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Keystone XL

14. November 2011

US-Präsident Obama hat den Ausbau der kanadisch-amerikanischen Keystone-Pipeline verschoben. Experte Sascha Müller-Kraenner vermutet im Interview mit DW-WORLD politische statt ökologische Beweggründe.

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Demonstranten in Washington
Die Pipeline würde Kanada mit dem Golf von Mexiko verbindenBild: Christina Bergmann

DW-WORLD.DE: Was ist Ihre Reaktion auf die Entscheidung von Präsident Obama, den Ausbau der Keystone-Pipeline bis nach Bekanntgabe von neuen Untersuchungsergebnissen zu verschieben?

Sascha Müller-Kraenner: Das sind sehr gute Neuigkeiten. Es wäre natürlich noch besser gewesen, wenn er das Projekt vollkommen gekippt hätte, denn es zieht ja schlimme Folgen für die Umwelt nach sich. Aber immerhin ist es verschoben worden - bis nach den Wahlen. Jetzt kann noch besser geprüft werden, mit welchen schlimmen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Warum hat sich Obama entschieden, die endgültige Entscheidung über dieses kanadisch-amerikanische Projekt zu verschieben?

Dahinter stecken meiner Meinung nach zwei Gründe. Erstens gibt es natürlich eine Verbindung zum Wahltag. Die Pipeline läuft durch eine Reihe US-Staaten, die für seine Wiederwahl ausschlaggebend sein könnten. Das ist die politische Motivation. Er reagiert damit auch auf Proteste der Umweltbewegung in den USA, auch innerhalb der Demokratischen Partei.

Der andere Grund ist, dass jetzt immer mehr Informationen ans Licht kommen, welche negativen Auswirkungen die Öl-Gewinnung in Kanadas Öl-Sand überhaupt hat, und welche Folgen der reine Ausbau der Pipeline nach sich ziehen könnte.

Glauben Sie, die Entscheidung, den Bau zu verschieben, basiert eher auf politischen Beweggründen und nicht so sehr auf ökologischen Bedenken?

Sascha Müller-Kraenner
Sascha Müller-KraennerBild: Sascha Müller-Kraenner

Es bleibt nur zu hoffen, dass die ökologischen Bedenken am Ende des Überprüfungsprozesses im Mittelpunkt der Überlegungen stehen, auf denen die Obama-Regierung ihre Entscheidung basieren wird. Es sollte einen ja schon etwas stutzig machen, und man sollte ins Grübeln kommen, wenn man sich überlegt, dass die Entscheidung so einfach auf einen Zeitpunkt nach den Wahlen verschoben worden ist.

Die kommenden Monate werden jetzt die Zeit sein, in der die Argumente auf den Tisch gelegt werden. Das Thema könnte ja auch Teil des Wahlkampfes werden.

Sie haben es selbst gesagt: Diese Entscheidung bedeutet noch nicht, dass die Pipeline am Ende nicht doch noch gebaut wird. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Könnte es nicht sein, dass Obama - gesetzt den Fall, er wird wiedergewählt - die Pipeline doch noch bauen lässt?

Das könnte leider natürlich immer noch passieren. Aber ich hoffe einfach, dass Überlegungen wie die negativen Auswirkungen auf den Klimawandel, die negativen Auswirkungen auf Umweltschutzbemühungen sowie die Gefahr einer Öl-Katastrophe als Argumente weiter in den Vordergrund rücken werden.

Und falls die Wirtschaft nach den Wahlen wieder anzieht, würde das natürlich auch helfen. Denn dann würde das bisher so gerne verwendete Argument der Arbeitsplatzbeschaffung durch den Bau der Pipeline an Schlagkraft verlieren, und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt würden wieder eine größere Rolle spielen.

Kanada hat ja ein großes Interesse am Ausbau der Pipeline. Es gibt auf kanadischer Seite Überlegungen, die Pipeline einfach entlang einer anderen Route Richtung Westen zu bauen. Dann würde Kanada China mit Öl beliefern und nicht die USA. Ist das eine ernstzunehmende Drohung?

Diese Gefahr besteht tatsächlich, aber momentan ist der US-amerikanische Markt nach wie vor der für die Kanadier wichtigste. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden sich die Kanadier also zunächst in Richtung US-Markt orientieren, aber natürlich sehen sie sich auch nach Alternativen um. Andererseits sollten sich die Kanadier auch ein bisschen mehr mit ihrem Treibhausgasausstoß beschäftigen, den sie alleine durch die energieintensive Öl-Gewinnung aus Öl-Sand zu verantworten haben, sowie mit den negativen Folgen für die Artenvielfalt und die Wälder.

Ich glaube, was wir als nächstes brauchen, ist eine ähnliche Debatte in Kanada. Außerdem muss die internationale Gemeinschaft Kanada mehr in die Pflicht nehmen und Fragen stellen - nicht so sehr nach der Pipeline an sich, sondern eher, ob die Art und Weise, wie die Kanadier das Öl gewinnen, das dann durch die Pipeline fließt, wirklich das wirtschaftliche Wachstumsmodell ist, mit dem die Kanadier in Richtung Zukunft schreiten wollen.

Sascha Müller-Kraenner ist Europa-Repräsentant und Executive Director von Nature Conservancy, einer führenden internationalen Umweltorganisation mit über einer Million Mitgliedern und Aktivitäten in mehr als 30 Ländern.

Das Interview führte Michael Knigge.
Redaktion: Nina Haase