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Paul Bonatz und der Bahnhof in Stuttgart

28. Januar 2011

Im Grunde hat sich kaum jemand mehr für ihn interessiert: Paul Bonatz, den Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Dann aber kamen teure Umbaupläne und heftige Proteste - und plötzlich ist er wieder interessant.

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Paul Bonatz in seinem Sommerhaus in Kornau, Allgäu, um 1937 (Foto: DAM)
Paul Bonatz (um 1937)Bild: DAM

Kaum ein anderes Bauwerk hat Deutschland zuletzt so beschäftigt wie der Stuttgarter Hauptbahnhof. Der bisherige Kopfbahnhof soll in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden - ein Milliardenprojekt, gegen das die Bürger heftig protestierten. "Stuttgart 21" - kurz "S 21" - ist zu einem Reizwort geworden und unfreiwillig eine gute Werbung für das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main. Dort werden derzeit die Werke von Paul Bonatz gezeigt, dem Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

Hauptbahnhof in Stuttgart (Foto: DAM)
Noch steht er: der Stuttgarter Hauptbahnhof im Jahre 2010Bild: Rose Hajdu

Plötzlich wieder im Rampenlicht

Der im Jahr 1928 vollendete Stuttgarter Hauptbahnhof war schon damals umstritten. Für die einen war er der moderne Bahnhof schlechthin, für die anderen Ausdruck eines übertriebenen Monumentalismus und viel zu funktional. Für Ausstellungs-Kurator Wolfgang Voigt ist der Stuttgarter Hauptbahnhof das letzte Exemplar der Gattung "Verkehrskathedrale" - und zugleich der Übergang in die Moderne. "Der Bahnhof ist eine bemerkenswerte kubische Konstruktion aus einzelnen Elementen, die erstens erlauben, dass sich eine hohe Funktionalität ergibt, die dann aber auch eine sehr abgewogene Komposition ergeben." Genau das sei moderne Architektur, sagt Kurator Voigt.

Reichsautobahnbrücke über die Lahn bei Limburg (Foto: DAM)
Reichsautobahnbrücke bei Limburg (1938-40)Bild: DAM

Paul Bonatz war aber nicht nur wegen seines Werkes umstritten. War er anfänglich ein Kritiker der Nationalsozialisten gewesen, kooperierte er später mit ihnen, indem er mehr als 20 Brücken für die "Reichsautobahnen" baute. 1944 schließlich emigrierte er in die Türkei, wo er als Architekt und Hochschullehrer arbeitete. In den vergangenen Jahrzehnten war Bonatz dann fast vergessen. Erst der erbitterte Streit um "Stuttgart 21" hat den Bahnhofs-Baumeister plötzlich wieder ins Rampenlicht katapultiert. Dass die Ausstellungsmacher ihn wieder entdeckt hätten, sei reiner Zufall gewesen und lange vor den Protesten um "Stuttgart 21" geplant, so der Kurator. Für das Deutsche Architekturmuseum aber ist es nun Zufall und Glücksfall zugleich, dass Bonatz' Hauptwerk im Moment in aller Munde ist. Wolfgang Voigt jedenfalls freute sich am Eröffnungsabend über die ungewöhnlich vielen Besucher: "So rammelvoll war unser Haus schon lange nicht mehr."

Aktueller Streit steht nicht im Mittelpunkt

Staatsoper in Ankara (Foto: DAM)
Die Staatsoper in Ankara (1947-48)Bild: DAM

Die Ausstellung mit dem Titel "Paul Bonatz 1877-1956 Leben und Bauen zwischen Neckar und Bosporus" will aber nicht den aktuellen Streit um sein wohl berühmtestes Bauwerk in den Fokus stellen, sondern das vielfältige Werk des Architekten. Über 300 Exponate sind in der Bonatz-Schau zu sehen, darunter Originalzeichnungen und Modelle von Brücken und technischen Bauten sowie ein Holzmodell des Opernhauses in Ankara, das Bonatz entworfen hat. Ausstellungsmacher Voigt will das ganze Werk des Architekten vor dem Publikum ausbreiten.

Dennoch kommen viele Besucher gerade wegen der jüngsten Berühmtheit von Bonatz' Bahnhofsbau. "Ehrlich gesagt, war das der Grund, warum ich in die Ausstellung gegangen bin, weil ich vorher mit dem Namen nichts anfangen konnte", sagt ein Besucher. Die meisten aber sind ganz beeindruckt, wie vielseitig sein Schaffen ist. "Das geht ja von dem Opernhaus in der Türkei über die Autobahnbrücken bis hin zu dem Bahnhof. Ich find's toll." Wie immer es in Stuttgart weitergeht - ohne die Diskussion dort hätte die Schau, die noch bis zum 20. März zu sehen ist, wohl deutlich weniger Besucher gehabt.

Autorin: Bianca von der Au

Redaktion: Petra Lambeck