwaltung und Staatsbetrieben neu besetzt. Für Empörung bei der Opposition sogt vor allem das Vorgehen gegen das Verfassungsgericht. Entgegen eines Gerichtsurteils berief der zur PiS gehörende Staatspräsident Präsident Andrzej Duda fünf regierungsnahe Verfassungsrichter.

Berlin laut Medienbericht "entsetzt"

Nach einem Bericht von "Spiegel online" sorgt die Politik der neuen polnischen Regierung bei der Bundesregierung in Berlin für Entsetzen. Das Internet-Portal zitiert ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied mit den Worten: "Was sich derzeit in Warschau abspielt, bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen." Für Verwunderung sorgt in Berlin laut "Spiegel online" auch, dass Ministerpräsidentin Beata Szydlo trotz Einladung noch keinen Termin für ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagen habe. Das sei ein "höchst ungewöhnliches Vorgehen".

Offiziell hieß es in Berlin lediglich, die Bundesregierung beobachte die jüngsten Entwicklungen in Polen aufmerksam. Ein Regierungssprecher betonte, die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien enger als je zuvor. Die Bundesregierung sei überzeugt, "dass Deutschen und Polen am besten gedient ist, wenn wir diese Gemeinsamkeiten weiterentwickeln".

wl/stu (dp, afp)