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Pharmabranche

Julia Elvers-Guyot27. Januar 2009

Die milliardenschwere Übernahme von Wyeth durch den Pharma-Branchenprimus Pfizer rüttelt die Branche auf. Wie gut sind die europäischen Pharmaunternehmen aufgestellt?

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Mann vor Zentrale des Pharmakonzerns Pfizer in New York (Quelle: AP)
Pfizers Übernahmedeal könnte Bewegung in die Pharmabranche bringenBild: AP
Lobby der Zentrale von Wyeth in Madison (Quelle: AP)
Wyeth stand auf der Rangliste der umsatzstärksten Pharmaunternehmen bisher auf Platz 10Bild: AP

Pharma-Branchenprimus Pfizer will für rund 68 Milliarden Dollar den US-Konkurrenten Wyeth übernehmen. Pfizer war schon lange die Nummer Eins in der Branche. Nach der Übernahme von Wyeth vergrößert das Unternehmen den Abstand zur Konkurrenz nun noch mehr.

Trotzdem: In der Rangliste der größten Pharma-Unternehmen folgen auf Pfizer - gemessen an den Umsatzzahlen - immerhin fünf europäische Firmen: GlaxoSmithKline (Großbritannien), Sanofi-Aventis (Frankreich), Novartis (Schweiz), Roche (Schweiz) und AstraZeneca (Großbritannien-Schweden). Auch sie konnten in den vergangenen Jahren überwiegend durch externe Zukäufe wachsen. Aber: "Durch die Fusion von Pfizer mit Wyeth werden die Europäer wieder unter Zugzwang kommen und unbedingt nachziehen müssen", meint Rocco Schilling, Credit-Analyst bei UniCredit.

Wettlauf mit der Zeit gegen den Auslauf von Patenten

Flaschen vom Cholesterinmittel Lipitor und dem Antidepressivium Effexor (Quelle: AP)
Die Blockbuster von Pfizer und Wyeth: das Cholesterinmittel Lipitor und das Antidepressivum EffexorBild: AP

Der Konsolidierungsdruck wird weiter zunehmen, "insbesondere bei den Unternehmen, die in den nächsten Jahren einer Reihe auslaufender Patente entgegen sehen", sagt Schilling. Denn sobald Patente auslaufen, drängt die Konkurrenz mit Generika-Produkten auf den Markt, die deutlich preiswerter zu haben sind als die Originale, in die oft dreistellige Millionenbeträge an Forschungs- und Entwicklungsgeldern geflossen sind.

UniCredit-Experte Schilling rechnet damit, dass europäische Pharma-Giganten wie GlaxoSmithKline, Sanofi-Aventis oder AstraZeneca in den nächsten drei bis vier Jahren durch auslaufende Patente zwischen 25 und 40 Prozent ihrer Umsätze verlieren werden. Ein Wettlauf gegen die Zeit. "Wenn ein Patent ausgelaufen ist, generiert das Produkt nach sechs Monaten bis zu 50 Prozent weniger Umsatz", hat Schilling berechnet.

Die Geister, die man rief

Auf der einen Seite profitieren Pharmaunternehmen davon, wenn sie es schaffen, so erfolgreiche Medikamente wie den Cholesterinsenker "Lipitor" zu entwickeln, mit dem Pfizer ein Viertel seines Umsatzes erwirtschaftet. Gleichzeitig müssen die Unternehmen immer im Hinterkopf behalten, dass der Patentschutz für ihre Medikamente irgendwann ausläuft und dann ein böses Erwachen folgt, sofern in der Zwischenzeit nicht genügend marktreife Neuprodukte entwickelt wurden.

Die meisten Pharma-Unternehmen schaffen es nicht rechtzeitig, ein Nachfolgeprodukt zu entwickeln, das die Umsatzeinbußen kompensieren kann. Daher suchen sie wie Pfizer nach externen Wachstumsmöglichkeiten, um so die Lücken zu schließen, die ihre Erfolgs-Medikamente mit auslaufenden Patenten hinterlassen. "Im Prinzip wird man die Geister, die man rief, nicht mehr los", sagt Credit-Analyst Schilling. "Man hat weltweit Produktions- und Vertriebskapazitäten aufgebaut, die jetzt mit stagnierenden oder rückläufigen Verkaufszahlen konfrontiert werden." Die Folge: massive Kürzungen und Stellenstreichungen - und der wachsende Druck, sich nach Fusionspartnern umzuschauen.

Kreditwürdigkeit spielt bei Fusionen große Rolle

Experten erwarten, dass mit der Übernahme von Wyeth durch Pfizer eine neue Fusionswelle in der Branche eingeleitet wird. "Trotzdem muss man dazu sagen, dass solche Transaktionen in den momentanen Zeiten nur deshalb möglich sind, weil Pharmaunternehmen über ein sehr gutes Kreditprofil verfügen", gibt Rocco Schilling zu Bedenken. "Das von den Ratingagenturen im Durchschnitt mit AA+ geratete Unternehmen Pfizer beispielsweise hat zurzeit über 26 Milliarden US-Dollar an liquiden Mitteln zur Verfügung, so dass hier ein großer Teil der geplanten Übernahme aus eigenen Mitteln finanziert werden kann."

Duale Strategie bei deutschen Pharmaunternehmen

Bei allem Fusions- und Konkurrenzdruck: die Schweizer Unternehmen Novartis und Roche scheinen so oder so gut aufgestellt. Nach Einschätzung von Rocco Schilling nehmen sie eine besondere Stellung auf dem Markt ein, weil sie den Fokus ihrer Pharma-Ativitäten auf die Onkologie, das heißt Medikamente zur Bekämpfuing von Krebs, legen. Hier werden derzeit noch überdurchschnittliche Wachstumsraten von über zehn bis 15 Prozent erzielt. Dagegen habe sich die Wachstumsrate der gesamten Pharmabranche innerhalb von fünf Jahren von etwa zehn auf fünf Prozent halbiert.

Die erste deutsche Firma landet auf der Rangliste der umsatzstärksten Pharma-Unternehmen relativ abgeschlagen auf Platz 11: Bayer ist gleichzeitig ein Chemieunternehmen, das weniger als 50 Prozent im Bereich Pharma erwirtschaftet. Diese duale Strategie fährt auch Merck. "Ich denke, das Management versucht hier auf der Basis von sich bietenden Diversifikationsmöglichkeiten diese duale Strategie auf Dauer fortzuführen, um auch in Phasen des schwächeren Wachstums bzw. des Abschwungs ausgleichende Effekte zu erzielen", sagt Unicredit-Analyst Schilling. Das Pharma-Geschäft hilft, das deutlich zyklischere Geschäft im Chemiebereich auszugleichen.