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Syrien

Kersten Knipp17. April 2012

In Syrien wird trotz des Friedensplans von Kofi Annan weiter gekämpft. Dennoch existieren erste Pläne für die Zeit nach der Gewalt und nach Assad. Vorbild ist dabei Südafrika nach der Apartheid.

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Mädchen mit syrischer Oppositionsflagge
Bild: Reuters

Noch verhandeln die UN-Beobachter mit der syrischen Regierung, ringen um ein Protokoll, das die Modalitäten ihrer Mission regelt. Bis dieses unterzeichnet ist, dürften noch einige Tage vergehen – Tage, in denen voraussichtlich weitere Menschen sterben werden. Seitdem die Regierung von Präsident Baschar al-Assad nämlich bekannt gab, den Friedensplan von Kofi Annan akzeptieren zu wollen, kamen nach Angaben des oppositionellen Syrischen Nationalrates (SNC) täglich knapp 25 Menschen ums Leben.

Pläne noch unkonkret

Dennoch plant der SNC bereits für die Zeit nach Assad. Derzeit sei es noch die wichtigste Aufgabe, weiterhin für eine internationale Intervention zu werben, erklärt Ausama Monajed, Mitglied des Rats und Leiter von dessen Forschungs- und Kommunikationszentrums. Als ermutigendes Zeichen sieht er die wirtschaftliche Hilfe, zu der sich die aus derzeit 83 Staaten bestehende "Internationale Gruppe der Freunde des syrischen Volkes" auf ihrem Treffen am 1. April in Istanbul verpflichtet hat. Die Gruppe sei sich der politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bewusst, denen Syrien in der Übergangsphase entgegengehe, heißt es in ihrer Abschlusserklärung. "In diesem Sinne", liest man weiter, unterstütze sie die Arbeitsgruppe zur ökonomischen Erholung und Entwicklung, die ein zentrales Forum der internationalen Gemeinschaft zur Planung und Koordinierung werden wolle. Die Arbeitsgruppe wird gemeinsam von Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten geleitet.

Arabische Flaggenläufer (Foto: AP)
"Die Flamme der Freiheit" - noch hat sie Syrien nicht erreicht.Bild: picture-alliance/dpa

Die Pläne für die Zeit nach dem Ende der Gewalt sind allerdings noch nicht allzu konkret. Das gilt auch für weitere Vorhaben, etwa den nationalen Versöhnungspakt, den der Syrische Nationalrat voranbringen will. Dabei nehme sich der Rat Südafrika zum Vorbild, erklärt Monajed. Die dort gemachten Erfahrungen nach dem Ende der Apartheid wolle man in Syrien aufgreifen. Langfristig soll diese Arbeit in eine neue Verfassung münden. Auch an ihr werde schon gearbeitet. Zwar bestünde noch vielerlei Klärungsbedarf im Detail, doch über das Gesamtkonzept seien sich alle im Nationalrat vertretenen Gruppen einig. "Dazu", erläutert er, "gehört vor allem die Gleicheit aller vor dem Gesetz. Zudem soll Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Religion oder sonstiger Eigenschaften unter Strafe gestellt werden. Damit wollen wir auch möglichen späteren Racheaktion vorbeugen."

Vorerst keine Friedensverhandlungen mit Israel

Außenpolitisch wird Syrien teils einen neuen Kurs einschlagen, teils aber auch den des Assad-Regimes fortsetzen. Grundsätzlich, erklärt der Mainzer Geograph Günter Meyer, Leiter des "Zentrums zur Erforschung der arabischen Welt", habe sich auch das Assad-Regime für Frieden im Nahen Osten ausgesprochen. Allerdings, schränkt er ein, "nicht zu Bedingungen, die von Israel und den USA im Wesentlichen diktiert werden. Das heißt, solange der Siedlungsausbau der Israelis in den besetzten Gebieten fortgesetzt wird, solange ist Syrien auch nicht bereit, Friedensverhandlungen mit Israel zuzustimmen."

