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Premiere mit Euphorie

Benjamin Wüst3. Juni 2008

Im 13. Anlauf haben die Polen es endlich in die Endrunde der EM geschafft: Nach einer souveränen Qualifikation ist die Euphorie um die polnische Nationalmannschaft groß.

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Bild: AP

Die Unglückszahl 13 brachte den ersehnten Erfolg: Nach zwei WM-Bronzemedaillen gelang Polen im 13. Anlauf endlich auch die Qualifikation zu einer Europameisterschaft. Nachdem diese Hürde geschafft ist, scheint vieles möglich ...

Nach einer souveränen Qualifikation, die den Gruppensieg vor Portugal brachte, ist die Euphorie um die polnische Nationalmannschaft groß. Nach sieben WM-Teilnahmen ist Polen nach zwölf vergeblichen Anläufen endlich auch bei einer EM dabei. Im ersten Spiel geht´s am 8. Juni gleich gegen Deutschland.

Waldemar Matysik
Waldemar Matysik (l.) bei der WM 1982 im Spiel gegen ItalienBild: pa / dpa

Mitfiebern wird dann auch Waldemar Matysik. Der ehemalige Bundesligaprofi des Hamburger SV bestritt für die polnische Nationalmannschaft 52 Spiele und hofft gegen Deutschland auf Revanche. "Wir haben noch eine Rechnung offen. Die beiden 0:1-Niederlagen bei den Weltmeisterschaften 2006 und 1974 schmerzen noch sehr." 1974 unterlag Polen im Halbfinale der WM in Deutschland in einer legendären "Wasserschlacht" gegen den Gastgeber, der sich später den Titel sicherte. 2006 kam das Aus für Polen schon in der Vorrunde.

Österreicher und Kroaten sollen zuschauen

Neben dem Duell gegen Nachbar Deutschland trifft Polen in der Gruppenphase auf Kroatien und Österreich. "Deutschland ist natürlich Favorit, das ist klar. Ich hoffe, Polen kommt mit Deutschland weiter. Die Kroaten und Österreicher sollen zuschauen", lacht Matysik. Zuletzt waren es meist die Polen, die den anderen zuschauen mussten.

Ganz anders war das noch 1974 und 1982, als Polen zwei Mal WM-Dritter wurde. Als sich das Team 1982 auf den Weg zur WM nach Spanien machte, herrschten in Polen Unruhen, die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc wurde verboten. Da wollten die Fußballer ein Zeichen setzen. Verteidiger Matysik war damals mit dabei: "Wir leben, wir sind dabei, wir kämpfen. Die Situation in Polen hat uns stark gemacht. Als wir dann noch eine Audienz beim Papst hatten, da haben wir uns gesagt: Wir haben nichts zu verlieren. Die ganze Nation kämpft um Essen, um Gerechtigkeit, und wir zeigen in Spanien allen, was wir drauf haben." Das Ergebnis: Polen wurde in Spanien überraschend WM-Dritter.

Vorne hui, hinten pfui

26 Jahre nach der WM-Bronzemedaille schickt sich eine neue Generation polnischer Fußballer an bei einem Großereignis für Furore zu sorgen. Anders als damals, verdient heute der Großteil der Spieler im Ausland sein Geld. Die Stars, Ebi Smolarek, einst Torjäger bei Dormund, Jacek Kzynowek, Bankdrücker in Wolfsburg und Artur Boruc, Torhüter bei Celtic Glasgow, sind unverzichtbare Stützen des Teams. Zum Trumpf könnte aber auch die Eingespieltheit oder die Konterstärke werden. Bei Balleroberung schalten die Polen blitzschnell um. Aber, es gibt auch Schwächen. Matysik: "Wir können nicht verteidigen. Wir können das einfach nicht. Wir haben so viele Offensivleute, die wollen immer nur nach vorne spielen."

Der Star ist ein Niederländer

Leo Beenhakker
Der niederländische Trainer Leo Beenhakker ist in Polen ein StarBild: pa / dpa

Der eigentliche Star der Mannschaft ist der Trainer: Leo Beenhakker. Der Niederländer trainiert Polen seit dem WM-Vorrunden-Aus 2006. Der Weltenbummler war bereits Coach der Niederländer, Saudi-Arabiens und führte jüngst den Fußballzwerg Trinidad und Tobago zur WM nach Deutschland. Jetzt bringt er den Erfolg nach Polen zurück.

Er ist der erste ausländische Trainer einer polnischen Nationalmannschaft - entsprechend groß waren die Vorbehalte. "Es gab einfach keinen Kandidaten, als der Verband dann Beenhakker verpflichtet hatte, da dachten alle die spinnen“, erinnert sich Matysik. Ohne ein Wort polnisch zu sprechen wurde der 65-Jährige zur unangetasteten Autorität. "Er ist wie eine Vaterfigur. Die Spieler kleben an seinen Lippen, wenn er was sagt."

Übersteht Beenhakker mit seinen Jungs die Gruppenphase, dann scheint einiges möglich, so Matysik: "Ein Finale Polen gegen Deutschland, dass wäre nicht schlecht, aber das ist ein Traum."