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Pillen gegen die Angst

17. Oktober 2001

Die Angst vor Milzbrand hat die Nachfrage nach dem Milzbrand-Medikament Ciprobay von Bayer exlodieren lassen. Hauptkunde ist die US-Regierung.

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Pillen gegen MilzbrandBild: AP

Ciprobay (in den USA Cipro) war schon vor den Anschlägen in den USA einer der Verkaufsschlager unter den Bayer-Produkten. Mit 1,8 Milliarden Euro bescherte das Medikament dem Konzern im vergangenen Jahr den höchtsten Umsatz im Geschäftsbereich Pharma, gefolgt von dem Bluthochdruckmittel Adalat (1,2 Milliarden Euro Umsatz). Ciprobay wird normalerweise bei bakteriellen Infektionen der Atemwege, der Harnwege oder der Haut eingesetzt.

Von Branchenkennern wird das Breitband-Antibiotika Ciprobay aber auch als das erfolgreichste Mittel gegen Milzbrand eingeschätzt. Erst im August des vergangenen Jahres wurde Ciprobay die Zulassung für diese spezielle Anwendung in den USA erteilt. Nach dem Auftreten der Milzbrandfälle stieg die Nachfrage nach dem Medikament sprunghaft. Allein in New York stieg der Tagesabsatz des Medikaments um das fünfache. Dennoch betonte ein Sprecher von Bayer, dass das Anlegen privater Vorräte sowie eine vorbeugende Einnahme nicht sinnvoll seien.

Die US-Regierung will nun für den Ernstfall einen immensen Vorrat an Antiobiotika gegen Milzbrand anlegen. Dieser soll den Bedarf von 12 Millionen Menschen über 60 Tage decken. Dafür will die US-Regierung den Kongress ersuchen, rund eineinhalb Milliarden Mark zur Verfügung zu stellen.

Pausenlose Produktion

Als Reaktion auf die gestiegene Nachfrage hat der Bayer-Konzern begonnen, seine Produktion auszuweiten. In Deutschland wird Ciprobay an einem geheimen Ort zentral produziert, ab dem 1. November soll eine weitere Fabrik mit der Herstellung von Ciprobay beginnen. Auch im US-Staat Conneticut hat eine Bayer-Fabrik bereits den 24-Stunden-Betrieb aufgenommen. Über 200 Millionen Pillen sollen so in den nächsten drei Monaten bereitstehen, drei Mal so viele wie bei normalem Produktionsbetrieb. Damit könnten 1,7 Millionen Menschen mit einer täglichen Dosis von zwei Tabletten versorgt werden.

Ciprobay genießt auf dem amerikanischen Markt noch bis 2003 Patentschutz. Dennoch regte der US-Senator Charles Schumer an, die US-Regierung könne den Wirkstoff von Ciprobay auch über billige Nachahmerprodukte (Generika) beschaffen. Er nannte Hersteller in den USA, Israel und in Indien, die bereit seien, das Medikament zu liefern. Auf die Forderung Schumers, den Preis des Medikaments zu senken, ging Bayer nicht ein. Die Preise seien seit Monaten konstant.

In Deutschland ist der Patentschutz bereits abgelaufen. Entdeckt wurde das Mittel 1981, die Zulassung folgte 1987. Das Medikament gehört zur Gruppe der so genannten Fluorochinolon-Antibiotika, die auch von anderen Konzernen wie Aventis angeboten werden. Ciprobay ist nach Meinung von Experten jedoch wirksamer als andere Stoffe, die auch gegen Milzbrand-Erreger zugelassen sind. So gebe es bereits Varianten des Milzbrand-Erregers, die gegen Wirkstoffe wie Penicillin oder Doxycyclin resistent sind.