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Piratenpartei Wirtschaft

Sabine Kinkartz27. April 2012

Für offene Märkte, gegen Patentschutz - noch hat die Piratenpartei nur wirtschaftspolitische Stichworte auf der Agenda. Die deutsche Wirtschaft beobachtet sie trotzdem mit wachsendem Interesse.

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Symbolbild Piratenpartei und Wirtschaft (Foto: DW)
Bild: DW

Wer wissen will, wie eine Partei tickt, der sollte zunächst einmal einen Blick in ihr Programm werfen. Zum Stichwort Wirtschaftspolitik findet sich bei der CDU der Leitsatz "Leistung muss sich lohnen". Bei der SPD ist von "Fortschritt und Gerechtigkeit" die Rede, Bündnis90/Die Grünen fragen: "Wie gestalten wir Wachstum ökologisch und sozial verträglich?". Die FDP propagiert die Privatisierung als ordnungspolitische Daueraufgabe, während die Linkspartei mit ihrer Wirtschaftspolitik "die Dominanz des Profits überwinden" will.

Vergleichbare Kernaussagen sucht man bei der Piratenpartei bislang vergebens. Wirtschaftspolitik kommt im Parteiprogramm bislang nur in Stichwörtern vor. Das sei aber auch verständlich, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom, dem Wirtschaftsverband, der die IT-, Telekommunikations- und Neue-Medien-Branche vertritt.

Man müsse den Piraten die Zeit geben, sich auch in jenen Politikfeldern, die nicht zum Kern ihrer Thematik gehören, zu positionieren und eine Meinung zu bilden. "Insofern haben wir gegenwärtig überhaupt nicht die Erwartung, dass die Piratenpartei, die ja einfach in einem chaotischen Geburtsprozess jetzt in die politische Arena getreten ist, zu jedem Thema kompetent auskunftsfähig sein würde. Das ist schlechterdings unmöglich, das würde niemand schaffen."

Papierfähnchen der Piratenpartei (Foto: dapd)
Bild: dapd

Abbau von Monopolen

Ein paar wirtschaftspolitische Stichworte haben sich die Piraten allerdings schon auf die Agenda geschrieben. So sind sie für freie Märkte und wollen den Mittelstand fördern. Subventionen für angeschlagene Konzerne - wie sie etwa im Fall der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker diskutiert wurden - lehnen sie ab. Aufhorchen lässt deutsche Unternehmer, was die Piraten zum Schutz des geistigen Eigentums zu sagen haben. Sie treten für freies Kopieren, sowie freies Nutzen ein und Patente werden von den Piraten gar als "künstliche Einschränkung der allgemeinen Wohlfahrt" abgelehnt.

Solche Aussagen seien sicherlich nicht das, was die Wirtschaft sich vorstellen könne, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks. Grundsätzliche Sorgen um den Patentschutz in Deutschland macht sich der Wirtschaftsvertreter trotzdem nicht. "Diese generelle Ablehnung von Patenten ist auch nicht das, was sich auf Dauer bei den Piraten durchsetzen wird. Im Gespräch werden auch sie merken, dass unsere Wirtschaftsordnung nun mal gerade darauf basiert, dass Investitionen in neue Produkte sich deshalb lohnen, weil es eben diesen zeitlich befristeten Patentschutz gibt."

Piraten müssen noch viel lernen

Ähnlich argumentiert Bernhard Rohleder vom Bitkom. Die Piraten hätten beim Patentrecht noch einiges zu lernen. Im Parteiprogramm werde beispielsweise vor Softwarepatenten gewarnt, dabei seien die doch schon gesetzlich verboten. Die Meinung, dass im Netz alles umsonst zu haben sein müsse, will der Wirtschaftsvertreter auch nicht unterstützen. "Ich glaube schon, dass ich in der Piratenpartei noch Verständnis dafür wecken muss, dass das Netz nicht vom Himmel fällt, sondern dass es gebaut werden muss und dass die Netzwirtschaft eine Branche ist, die auch flankierende politische Rahmenbedingungen braucht, um wirtschaftlich und damit auch im Netz leistungsfähig zu sein und auch um Arbeitsplätze schaffen zu können."

Verständnis für die Belange der Wirtschaft schaffen, das ist Rohleders Ziel, wenn er mit Vertretern der Piratenpartei spricht. Bitkom suche sehr intensiv den Dialog mit den Piraten, mit einigen sei man bereits in einem sehr konstruktiven Austausch. Das ist mehr, als der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vorweisen kann. Dort ist bislang nur von rudimentären Gesprächen die Rede, es gebe keine offiziellen Kontakte. "Wo nichts ist, da kann man sich in der Sache noch wenig austauschen", sagt Achim Dercks vom DIHK. Sein Verband hoffe sehr, dass es auf dem jetzt anstehenden Bundesparteitag in den großen Themenfeldern der Wirtschaftspolitik, also insbesondere auch in der Steuerpolitik erste Weichenstellungen gebe. "Damit man dann auch in einen inhaltlichen Diskurs eintreten kann."

Abwarten und beobachten

Gar keinen Kontakt hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bislang mit der Piratenpartei. "Wir schauen uns das Phänomen und den Aufstieg der Partei sehr sorgfältig an", lässt sich ein Sprecher zitieren, eine darüber hinausgehende offizielle Stellungnahme lehnt der BDI ab. Da ist viel Distanz zu spüren. Der Industrieverband tut sich schwer mit einer Partei, von der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder sagt, dass sie "in absehbarer Zeit wohl kaum eine Wirtschaftspartei" werde.

Trotzdem, so sagt Rohleder, sei sein Verband sehr dankbar dafür, dass es die Piraten gebe. Es sei der Partei gelungen, mit relativ wenig Aufwand eine unglaubliche Aufmerksamkeit auf jene Themen zu lenken, die eine herausragende Bedeutung für die Weiterentwicklung der Wirtschaft, der Gesellschaft und auch der Politik hätten. "Mit ihren Wahlerfolgen haben die Piraten einen 'wake up call' erzeugt für die etablierten und traditionellen Parteien, der dazu geführt hat, dass jetzt alle Parteien dieses Thema nicht nur auf der Agenda haben, sondern es auch seinem Gewicht gemäß behandeln."

Handelskammern im Fokus

Das mag für die netzpolitischen Themen gelten, für andere Programmteile ist das aus Sicht der Wirtschaft sicherlich nicht der Fall. So wird im Piraten-Programm unter anderem auch die "Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern und Verbänden wie der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie der Landwirtschafts- oder Handwerkskammer" gefordert. Rechtsanwalts-, Notar- und Ärztekammern seien "von diesem Ziel nicht erfasst".

Dazu hat DIHK-Vertreter Dercks natürlich eine ganze klare Meinung. "Wir gehen gerne in die Diskussion herein, weil natürlich jeder, der so eine gesetzliche Mitgliedschaft hat, auch einen Beweis dafür ablegen muss, dass es sinnvoll ist." Bislang habe der DIHK noch alle Parteien davon überzeugen können. "Interessanterweise gibt es verschiedene Berufsgruppen, die bei den Piraten recht stark vertreten sind - und die sind ausdrücklich von dieser Abschaffung der Kammermitgliedschaft ausgenommen." Auch das, so sagt Dercks, gehöre zur Wahrheit.