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Urteil gegen Pechstein

25. November 2009

Der Internationale Sportgerichtshof hat die Klage der deutschen Eisschnellläuferin gegen ihre Dopingsperre abgewiesen. Damit dürfte die Karriere der erfolgreichsten deutschen Winterolympionikin beendet sein.

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Eisschnellläuferin Claudia Pechstein mit zusammengekniffenen Lippen, den Blick nach unten gerichtet. Foto: dpa
Claudia PechsteinBild: DPA

"Das zu akzeptieren, ist für mich unglaublich hart. Nach dem wochenlangen, unwürdigen Hin und Her war das Urteil aber abzusehen", sagte Pechstein. Überraschend komme die Entscheidung für sie nicht. "Ich habe lernen müssen, dass es ausgerechnet vor Sportgerichten offenbar keinen Platz für das im Sport so oft beschworene Fair Play gibt. Ich habe nie gedopt und ein reines Gewissen."

In der Urteilbegründung des Internationalen Sportgerichtshofs heißt es, ein bei der WM in Hamar im Februar 2009 bei Pechstein ermittelter Blutwert sei "auch im Vergleich zu ihren eigenen Werten abnormal". Pechstein habe dies "nicht in vertretbarer Weise" mit einer angeborenen Krankheit oder einer Blutanomalie erklären können. Deshalb sei eine "Manipulation des Blutes der Athletindie einzige vernünftige Alternative", um die auffälligen Werte zu erklären.

Rückendeckung für Dopingfahnder

Das Urteil gegen Claudia Pechstein ist richtungweisend. Schließlich war die deutsche Eisschnellläuferin die erste Athletin weltweit, die wegen Dopings gesperrt wurde, ohne dass sie auch nur ein einziges Mal bei einer Dopingkontrolle positiv getestet worden war. Pechstein war allein wegen ihrer auffälligen Blutwerte für zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen worden. Der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne stärkte, indem er den indirekten Nachweis des Dopings im Fall Pechstein akzeptierte, den Dopingfahndern den Rücken. Das Management der Eisschnellläuferin kündigte an, vor der nächsten Instanz, dem Schweizer Bundesgericht, Berufung einzulegen.

Claudia Pechstein wird vor einer Anhörung des Sportgerichtshofs von Reportern verfolgt. Foto: AP
Spießrutenlaufen einer EisschnelläuferinBild: AP

Auch berufliche Konsequenzen drohen

Claudia Pechstein ist mit fünf Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin aller Zeiten. Außerdem sammelte die 37-Jährige in ihrer Karriere sechs Weltmeister-Titel. Eigentlich wollte Pechstein auch bei den Olympischen Spielen im Februar in Vancouver in Kanada starten. Nach dem Spruch des Sportgerichtshofs steht ihre Karriere vor dem aus. Pechstein muss nun auch um ihren Beamtenstatus bei der Bundespolizei fürchten, die bereits ein Disziplinarverfahren eröffnet hat.

Weltverband bestreitet Kuhhandel

Claudia Pechstein hatte am 7. Februar 2009 bei den Mehrkampf-Weltmeisterschaften in Hamar in Norwegen ihren letzten Wettkampf bestritten. Damals informierte der Weltverband ISU Pechstein über ihre auffälligen Blutwerte. Die deutsche Eisschnellläuferin reiste vorzeitig von der WM ab und gab als Begründung an, sie leide an einem Infekt. Pechstein behauptete später, die ISU habe ihr einen "Kuhhandel" angeboten. Zunächst habe sie die Krankheit vorschieben sollen, damit der Verband die Angelegenheit ohne öffentlichen Druck untersuchen könne. Später soll die ISU angeboten haben, den Fall zu verschweigen, falls Pechstein zurücktrete. Der Weltverband bestreitet beides.

Messungen auf eigene Kosten

Eisschnellläuferin Pechstein bei einem Wettkampf auf der Eisbahn. Foto: dpa
Karriereende?Bild: picture-alliance/ dpa

Am 23. Juli sperrte die ISU Pechstein wegen Blutdopings für zwei Jahre bis Februar 2011. Pechstein durfte auch nicht mehr am Training des Nationalteams teilnehmen. Pechstein klagte vor dem Internationalen Sportgerichtshof. Parallel dazu schlug sie vor, sich einem Langzeittest ihrer Blutwerte durch die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA zu unterziehen. Die NADA lehnte dies ab. Eine lückenlose Überwachung über einen längeren Zeitraum sei nicht zu realisieren. Im Oktober legte Pechstein Messungen ihrer Blutwerte durch ein Berliner Labor vor, die sie auf eigene Kosten veranlasst hatte. Die Ergebnisse wertete sie als klare Indizien für ihre Unschuld. Der Sportgerichtshof verschob mehrmals den Termin der Urteilsverkündung und lehnte Eilanträge Pechsteins ab, die damit ihren Start bei den ersten Weltcuprennen der Saison erreichen wollte.

Die Mehrheit der Deutschen glaubt übrigens an Pechsteins Unschuld. In einer repräsentativen Umfrage, die vor dem Urteilsspruch erstellt wurde, sagten knapp 60 Prozent, sie gingen nicht von einem Dopingvergehen der fünffachen Olympiasiegerin aus. 33 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass Pechstein zu unerlaubten Mitteln gegriffen habe.

Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Joachim Falkenhagen