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Philosoph ohne Rückendeckung

8. August 2003

Ist es "antisemitisch"? Oder bloß "hemdsärmelig"? Jedenfalls nimmt der Suhrkamp-Verlag das Buch "Nach dem Terror. Ein Traktat" nun aus dem Programm: Der Philosoph Ted Honderich verteidige den Terror der Palästinenser.

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Umstritten: Die Suche nach den UrsachenBild: AP

In seinem Buch setzt sich der kanadisch-britische Philosoph Honderich mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auseinander - als Ursache dafür habe er die ungleiche Verteilung der Güter in der Welt ausgemacht, erklärt der Suhrkamp-Verlag, der das Werk verlegt hatte. Dabei beschäftige sich Honderich auch mit dem arabisch-israelischen Konflikt. Über die Verkaufszahlen des Buches kann Suhrkamp wohl nicht klagen: "Nach dem Terror" erschien erst im Juli 2003, die 2000 gedruckten Exemplare sind schon vergriffen.

Judenhass oder falsche Auslegung?

Für heftige Diskussionen sorgte aber der Inhalt. Honderich schreibt unter anderem: "Ich für meinen Teil habe keine ernsthaften Zweifel, (...), dass die Palästinenser mit ihrem Terrorismus gegen die Israelis ein moralisches Recht ausgeübt haben." Daraufhin warf der Direktor des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt, Micha Brumlik, dem Autor "antisemitischen Antizionismus" vor: Er rechtfertige die Ermordung jüdischer Zivilisten in Israel. Brumliks, dessen Institut sich mit der Geschichte des Holocaust befasst, forderte Suhrkamp auf, das Buch vom Markt zu nehmen. Er kritisierte, dass ausgerechnet der Verlag Suhrkamp, der auch einen Jüdischen Verlag betreibe, "philosophischen Judenhass" veröffentliche.

Dagegen hält der Philosoph Jürgen Habermas, der dem Verlag Honderichs Buch empfohlen hatte, die Vorwürfe für überzogen. Allerdings räumte er ein, das "hemdsärmelige Pamphlet" enthalte einige Sätze, die man außerhalb des Zusammenhangs "auch gegen die Intention eines Autors immer für antisemitische Zwecke verwenden" könne. Es tue ihm Leid, wenn er bei seiner Buchempfehlung zu wenig Rücksicht genommen habe.

Verlag macht Kehrtwende

Für den Verlag selbst hatte Programmleiter Günter Berg das Buch zuerst verteidigt. Am Mittwoch (6. August 2003) schwenkte Suhrkamp überraschend um: Der Verlag bedauere, dass ihm "die Haltung des Autors zum palästinensischen Konflikt nicht rechtzeitig deutlich wurde". Im Internet sei nämlich eine Aussage von Honderich aufgetaucht, in der er sich ein Zitat seines Buches zu eigen mache: "The Palestinians are right to look back to Fascist Germany and say they are the Jews of the Jews." (Die Palästinenser haben Recht, wenn sie auf das faschistische Deutschland zurückschauen und sagen, wir sind die Juden der Juden). Damit habe Honderich die Ebene vernünftiger Erörterung verlassen. Suhrkamp werde die Rechte an dem Buch zurückgeben.

Schon 2002 hatte der Verlag Schwierigkeiten mit Antisemitismus-Vorwürfen: Der Roman "Tod eines Kritikers" von Martin Walser hatte auch eine heftige Debatte ausgelöst. (reh/dpa)