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Viel Streit um wenig Geld

Bernd Gräßler27. November 2008

Jährlich zahlen Erben rund vier Milliarden an den Staat. Das soll so bleiben, nur soll es dabei künftig etwas gerechter zugehen, bestimmt ein neues Steuergesetz, das am Donnerstag (27.11.) den Bundestag passierte.

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Stempelkissen und Stempel mit Aufschrift Erbschaftssteuer (Foto: dpa)
Wer viel erbt, muss etwas abgebenBild: picture-alliance/chromorange

Der berühmte Familienstreit ums Erbe ist harmlos im Vergleich mit dem politischen Gezerre um das deutsche Erbschaftssteuerrecht. Anfang 2007 hatten die Karlsruher Verfassungsrichter der Regierung aufgetragen, die Erben von Bargeldvermögen nicht länger stärker zu schröpfen als die Erben von Grundstücken oder Betrieben.

Mit dem Richterspruch entbrannte ein Streit ums neue Gesetz, in dem sich die Koalition aus CDU, CSU und SPD über fast zwei Jahre verhakelte. Am Donnerstag (27.11.) verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD das neue Gesetz, das auch noch durch den Bundesrat - die Länderkammer - muss.

Auch die Millionärswitwe behält ihr Haus

Im jahrelangen Streit ums Erbschaftssteuerrecht erweckte besonders die bayerische CSU den Eindruck, als stehe der Untergang des Abendlandes bevor, wenn Häuser und Grundstücke plötzlich zum tatsächlichen Verkehrswert versteuert werden müssten. Der CSU gehe es in Wirklichkeit um die Villen der Millionärswitwen am teuren Starnberger See in Bayern, schimpfte die SPD. Ein Vorwurf, den der CSU-Abgeordnete Albert Rupprecht in der hitzigen Parlamentsdebatte gar nicht abstritt: "Die Witwe will nicht mehr und nicht weniger als in diesem Wohnhaus wohnen bleiben. Und das kann sie künftig, auch wenn es den linken Neidern in unserer Gesellschaft nicht passt."

Millionenteure Einfamilienhäuser, wie man sie am ehesten in exklusiven Wohnlagen des südlichen Deutschland findet, können unter bestimmten Bedingungen auch künftig steuerfrei vererbt werden. Auch das steht im neuen Gesetz, ist jedoch nicht das Wesentliche, wie Union und SPD unermüdlich betonen.

Steuerprivileg mit Haken

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück rühmte im Bundestag vor allem die elegante Lösung für die Vererbung von Familienunternehmen, an deren Erhalt ein allgemeines Interesse besteht. Diese hätten erstmals die Chance, gänzlich ohne Steuer vererbt zu werden, lobte SPD-Finanzminister Peer Steinbrück: "Es hat, und jetzt nenne ich es beim Namen, ein solches Steuerprivileg für die Vererbung von Betriebsvermögen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben."

Das Privileg hat allerdings einen Haken: die Erben müssen das Unternehmen tatsächlich zehn Jahre weiterführen und Arbeitsplätze erhalten. Letzteres wird an der Gesamt-Lohnsumme gemessen, die das Unternehmen zahlt. Angesichts der einsetzenden Wirtschaftsrezession werde es den Unternehmen jedoch schwer fallen, diese Bedingung zu erfüllen, sagte der liberale Abgeordnete Hermann-Otto Solms. Und dann werde die Erbschaftssteuer in voller Höhe sofort fällig, und das könne für viele Unternehmen das Ende der Existenz bedeuten.

Kritik aus Wirtschaft und Opposition

160 deutsche Familienunternehmen protestierten in einem offenen Brief, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sprach sogar von einer "Kriegserklärung". Die SPD pocht jedoch auf die Gegenleistung der Unternehmenserben. Ansonsten gilt: Ehegatten und Kinder sind die Gewinner, entferntere Verwandte oder Lebenspartner die Verlierer der Reform. Auch dagegen gab es Proteste, vor allem von den Grünen und der FDP, die ein antiquiertes Familienbild beklagten.

Die Einigung stand zuletzt unter Zeitdruck: die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist läuft zum Jahresende 2008 ab. Sollte das neue Gesetz bis dahin nicht unter Dach und Fach sein, dürfte der Staat nach Ansicht vieler Experten gar keine Erbschaftssteuer mehr kassieren. Ähnliches passierte 1995, als die Verfassungsrichter die Neuordnung der Vermögenssteuer anordneten, die Regierung jedoch darauf verzichtete. Konsequenz: die Steuer fiel weg. Dies jedoch wagt die Bundesregierung diesmal nicht: zum einen, weil die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer den Bundesländern zustehen. Zum anderen fordern Linke und die Gewerkschaften seit langem, der Staat solle den Erben stärker in die Tasche greifen, zugunsten von Bildung, Kinderbetreuung und Umwelt.

Linke beklagt Kniefall vor den Reichen

Insgesamt wird in Deutschland jedes Jahr schätzungsweise Vermögen von 150 bis 250 Milliarden Euro vererbt. Für den Staat sollen auch künftig nur 4 Milliarden abfallen, viel zu wenig, fand die Abgeordnete der Linkspartei, Barbara Höll, denn die Erbschaftssteuer diene auch dem Zweck, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern. Sie rief der Regierung zu: "Bereits Ihre Selbstbeschränkung auf die vier Milliarden bedeutet doch einen Kniefall vor den Reichen."

Die schwarz-rote Koalition in Berlin jedoch will das Erben insgesamt nicht teurer machen. Sie begnügt sich damit, die Auflagen der Verfassungsrichter zu erfüllen und für ein wenig mehr Balance im System zu sorgen.