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Personalkarussel Bundesregierung

Julia Bernstorf19. Juli 2002

Der Rauswurf von Verteidigungsminister Scharping ist der Höhepunkt einer turbulenten Personalpolitik der Bundesregierung. In seiner Amtszeit wechselte Kanzler Schröder bereits acht Minister aus - ein neuer Rekord.

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Scharping muss gehen: Ministerwechsel Nummer AchtBild: AP

Den ersten Verlust musste Bundeskanzler Gerhard Schröder nur wenige Monate nach Amtsantritt verkraften. Am 11. März 1999 warf Finanzminister Oskar Lafontaine das Handtuch. Damit hatte Schröder zwar einen internen Rivalen weniger, dafür musste er nun auch die Partei-Linke von sich überzeugen. Eine Klientel, die lieber Lafontaine an der Spitze der SPD gesehen hätte. Trotzdem hatte der Kanzler Glück im Unglück. Denn mit Hans Eichel fand er einen Nachfolger, der sich in kürzester Zeit als Sparminister profilieren konnte.

Von Berlin auf den Balkan

Nur drei Monate später rumorte es erneut in der Regierung. Kanzleramtsminister Bodo Hombach machte durch Unregelmäßigkeiten beim Bau seines Hauses von sich reden. Schröder löste das Problem, in dem er Hombach Richtung Balkan schickte, als EU-Beauftragter für Wiederaufbau. In Berlin folgte Frank-Walter Steinmeier an die Spitze des Kanzleramtes.

Besonders unruhig verlief die Legislaturperiode im Verkehrsministerium. Gleich zweimal musste hier ein neuer Minister gesucht werden. Franz Müntefering verließ den Posten, um SPD-Generalsekretär zu werden. Sein Nachfolger, Reinhard Klimmt, stolperte über seine Liebe zum Fußball. Eine Affäre um Scheinverträge des 1. FC Saarbrücken brachte Klimmt zu Fall. Damit wurde der Weg frei für Kurt Bodewig.

Chefredakteur statt Minister

Ende 2000 kam dem Kanzler dann sein Staatsminister für Kultur abhanden. Der Parteilose Michael Naumann beschloss, lieber zur Wochenzeitung "Die Zeit" zu wechseln. Seitdem ist in Berlin SPD-Mitglied Julian Nida-Rümelin für Kultur zuständig.

Anfang 2001 kam es dann noch einmal ganz dick für die Regierung. Denn die Rücktritte sechs und sieben kamen gleich im Doppelpack. Landwirtschaftsminister Funke und Gesundheitsministerin Fischer mussten gehen, weil sie die BSE-Krise nicht in den Griff bekamen. Andrea Fischer ist der einzige Ablösungsfall der Grünen in der Ministerriege. Ihr folgte Ulla Schmidt. Dagegen wurde das Landwirtschaftsministerium umbenannt in Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und wird inzwischen von der früheren Grünen-Chefin Renate Künast geführt.

Urlaubsfotos und Privatflüge

Der wohl letzten Kabinettsrochade der Legislaturperiode fiel Verteidigungsminister Scharping zum Opfer. Er war bereits seit Monaten umstritten, insofern erschien sein Rücktritt vielen überfällig. Denn die Liste seiner Affären ist lang. Bereits im vergangenen Sommer geriet er in die Schlagzeilen: Mit einer PR-Kampagne wollte er sein Image aufbessern, wobei ihm Badebilder mit Partnerin Kristina Gräfin Pilati-Borggreve helfen sollten. Doch der Schuss ging nach hinten los. Während Fotos in der Zeitschrift "Bunte" Scharping turtelnd im Pool zeigten, debattierte Deutschland heftig über einen Bundeswehreinsatz in Mazedonien.

Nur eine Woche nach den peinlichen Fotos sorgte Scharping erneut für Unmut. Er hatte sich nach einer Sondersitzung des Bundestages zum Mazedonien-Einsatz mit einer Bundeswehrmaschine zu seiner Gräfin fliegen lassen - nach Mallorca. Die Vorwürfe der Opposition, Scharping nutze regelmäßig die Flugbereitschaft für Privatflüge, ließen nicht lange auf sich warten. Schon damals wurde über Scharpings Rücktritt spekuliert. Der Minister musste sich wegen seiner Flüge im Verteidigungsausschuss des Bundestages verantworten, die Anhörung fand am Vormittag des 11. Septembers statt. Nach den Anschlägen in den USA änderte sich die Lage und der Fall Scharping verschwand aus den Schlagzeilen.

Brisante Informationen

Nicht nur privat, auch in seiner Eigenschaft als Minister hat sich Scharping einige Missgriffe erlaubt. So verlautete im Dezember 2001 "aus deutschen Regierungskreisen" die USA wollten im Rahmen ihres Kampfes gegen den Internationalen Terrorismus in Somalia intervenieren. Quelle der brisanten Meldung war Scharping. Sein US-Kollege Donald Rumsfeld machte anschließend aus seiner Geringschätzung des deutschen Kollegen keinen Hehl.

Die jüngste Affäre betrifft wieder Scharpings Amtsführung. Scharping bestreitet die Zahlungen einer PR-Firma nicht, betont jedoch, er habe das Geld als Honorar für Vorträge und seine Memoiren bekommen. Die Opposition dagegen vermutet, dass Scharping sich für die Vermittlung von Rüstungsgeschäften haben benutzen und bezahlen lassen. Wer Recht hat, ist nach der Entlassung Scharpings nicht mehr Regierungsangelegenheit, sondern die Privatsache eines Ex-Ministers.