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Petros Markaris: Hellas Channel

Alexander Kudascheff2. September 2001

Ein griechischer Dramatiker und Drehbuchautor legt seinen ersten Roman vor - ein Krimi. Und der ist spannend, virtuos geschrieben und glänzend komponiert.

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Wieder eine Neuentdeckung, diesmal aus Griechenland. Doch es handelt sich nicht um einen jungen Autor, sondern um einen über 60-jährigen Dramatiker und Drehbuchautor, der seinen ersten Roman vorgelegt hat - und das ist ein Krimi.

Buchcover: Markaris - Hellas Channel

Petros Markaris hat einen saftigen Athenkrimi geschrieben, in dessen Atmosphäre sich der Leser sofort hineinfindet. Er hat mit dem Kommissar Kostas Charitos einen Kommissar erfunden, der alle Chancen hat, zu einer Kultfigur aufzusteigen, wenn denn Markaris ihn noch mehr Fälle lösen lässt.

Politisch unkorrekt

Denn Charitos ist ein ungewöhnlicher und doch gewöhnlicher Kommissar: Ein Beamter im Kampf gegen die übliche Hierarchie der Direktoren, ein Mann, der gerne schnell ein Souvlaki isst, obwohl es ungesund ist, ein Mann, der sich in einem kleinen Dauerehekrieg als Schopenhauer Griechenlands erweist, ein Kommissar, der von seiner Spürnase und seinen Beziehungen lebt.

Und dieser Kommissar ist politisch nicht korrekt, denn er gibt seinen Vorurteilen gegenüber den albanischen Flüchtlingen überraschend deutlich nach. Also: Kostas Charitos ist ein Unikum. Und jenes Athen, das er mit dem Leser durchstreift, ist chaotisch, voller Smog und voller Staus, eine feindliche Umwelt, eine Großstadt eben, die aber schnell vertraut wird. Das liegt an der Kunst von Markaris, den Leser schnell in ein Ambiente zu führen und ihn nicht allein zu lassen.

Petros Markaris
Bild: pa / dpa

Einfluss der Mächtigen

Worum geht es in diesem modernen Großstadtkrimi? Es geht um eine Enthüllungsjournalistin, die ermordet wird, als sie auf der Spur albanischer Kinderhändler ist. Es geht um ihre Kollegin, die dasselbe Schicksal erleidet. Es geht um den Kampf der modernen griechischen Medien, die alles für eine Schlagzeile, für eine Sensation tun.

Es geht um Kinderhandel, um Morde, um Albaner, um korrupte Zollhändler und um korrupte oder nur verliebte Polizeibeamte. Es geht um den Einfluss der Mächtigen in Politik und Wirtschaft, um die griechische Vergangenheit unter den Obristen und um griechische Kommunisten, die plötzlich erfolgreich sind und Milliarden scheffeln, während die Polizei für einen Hungerlohn arbeitet.

Großstadtkrimi

Und dazwischen ermittelt Kostas Charitos, kämpft an der politischen Front, lässt seine Verbindung zu Folteropfern spielen, steht im Stau und spricht eine Woche nicht mit seiner Frau - wegen einer typischen Ehe-Lappalie. Er ist brummig, ein Trotzkopf, ein Einzelgänger, der abgöttisch an seiner Tochter hängt, die in einen Bodybuildertyp verliebt ist - zu seinem spöttischen Kummer.

"Hellas Channel" ist ein Großstadtkrimi. Die Unwirtlichkeit Athens bildet die Kulisse, die Undurchdringlichkeit der modernen Gesellschaft den Hintergrund, die emotionale Stimmung.

Glänzend komponiert

Und Kostas Charitos versucht die Wahrheit zu finden, eine Wahrheit, von der er ahnt, dass sie einfacher sein könnte als er wahrhaben will, so dass er lange auf falsche Spuren setzt - um Recht zu haben in seiner Aversion gegen die da oben, die machen, was sie wollen.

Charitos ist nicht wie Commissario Brunetti ein Gewinner mit Nähe zur Oberklasse, er ist ein Mann des Volkes - und wie er in einer Szene sarkastisch feststellt: ein Verlierer in der Moderne. Und doch ist er beharrlich ,ein Suchender , eine Spürnase, manchmal selbstgefällig, manchmal selbstkritisch, ein Typ eben.

"Hellas Channel" ist ein echter Schmöker. Er ist spannend, virtuos geschrieben, glänzend komponiert, ohne Längen. Ein reines Lesevergnügen.

Petros Markaris
Hellas Channel
Diogenes, 2000
ISBN 3257062419
EUR 22,90