In diesem Punkt seien die syrischen Bürger mit der Politik des Assad-Regimes durchaus einverstanden gewesen. Auch in anderen Punkten sei man der gleichen Auffassung gewesen, erklärt Meyer. Als Beispiel nennt er die Unterstützung der Palästinenser. Darin repräsentierten die Syrer die Haltung der meisten Menschen in der Region: "Wenn wir uns etwa die Reaktionen der verschiedenen politischen Parteien in Ägypten, Tunesien oder Libyen ansehen, stellen wir fest, dass die Syrer den gleichen Vorstellungen anhängen wie der größte Bevölkerunsganteil auch in diesen Ländern."

Demonstrationsszene in Kafar (Foto: EPA)
Kreise, die sich zuziehen könnten -Demonstration in Kafar NobbolBild: picture-alliance/dpa

Das heißt auch, dass sich im Verhältnis eines neuen Syrien zu Israel wenig ändern wird. Auch dann dürfte es vor allem um einen Streitpunkt gehen: die Golanhöhen. "Diese müssen entsprechend mehrerer UN-Resolutionen an Syrien zurückgegeben werden", erklärt Ausama Monajed. "Darum wird es auf syrischer Seite einen eigenen Unterhändler in dieser Frage geben – einen Unterhändler, der die Unterstützung des ganzen Landes hat, denn er wird demokratisch legitimiert sein. Er wird den Willen der gesamten syrischen Bevölkerung hinter sich wissen."

Neues Verhältnis zu Iran und Hisbollah

Gründlich ändern dürfte sich hingegen das Verhältnis zum Iran. Dessen Regierung habe dem Assad-Regime mit Waffen, Expertise und Personal beigestanden, erklärt Monajed. Damit hätte sie Damaskus unterstützt, gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. "Das wird auf jeden Fall in der Ausgestaltung der kommenden Politik eine Rolle spielen." Auch würden die Syrer kaum die Rolle der libanesischen Hisbollah vergessen, die Assad während der Revolution ebenfalls zur Seite stand. Das werde sich ebenfalls auf die künftigen Beziehungen auswirken. "Syriens Haltung zu destruktiven Allianzen und destruktiven Elementen in der Region wie der Hisbollah und anderen wird eine andere sein."

Doch bevor es so weit ist, muss das Land zunächst die Gewalt hinter sich lassen. Das dürfte allerdings nicht einfach werden, fürchtet Günter Meyer. Die einzige Möglichkeit zur Befriedung des Landes sieht er in jener Richtung, die der Annan-Plan vorgibt. Erfolgsversprechend sei darum nur eine innersyrische Lösung, an der alle beteiligten syrischen Gruppierungen mit ihren teils sehr unterschiedlichen Interessen mitwirkten.

Porträt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (Foto: AP)
Die Porträts Assads hängen nochBild: AP

Gespaltene Opposition

Das Problem sei tatsächlich, dass die syrische Opposition keinen einheitlichen Block bilde. Auf der einen Seite, erklärt Meyer, stehe die innersyrische Opposition, die sich im Wesentlichen aus 13 überwiegend links orientierten Parteien zusammensetze. Ihr gegenüber stehe die Mehrheit der überwiegend aus Überläufern bestehenden Freien Syrischen Armee sowie des Nationalrates. Dieser setze vor allem auf Unterstützung aus Katar, Saudi-Arabien und der Türkei, und sein Ziel sei ein gewaltsamer Sturz des Regimes. Wenn es mit Hilfe der Beobachter aber gelänge, die Kampfhandlungen zu reduzieren und Verhandlungen der wichtigsten Gruppierungen aufzunehmen, ergäbe sich die Chance für einen friedlichen Wandel.

Dass das gelingt, hält Meyer keineswegs für ausgemacht. Ein Scheitern aber hätte womöglich katastrophale Auswirkungen. So könnten die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten eskalieren. "Dadurch", warnt Meyer, "könnte der gesamte Nahe Osten in eine sich immer stärker verschärfende Auseinandersetzung hineingezogen werden."

Die Pläne für Syriens Zukunft sind erst vage umrissen und Zurückhaltung ist durchaus angemessen. Denn solange trotz eigentlich getroffener Verabredungen sogar die UN-Inspektoren das Land nicht bereisen können, lässt sich seine Zukunft nicht einmal im Ansatz voraussehen. An Ideen, sie zu gestalten, mangelt es nicht. Umso mehr aber noch an Möglichkeiten, sie umzusetzen.