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Polen und seine Bürger leben auf Kredit

15. August 2002

- Die Schwankungen des Dollarkurses bewirkten einen rapiden Anstieg der Schulden

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Krakau, 14.8.2002, DZIENNIK POLSKI, poln.

Die Auslandsverschuldung des Staates ist aufgrund des gefallenen Dollarkurses um fast 600 Millionen Dollar gestiegen. Aus den gestern vom Finanzministerium veröffentlichten Angaben geht hervor, dass die gesamte Staatsverschuldung fast 313,3 Milliarden Zloty, d.h. etwa 77,7 Milliarden Dollar beträgt. Wenn wir dazu noch die Verschuldung einzelner Betriebe und die Schulden privater Personen bei den Banken rechnen, so wird sich erweisen, dass sich die Schulden eines jeden Polen statistisch gesehen auf über 20 700 Zloty (etwa 5 175 Euro) belaufen.

In der Verfassung ist vorgeschrieben, dass die Staatsverschuldung 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes nicht überschreiten darf. Die Wirtschaftsexperten befürchten jedoch, dass sich die Verschuldung des Staates Mitte nächsten Jahres auf 50 Prozent des BIP belaufen werde. Das Gesetz über öffentliche Finanzen besagt, dass man ab diesem Moment das Staats- und Gemeindedefizit nicht mehr erhöhen darf.

Die Wirtschaftsexperten beruhigen jedoch, dass es zur Zeit noch keinen Grund zur Panik gäbe: "Die gegenwärtige Verschuldung ist noch nicht bedrohlich, da sie immer noch durch die Ausgaben von Wertpapieren ausgeglichen werden kann. Gefährlich dabei ist aber die seit einiger Zeit anhaltende Tendenz, das Staatsdefizit stets zu erhöhen", sagte Dr. Miroslaw Dusza, Finanzexperte der Polnischen Nationalbank (Narodowy Bank Polski) und fügte hinzu: "Man muss jedoch aufpassen, das dünne Eis, über das wir gehen, nicht zu überlasten, weil es sonst dazu kommen kann, dass das Finanzsystem dem Druck nicht mehr standhalten kann und dann zusammenbricht. Über eine Krise redet man erst dann, wenn die Gläubiger die Glaubwürdigkeit des Schuldners in Frage stellen (...)."

Die Schulden des Staates sind hauptsächlich durch die Ausgabe von Staatsanleihen entstanden: 200,2 Milliarden Zloty davon in Polen und 26,7 Milliarden Zloty im Ausland. Dazu kommen noch Kredite im Ausland, die 78,4 Milliarden Zloty betragen und die Verpflichtungen, die aus den Gehaltserhöhungen im staatlichen Sektor resultieren.

Die gesamte Auslandverschuldung des Staates betrug Ende Mai d.J. 26,1 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum April d.J. ist sie um fast 580 Millionen Dollar gestiegen und zwar vor allem durch den Fall des Dollarkurses gegenüber anderen Währungen.

Im Haushaltsgesetz für 2002 ist vorgesehen, an die ausländischen Gläubiger 1,337 Milliarden Dollar zurückzuzahlen. Aus der Planung der Schuldentilgung geht hervor, dass die Rückzahlungen von Jahr zu Jahr höher werden und die höchste Quote, nämlich 3,767 Milliarden Dollar, im Jahr 2008 zurückgezahlt werden soll.

"Zum Glück erfolgt diese Rückzahlung nach dem "Rollen-Prinzip", d.h. die alten Schulden werden durch neue Schulden ersetzt. Niemand erwartet von uns bares Geld, zumindest bis jetzt. An dieser Stelle kehrt leider das Problem der finanziellen Glaubwürdigkeit des Staates zurück", sagt Dr. Miroslaw Dusza

Die Verschuldung des Staates ist enorm groß, aber im Vergleich zu den Schulden der Betriebe fällt sie überraschend gering aus: Ende 2001 wurden die Schulden der Betriebe auf insgesamt 395,6 Milliarden Zloty geschätzt, 272,2 Milliarden davon bildete die Verschuldung des Privatsektors.

Auch die Struktur der Verschuldung im privaten Sektor ist interessant: Dort überwiegen die Schulden gegenüber den Lieferanten und dem Dienstleistungssektor. Dies ist auch die Ursache für die schlimmste Plage unserer Wirtschaft, d.h. die enorm hohen Rückstände bei den Zahlungen. 28 Prozent der gesamten Verschuldung bilden Bankschulden der Firmen. Die finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt und der Versicherungsanstalt ZUS machen im privaten Sektor nur vier Prozent der Gesamtverschuldung aus.

Im Falle der staatlichen Betriebe ist die Lage jedoch ganz anders: Die größte Verschuldung im staatlichen Sektor bilden Bankkredite (27 Prozent), Zahlungsrückstände gegenüber Lieferanten (24 Prozent) sowie Rückstände gegenüber dem Finanzamt und der Versicherungsanstalt ZUS ( jeweils 12 Prozent).

Die gesamte Auslandsverschuldung polnischer Betriebe und Firmen, die in Polen tätig sind, betrug nach dem ersten Quartal d.J. 33,8 Milliarden Dollar.

Am Ende sollten wir noch die Verschuldung der Bevölkerung bei den Banken erwähnen, die in der Wirtschaftssprache als "Verschuldung der privaten Haushalte" bezeichnet wird und sich auf runde 88,2 Milliarden Zloty beläuft.

Die Schulden der lokalen Selbstverwaltung und hier vor allem der Gemeinden betrugen Ende 2001 ganze 10,85 Milliarden Zloty.

Wenn man die gesamten Schulden summiert, so wird sich jedoch erweisen, dass die Gesamtsumme der Verschuldung den Wert des polnischen Bruttoinlandproduktes im letzten Jahr überschreitet. Man kann also sagen, dass wir auf Kredit leben und zwar sowohl der Staat als auch seine Bürger. (Sta)