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Patt in Kiel

Jens Thurau 18. März 2005

Der 17. März 2005 war der schwärzeste Tag in der politischen Karriere von Heide Simonis: Seit zwölf Jahren im Amt, hat sie in vier Wahlgängen ihre Wiederwahl nicht geschafft. Irgendjemand hatte noch eine Rechnung offen.

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Heide Simonis gibt aufBild: DW

Von politischen Erschütterungen und Dramen sprechen Journalisten schnell und gern - dies ist eins: Leichenblass saß Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis im Landtag in Kiel und musste erleben, wie sie politisch zerstört wurde - und auch das ist diesmal keine Übertreibung. Vier Mal stellte sie sich zur Wahl. Vier Mal verweigerte ihr ein Anonymus aus den eigenen Reihen die Zustimmung. Und wenn danach der Tag im Kieler Parlament beendet wurde und die Akteure sich vertagten, dann bedeutet das nicht, dass Heide Simonis noch eine Chance hat.

Rechnung nicht aufgegangen

Die streitbare und angriffslustige Kieler Regierungschefin hat sich verspekuliert, in einem Ausmaß, wie es gewaltiger nicht sein könnte. Ihre Minderheitenregierung mit den Grünen und unter Duldung des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) war fragil von Anfang an, jetzt ist sie implodiert, bevor sie starten konnte. Beschädigt sind neben der SPD die Grünen und der tapfere SSW, der alle Anfeindungen der Art aushielt, eine kleine Minderheitenpartei der Dänen und Friesen dürfe nicht Zünglein an der Waage spielen in einem deutschen Bundesland - und der jetzt im Stich gelassen wurde.

Eigentlich wollte die rot-grüne Landesregierung nach der letzten Landtagswahl trotz fehlender Mehrheit an der Macht bleiben, und zwar dank einer Tolerierung durch den SSW, der vor allem die in Schleswig-Holstein lebenden dänisch-stämmigen Deutschen vertritt. Rechnerisch verfügen Rot-Grün und der SSW mit 35 Stimmen über eine Mehrheit gegenüber den 34 Stimmen von CDU und FDP.

Auswirkungen auf Bundespolitik

Was auch immer nun in Kiel geschieht - am wahrscheinlichsten ist eine Große Koalition unter Führung der CDU und ohne Heide Simonis -, der Schatten auf die Bundespolitik ist groß. Nur noch in einem Land regiert jetzt Rot-Grün, in Nordrhein-Westfalen, und dort dürften seit der Katastrophe von Kiel endgültig die Nerven blank liegen. Die Umfragewerte sind niedrig, die Arbeitslosenzahlen hoch, die Stimmung schlecht - und in Kiel wird vorgelebt, dass man sich in schwerer See auf die eigenen Leute eben nicht verlassen kann.

Sichtlich erschüttert wirkte Gerhard Schröder in Berlin, als er seine Betroffenheit über die Kieler Ereignisse schilderte. Dazu hat er allen Grund. Es steht schlecht um Rot-Grün in Berlin und in Düsseldorf. In Kiel ist dieses Bündnis eigentlich schon vorbei. Und das alles trifft den Bundeskanzler in einer Zeit, da er den vielleicht letzten Kraftakt unternimmt, zusammen mit der Union den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit zu bestehen. Von einem schwarzen Tag für die SPD im hohen Norden sprachen sie in Kiel - schon möglich, dass es auch ein schwarzer Tag für Gerhard Schröder war.