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Pike: "Obama will Lage in Syrien nicht ändern"

Benjamin Knight / hz1. September 2013

In Washington wollen viele, dass der syrische Machthaber Assad weiterregiert. Das sagt Analyst John Pike von GlobalSecurity.org. Obama fürchte sich dort vor Al-Kaida. Die USA hätten lieber einen Schurken, den sie kennen.

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US-Präsident Barack Obama nach einer Rede im August 2013 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

DW: Ob Syriens Präsident Assad nun Giftgas eingesetzt hat oder nicht - viele Leute fragen sich, warum er so etwas tun sollte, wo sich doch gerade alles zu seinen Gunsten entwickelte.

John Pike: Vielleicht entwickelte sich tatsächlich alles zu seinen Gunsten - aber vielleicht sah er das ja auch anders. Er hat eine große Armee, aber die meisten seiner Soldaten sind Sunniten. Ein großer Teil seiner Armee ist politisch unzuverlässig. Nur wenige Offiziere im Feld haben sein Vertrauen. Und die alawitischen Offiziere, denen er vertraut, die müssen in den Kasernen bleiben, um sicherzustellen, dass die Mannschaften nicht meutern. Und so viele Soldaten hat Assad gar nicht, die für den tatsächlichen Kampfeinsatz in Frage kommen. Denn da geht es um einen sehr kräftezehrenden Häuserkampf. Nach zwei Jahren intensiver Kriegsführung haben auch die Vertrauensleute, die er noch hat, keinen unbedingten Kampfeswillen mehr.

Was wird also passieren? Ist dies der Anfang vom Ende für Assad?

Vielleicht. Ich weiß es nicht. Aber wenn wir davon ausgehen, dass er am 21. August tatsächlich Giftgas eingesetzt hat, dann müssen wir verstehen, warum er es getan hat. Andernfalls wäre es sehr schwierig, ihn von einem weiteren Gas-Einsatz abzuhalten. Ich habe noch von niemandem eine Erklärung für Assads Verhalten gehört, nicht einmal eine schlechte. Und wenn wir nicht verstehen, warum er etwas tut, das die Welt den Atem anhalten lässt, dann sind wir wirklich in unbekannten Gewässern. Wir verstehen nicht, warum eine Schlüsselfigur dieses Krieges so handelt, wie sie es tut. Vielleicht hat Assad beobachtet, dass Obama schon bei seiner Ägypten-Politik keine klare Linie erkennen ließ. Assad könnte deshalb die Angst vor den USA verloren haben und glauben, dass er selbst mit einem Giftgasanschlag ungestraft davonkommt.

Wie bewerten Sie dann Obamas Ankündigung, den Kongress um Zustimmung zu bitten für einen Militärschlag?

Das ist eine ganz außergewöhnliche und neue Selbstbeschränkung des Oberbefehlshabers. So etwas hat es noch nicht gegeben, schon gar nicht für einen doch sehr überschaubaren Militäreinsatz.

Wenn Großbritanniens Premierminister Cameron seine Parlamentsabstimmung über einen Syrien-Einsatz nicht verloren hätte - hätte Obama dann auch den US-Kongress um seine Zustimmung gebeten?

Wahrscheinlich nicht. Die USA sind eine Präsidialrepublik, keine parlamentarische Demokratie. Da werden die Dinge anders gehandhabt. Obama ist der Oberbefehlshaber aller Streitkräfte. Und er kann noch nicht absehen, wie diese Abstimmung ausgehen wird.

Werden denn Raketen bei Assad irgendetwas bewirken? Werden die USA auf diese Weise einige Chemiewaffen zerstören können?

Natürlich nicht. Eine Tomahawk-Rakete mit konventionellem Sprengkopf könnte allenfalls das Giftgas freisetzen. Falls wir glauben, dass Assad Giftgas einsetzt, weil er die Dinge nicht mehr im Griff hat, dann würden wir mit den Raketen natürlich seine Schaltzentralen angreifen. Aber erstaunlicherweise hat Assad viele Verehrer in Washington, weil er ein Bollwerk ist, das die Übernahme Syriens durch Al-Kaida verhindert.

Assad hat viele Unterstützer in Washington?

Ja! Nach dem Motto: Besser ein Schurke, den wir kennen, als einer, den wir nicht kennen. Falls wir also irgendetwas unternehmen, um Assads Position zu schwächen, dann sehen manche darin ein Risiko: Al-Kaida könnte an die Macht kommen. Ich denke, Obama sucht nach einem Mittelweg: Er will gerade genug unternehmen, um nicht dumm dazustehen. Andererseits will er aber nichts unternehmen, dass die Situation in Syrien wirklich verändern oder gar Assad stürzen würde.

Sie sagen also, Obama will gar nicht unbedingt den Sturz Assads?

Zumindest gibt es in Washington eine Menge Leute, die das nicht wollen. Das Problem in Syrien ist, dass die meisten Rebellen, die meisten Kämpfer der Freien Syrischen Armee nur ihre Viertel verteidigen. Und die werden sie nicht verlassen, um irgendwo anders zu kämpfen. Aus der wohlbegründeten Angst natürlich, dass dann Assads Leute kommen und ihre Frauen und Kinder massakrieren. Da gibt es also keine Befehlsstruktur. Es gibt nicht einmal so etwas ähnliches wie eine organisierte Oppositionsarmee. Und falls Assad wirklich stürzt, so jedenfalls die Sorge, dann ist Syrien ein einziges großes Chaos.

Der US-Amerikaner John Pike ist Gründer und Direktor des Think Tanks GlobalSecurity.org. Der Experte für Verteidigungs- und Geheimdienst-Politik ist Mitglied des Rates für auswärtige Beziehungen und leitet seit fast zwei Jahrzehnten Militäranalyse- und Geheimdienst-Projekte des Amerikanischen Wissenschaftsverbandes.