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Patriotische Gefühle zur WM

Golrokh Esmaili26. Mai 2006

Iran ist eine fußballverrückte Nation. Klar, dass da die Vorfreude auf die Fußball-WM riesig ist. Die im Ausland lebenden Iraner bereiten sich auf das Großereignis in Deutschland ganz unterschiedlich vor.

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Mindestens so fußballverrückt, wie die Brasilianer - Iranische FußballfansBild: AP

Aus seinem Lädchen in der Neumarktpassage beobachtet Morteza Sedaghat die vorbeilaufenden Passanten. Während die einen hastig vorübereilen, bleiben die anderen staunend am Schaufenster stehen und bewundern die Auslage. Seit sieben Jahren verkauft er Scherzartikel, Postkarten, Lampen und andere Dekorationssachen. Dieses Jahr –dem Jahr der Fußball-WM – hat er sein übliches Sortiment weggeräumt und Platz geschaffen. Neben Deutschlandtrikots und -fahnen verkauft er jetzt brasilianische und italienische Fanartikel: "Die werden auch von Deutschen gekauft", sagt Sedaghat.

Er selbst ist seit drei Jahren Deutscher, aber während der WM, da schlägt sein Herz ganz klar für den Iran. Wie bei vielen Iranern, die im Ausland leben, keimen auch bei ihm zur WM wieder patriotische Gefühle auf. Und so wird er mitfiebern, Spiel für Spiel - ohne Rücksicht auf Verluste. "Wenn der Iran spielt, mach' ich meinen Laden zu," sagt er.

Gemeinsam WM schauen

WM 2006: Mannschaften: Iran
Trainieren für den Erfolg: viele Iraner in Deutschland drücken ihrem Team die DaumenBild: AP

Auch Nasser Rassouli lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Seit einigen Jahren betreibt er einen Kiosk in Köln. Er wird seinen Laden mit dem programmatischen Namen "Immer Da" während der Spiele nicht schließen. Im Gegenteil.

Gerade hat er sich einen Bildschirm in einem Fachgeschäft angeschaut. Für die Fußball-Weltmeisterschaft richtet er extra eine WM-Ecke im "Immer da" ein. "So, dass man bei uns die Möglichkeit hat, die Spiele zu sehen." Auch sein Herz schlägt für den Iran. Als Geschäftsmann jedoch will er, dass Deutschland gewinnt. Wegen des Umsatzes.

Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen

Frauenfußball im Iran
Irans Damen haben die islamischen Frauenspiele gewonnenBild: AP

Die iranische Nationalmannschaft steht wegen des jüngsten Streits um das Atomprogramm besonders im Blickpunkt der ausländischen Öffentlichkeit. Wenn die Fußballer aus Persien Anfang Juni nach Friedrichshafen am Bodensee kommen, werden spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Politiker fordern, aus dem Iran einreisende Fans "genauestens unter die Lupe zu nehmen". Die Frage ist nur: welche Fans? Zwar gelten die Iraner als fußballverrückte Nation, aber leider fehlt gerade den treuesten Fans das Geld, um sich ein Ticket leisten zu können. Das liegt daran, dass sich der iranische Fußballverband die Exklusivrechte der WM-Tickets gesichert hat. Und der verkauft die Tickets nur im Rahmen eines Pakets: Karten, Visa, Versicherung, Flug, Hotel, Transport und Fan-Artikel zum Preis von umgerechnet 4.400 Euro. Für viele ist das mehr als ein Jahresgehalt. Bisher sind kaum mehr als zehn Prozent des iranischen Kontingents verkauft worden. Jetzt plant der iranische Fußballverband, Tickets stattdessen an Auslandsiraner zu verkaufen.

Iran WM Fußball Fans in Teheran mit Flagge
Weiblichen Fußballfans im Iran bleibt der Zugang zu den Stadien verwehrtBild: AP

Morteza Sedaghat würde sich sofort ein Ticket kaufen. Aber nicht zu den Preisen. Gedankenverloren schaut er sich in seinem Laden um. Dabei bleibt sein Blick auf einer Hawaiikette mit den Farben der italienischen Flagge hängen "Die würd' ich bei einem Spiel tragen." Grün, Weiß, Rot - die Farben der italienischen und der iranischen Flagge sind gleich.

"Das Wunder von Bern gab es ja auch"

Der Iran ist mindestens so fußballvernarrt wie Brasilien. Neben dem Ringkampf ist Fußball die Sportart Nummer Eins. Amir Reza Karimi, Taxifahrer und Exil-Iraner, sieht für das iranische Volk im Fußball eine Möglichkeit, aus dem Alltag auszubrechen: "Außer Sport haben die Iraner keine Freizeitaktivitäten mehr. Und mit der WM öffnet sich eine Tür zum Westen. Sie fühlen sich integriert."

Während er auf seine nächste Fahrt wartet, diskutieren er und seine Kollegen darüber, wer Weltmeister werden könnte. Einer der Männer sagt: "Möge der Bessere gewinnen. Am Ende wird das sowieso wieder Brasilien sein." An einen Sieg der Iraner glaubt er nicht. "Aber das Wunder von Bern gab es ja auch."