1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Petersburger Dialog

15. Juli 2010

Der Petersburger Dialog ist ein Diskussionsforum zur Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften Deutschlands und Russlands. Lothar de Maizière, Vorsitzender des deutschen Lenkungsausschusses, zieht Bilanz.

https://p.dw.com/p/OJ9n
Portrait von Lothar de Maiziere (Foto: dpa)
Lothar de Maiziere zufrieden mit Petersburger DialogBild: picture-alliance / dpa

Deutsche Welle: Herr de Maizière, vom 13.-15. Juli hat der 10. Petersburger Dialog stattgefunden, diesmal in Jekaterinburg. Wie ist die Bilanz nach zehn Jahren?

Logo des Petersburger Dialogs
Das Diskussionsforum wurde in St. Petersburg gegründet

Lothar de Maizière: Das Wesentliche ist, dass wir eine ganz offene Gesprächsatmosphäre in den letzten Jahren gefunden haben. Wir haben auch eine ganze Menge praktische Dinge auf den Weg gebracht. Zum Beispiel ist der deutsch-russische Jugendaustausch im Ergebnis des Petersburger Dialogs entstanden, ein Koch-Metschnikow-Forum, das sich mit Infektionskrankheiten in Russland befasst, auch haben wir ein Rohstoff-Kompetenzzentrum zwischen der Bergakademie Freiberg und dem Bergbauinstitut in St. Petersburg initiiert. Wir sind jetzt dabei, die vom Außenminister der vorherigen Koalition, Frank-Walter Steinmeier, auf den Weg gebrachte Modernisierungspartnerschaft mit Leben zu füllen, insbesondere auf den Gebieten Gesundheitsvorsorge, Logistik, Energieeffizienz und Rechtstaatlichkeit. Ich glaube, dass der Petersburger Dialog ganz zufrieden auf die letzten zehn Jahre zurückblicken kann.

Unter Freunden kann man vieles offen sagen. Sind diese dafür, dass man auch über die Menschenrechtsverletzungen in Russland offen spricht?

Dies geschieht regelmäßig. Der Petersburger Dialog hat sich vor Jahren zu der NGO-Gesetzgebung und den Registrierungsfragen ziemlich kritisch geäußert. Das Gesetz ist auch aufgrund unseres Protestes liberalisiert worden.

Werden auch russische Menschenrechtler zum Petersburger Dialog eingeladen?

Memorial ist regelmäßig eingeladen. Es ist auch immer die Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung dabei, die ihrerseits das Vorschlagsrecht hat, andere Gruppen einzuladen. Nachdem Memorial jahrelang gesagt hat, sie wollten dabei sein, sind sie jetzt seit Jahren dabei, aber sie sind merkwürdig still und nicht sehr aktiv in der Arbeit. Sicher sind die Menschenrechte ein Feld, das wichtig ist, aber wir denken auch, dass andere Dinge wichtig sind. Wir werden zum Beispiel jetzt bei der Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft eine Untergruppe zu sozialen Fragen gründen, denn gerade im Zuge der großen Krise sind nicht unerhebliche soziale Probleme aufgetreten - nicht nur in Russland, sondern auch bei uns.

Welche Projekte sind außerdem geplant?

Blick über die russische Stadt Jekaterinburg (Foto: ZB)
Das Treffen fand diesmal in Jekaterinburg stattBild: picture alliance / ZB

Ich persönlich setze mich sehr stark dafür ein, dass wir das Projekt eines deutsch-russischen Geschichtsbuchs weiterverfolgen. Das 19. Jahrhundert ist ein relativ einfaches Jahrhundert in den Beziehungen der beiden Länder, aber wir werden auch das 20. Jahrhundert nicht ausklammern können. Da bin ich sehr gespannt, wie wir das wechselseitig aushalten, wenn wir uns die Schwierigkeiten vorhalten, die eben nicht nur in der deutschen faschistischen Geschichte liegen, sondern auch in der stalinistischen Geschichte Russlands.

Ferner arbeiten wir an einem deutsch-russischen Filmabkommen, weil wir glauben, dass der russische Film in den letzten Jahren eine ganz beachtenswerte Entwicklung genommen hat. Wir haben mit der Stiftung Neuhardenberg und dem Landgut Lew Tolstois in Jasnaja Poljana eine Inszenierung eines Tolstoi-Stücks mit auf den Weg gebracht. Wir wollen auch Dinge tun, denen andere sich so nicht widmen können.

Unter welchem Motto steht der deutsch-russische Dialog in diesem Jahr?

Dieses Jahr haben wir mit drei Daten zu tun: Zum einen 65 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs, was gerade hier in Russland mit Recht feierlich begangen wird, denn kein Volk in Europa hat einen so hohen Blutzoll zahlen müssen wie die Völker der Sowjetunion. Wir denken an 20 Jahre Deutsche Einheit, weil damit auch das Ende des Kalten Krieges verbunden ist. Und dann feiern wir uns auch ein bisschen selbst, mit zehn Jahren Petersburger Dialog. Wir haben unseren Dialog dieses Jahr unter das Motto gestellt: Deutsche und Russen im nächsten Jahrzehnt. Es ist wichtig, dass wir das Verhältnis Deutschland-Russland nicht nur auf Öl und Gas reduzieren, sondern die Brücken finden, die zwischen den beiden Völkern aus jahrhunderterlanger gemeinsamer Geschichte bestehen.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin
Redaktion: Markian Ostaptschuk/ Fabian Schmidt