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Piraten im Nigerdelta

3. Juni 2009

Piraterie ist keineswegs nur ein Problem vor der somalischen Küste. Auch im Nigerdelta spitzt sich die Lage zu. Dort, wo Öl und Gas gefördert werden, nutzen Piraten die Kämpfe zwischen Rebellen und den Regierungstruppen.

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Tanker und Versorgungsschiffe sind beliebte Ziele der PiratenBild: dpa

Unterwegs im Patrouillenboot mit Akinsengun Akinsiku und seiner Mannschaft. Der Kapitän der nigerianischen Marine sucht das Ufer des Flusses nach Piratenverstecken ab. Er ist nervös. Denn hier, wo der Niger vor Port Harcourt in den Golf von Guinea mündet, treiben immer mehr Piraten ihr Unwesen: "Die nigerianische Marine versucht ihr Bestes, um die Piraten zu stoppen und sie zu fangen. Wir fahren regelmäßig hier herum, um Präsenz zu zeigen und diese Kriminellen zu entmutigen", sagt der Kapitän.

Dutzende Überfälle - Millionen erbeutet

Wahlen in Nigeria
Das Militär ist für effektiven Schutz nicht ausgerüstetBild: AP

Hochrisikogebiet – so nennt die Internationale Seeschifffahrtsbehörde mittlerweile nicht nur das Horn von Afrika – sondern auch die Küste Nigerias. Allein in den letzten Monaten wurden im Nigerdelta nach offiziellen Zahlen rund 30 Schiffe gekapert und mehr als 40 Menschen von Bord entführt. Niemand weiß genau, wie viele Dollarmillionen erbeutet und wie viele weitere Fälle nicht angezeigt wurden.

Akinsengun Akinsiku sieht auch, dass die Praterie der ganzen Wirtschaft schadet: "Die Piraten sind ein großes Problem. Der Ruf Nigerias wird stark beschädigt, weil das Land nicht als sicher gilt. Das verhindert Investitionen."

Und die Sicherheitslage wird immer schlechter. Militante Gruppen verwenden seetaugliche Speedboote mit Außenbordmotor und sind bis an die Zähne bewaffnet - mit Granatwerfern und Schnellfeuergewehren.

Prostituierte und Matrosen liefern Informationen

Öl im Niger Delta Nigeria
Vom Ölreichtum der Region profitieren nur wenigeBild: AP

Die Piraten kommen an Bord, stehlen Geld, Schmuck und auch Navigationsequipment. Wenn die Schiffe zwischen Hafen und Meer unterwegs sind, werden sie beschossen. Die Piraten versuchen auf die Brücke zu kommen. Manchmal helfen ihnen Prostituierte, die zuvor von der Mannschaft an Bord genommen wurden. Die übermitteln dann Informationen. Es gibt auch Crewmitglieder, die gemeinsame Sache mit den Piraten machen und ihnen Informationen zukommen lassen.

Nigerias Piraten lassen sich allerdings nur bedingt mit den somalischen vergleichen. Die meisten Überfälle finden direkt in den Häfen oder im Nigerdelta statt, also auf nigerianischem Hoheitsgebiet. Opfer sind dabei jedoch nicht nur zivile Handelsschiffe, sondern vor allem Tank- und Versorgungsschiffe von Erdölplattformen. Die Piraten finanzieren sich vor allem durch Öldiebstahl und Benzinschmuggel, fordern aber auch Lösegeld für ausländische Geiseln.

Sicherheit mit privaten Diensten

Unruhen in Nigeria
Piraten nutzen die KriegswirrenBild: AP

Nach Meinung von Sicherheitsexperten ist die nigerianische Marine zu schlecht ausgerüstet, um im Labyrinth des Nigerdeltas mit den Seepiraten fertigzuwerden. Deshalb müssen Ölkonzerne für viel Geld ihre eigenen Sicherheitsfirmen engagieren. Für eine dieser Firmen arbeitet Tope Obafemi. Von Lagos aus organisiert sie den Schutz für Offshore-Bohrplattformen und Anlagen. "Viele Unternehmen sparen an der Sicherheit und damit an der falschen Stelle", sagt Tope Obefemi. "Dabei schaden sie sich meistens selbst. Denn für Lösegelder aufzukommen, kostet im Zweifelsfall mehr. Wahrscheinlich muss erst etwas passieren, damit sie sich entschließen, mehr für die Sicherheit zu tun."

Marine-Kapitän Akinsiku gibt nicht auf. Er will nicht offen darüber sprechen, aber er glaubt, dass es vielen Piraten im Delta nicht nur um Raub, sondern auch um Politik geht. Um Widerstand gegen die Regierung und die internationalen Erdölgesellschaften. Damit könnte er Recht haben. Denn die jüngste Offensive der nigerianischen Armee gegen die MEND, die Befreiungsbewegung für das Nigerdelta, war eine Reaktion auf die Kaperung zweier Schiffe von Ölfirmen. Nigerias Rebellen fordern mehr Teilhabe der Bevölkerung an den Gewinnen aus dem Ölgeschäft – und protestieren auch gegen die gigantische Umweltverseuchung durch die Ölförderung, die den Menschen im Delta ihre Lebensgrundlage nimmt. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Die Rebellen wenden immer häufiger auch Piratenmethoden an und lösen damit höchste Alarmstimmung in der Ölindustrie aus.

Kapitän Akinsiku ist noch immer nervös. Vielleicht wird er schon bald nicht mehr genau unterscheiden können, welche Ziele seine Feinde haben. Ob er gegen politische Rebellen oder raubende Piraten kämpfen muss. Oder gegen beide gleichzeitig. Er weiß nur, dass es dann noch gefährlicher wird im Nigerdelta.

Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Dirk Bathe