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Poesie-Traumland

17. September 2009

Über Buchsortiersysteme, Literatur-Roboter oder Schriftsteller als Autofahrer: hier schreibt Thomas Böhm Kolumnen aus dem Lesealltag.

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Bild: DW

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Land, in dem jede überregionale Zeitung, die etwas auf sich hält, jede Woche eine ganze Seite voller Gedichte publiziert. Gedichte, die von einer Expertenjury aus 3.000 bis 4.000 Einsendungen ausgewählt wurden, die Leserinnen und Leser jeden Alters, aus allen sozialen Schichten stammend, eingesandt haben.

Einen Sinn für jedes einzelne Wort

Malen Sie sich dazu eine tausendjährige Tradition des Gedichteschreibens aus, eine Tradition, die dieses Land so durchdrungen hat, dass alle in der Schule das Gedichteschreiben lernen, dabei einen Sinn für jedes einzelne Wort, einen Zugang zur Welt und eine Ausdrucksmöglichkeit für ihre Gedanken und Gefühle gewinnen. Stellen Sie sich jetzt noch Gedicht-Gesellschaften vor, mit zehntausenden von Mitgliedern, die regelmäßig Gedichtwettbewerbe abhalten.Wenn das Ihre Vorstellungskraft übersteigt, fahren sie einfach mal nach Japan. Da gibt es das alles. Nachzulesen in dem im Reclam Verlag erschienen Band "Gäbe es keine Kirschblüten... Tanka aus 1300 Jahren".

Tanka ist eine fünfzeilige Gedichtform, deren erste Zeile aus fünf Silben besteht, die zweite Zeile aus sieben, die dritte wieder aus fünf, die vierte und fünfte aus sieben. Insgesamt macht das 31 Silben.

Schreiben Sie doch mal ein Tanka

Foto von Thomas Böhm Programmleiter des Kölner Literaturhauses
Thomas Böhm Programmleiter des Kölner LiteraturhausesBild: birgit rautenberg

Klingt mathematisch, definiert aber lediglich einen Raum, in dem man etwas hineinschreibt. Versuchen Sie es doch einmal, ein Tanka zu schreiben. Jeder Inhalt ist möglich: in fünf Zeilen, in 31 Silben. Sie werden beim Schreiben erleben, was ein japanischer Dichter schon im Jahre 905 in Worte fasste:

"Was ohne Gewalt anzuwenden, Himmel und Erde bewegt, die den Augen nicht sichtbaren Götter und Gottheiten zu Mitgefühl rührt, die Beziehungen zwischen Mann und Frau noch zärtlicher macht und auch das Herz des ungestümen Kriegers besänftigt, das ist das Gedicht."

Redaktion: Gabriela Schaaf