1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein folgenschwerer Anruf

Rayna Breuer25. Oktober 2012

Der Sprecher der bayerischen CSU ist zurückgetreten. Er soll beim ZDF angerufen haben, um die Berichterstattung über einen Parteitag der SPD zu verhindern. Anlass für eine hitzige Debatte über die Pressefreiheit.

https://p.dw.com/p/16WuZ
Kameramänner des Fernsehens bei einer Konferenz (Foto: Fotolia/picsfive)
Bild: Fotolia/picsfive

Eine neue Telefon-Affäre sorgt in Deutschland für Wirbel. Hans Michael Strepp, der Pressesprecher der Christlich-Sozialen Union (CSU), soll bereits am vergangenen Sonntag (21.10.2012) in der Nachrichtenredaktion des öffentlichen-rechtlichen Senders ZDF angerufen und verlangt haben, dass das ZDF nicht über den Landesparteitag der bayerischen SPD, also über den direkten politischen Konkurrenten, berichtet. Ein Versuch, auf die Medienberichterstattung Einfluss zu nehmen? Strepp bestreitet das. Also doch nur ein Missverständnis?

Die genauen Details des Telefonats sind weiterhin unklar. Allein der Anruf und der Rücktritt des Pressesprechers zeigen jedoch eins ganz deutlich: Mal wieder hat ein Politiker eine Grenze überschritten - und offensichtlich nichts aus dem Fall Wulff gelernt. Gerade mal ein halbes Jahr ist es her, dass der damalige Bundespräsident Christian Wulff zurücktreten musste - unter anderem, weil er versucht hatte, das Boulevardblatt "Bild" davon abzuhalten, negativ über ihn zu schreiben. Nicht erst seitdem reagieren Medien und Öffentlichkeit auf versuchte Einflussnahme allergisch - gerade jetzt aber sind sie besonders sensibel.

Pressesprecher der CSU, Hans-Michael Strepp, September 2006 (Foto: picture-alliance/dpa)
Hans-Michael Strepp, bisheriger Pressesprecher der CSUBild: picture-alliance/dpa

Eingriff abgewehrt

Die CSU bemüht sich um Aufklärung - "in den nächsten Wochen", wie Parteichef Horst Seehofer sagte. Der Pressesprecher hat seinen Posten mittlerweile geräumt. Doch damit ist die Diskussion nicht beendet. "Das ist absolut nicht hinnehmbar, was der CSU-Sprecher sehr wahrscheinlich getan hat", sagte Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das ist der massive Versuch gewesen, in die Freiheit der Berichterstattung einzugreifen."

Hendrik Zörner, Pressesprecher DJV (Foto: DW)
Hendrik Zörner, Pressesprecher des DJVBild: DW

Auch Stephan Weichert, Professor an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg, bezeichnet Strepps Verhalten als "äußerst plump": "Man muss sich nichts vormachen. Den Versuch, auf die Medien Einfluss zu nehmen, hat es immer schon gegeben, den wird es auch immer geben. Wenn wir hinter die Kulissen des Politik- und Medienbetriebs in Berlin blicken, erkennen wir, dass es dort immer Kungeleien und Schulterschlüsse gegeben hat." Das habe sich eingebürgert und sei kultiviert worden, manche machten es subtiler, andere eben plumper. "Beides ist für die Pressefreiheit absolut schädlich", mahnt der Medienwissenschaftler.

Gesellschaftlicher Konsens

"Man darf die aktuellen Vorkommnisse nicht überbewerten. Die an sich sind schlimm genug, aber sie sind nicht Tagesgeschäft", beruhigt Zörner vom DJV. Deutschland sei keine Bananenrepublik, sondern eine Demokratie, in der die Pressefreiheit fest verankert sei. Das öffentliche Verständnis für die Pressefreiheit habe sich in den Jahren zum Positiven geändert. "Seit der Spiegel-Affäre vor 50 Jahren gibt es vor allem eine kritische Öffentlichkeit, die solche Übergriffe der Politik auf den Journalismus nicht gutheißt." Während der Affäre im Oktober 1962 wurden Redakteure des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" des Landesverrates beschuldigt, weil sie kritisch berichtet hatten. Der Skandal stärkte damals letztendlich die Pressefreiheit.

Stephan Weichert, Professor an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg. (Foto: Kathrin Brunnhofer)
Stephan Weichert, MedienwissenschaftlerBild: Kathrin Brunnhofer

Auch Barbara Thomaß, Medienwissenschaftlerin und ehemaliges Mitglied des ZDF-Fernsehrats, gewinnt dem jetzigen Fall Strepp etwas Positives ab: "Ich bin beruhigt, dass es diese Empörung und starke öffentliche Wahrnehmung gibt. Es zeigt, wie empfindlich dieser Bereich ist. Das ist das Gute in dem bedauerlichen Fall."

Unabhängigkeit bewahren

Das Zweite Deutsche Fernsehen ist ein öffentlich-rechtlicher Sender - in seinen Aufsichtsgremien sitzen Politiker aller großen Parteien. Wie also kann die Unabhängigkeit einer solchen Rundfunkanstalt garantiert werden, wenn die Politiker ihren Einfluss missbrauchen? Der DJV-Sprecher hat hierzu eine klare Antwort: "Wir fordern, dass es weniger Politik und Politiker in den Aufsichtsräten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt", so Hendrik Zörner. Dafür setzt sich der journalistische Interessensverband nicht erst seit dem Fall Strepp ein. "Wir tun das, seitdem der Vertrag des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Bender nicht verlängert wurde, weil der hessische Ministerpräsident Roland Koch Druck gemacht hatte. Schon damals war klar, dass die Politik immer mal wieder versucht, in interne Belange eines unabhängigen Senders einzugreifen. Das geht einfach nicht."

Prof. Dr. Barbara Thomaß Institut für Medienwissenschaft (Foto: Bernd Schäfer)
Barbara Thomaß, Institut für Medienwissenschaft BochumBild: Bernd Schäfer

Barbara Thomaß beobachtet besorgt, wie sich die Medienlandschaft entwickelt. "Verschiedene Studien machen deutlich, dass Einfluss und Druck auf Journalisten ausgeübt wird", resümiert die Medienwissenschaftlerin.