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Patentlösung nicht gefunden

Peter Philipp17. Oktober 2003

Nach langem und zähem Ringen haben am Donnerstag (16.10.) alle Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dem US-Entwurf einer neuen Irak-Resolution zugestimmt. Damit wurde der Schein der Eintracht gewahrt.

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Der entscheidende Durchbruch war kurz zuvor in einem Telefongespräch zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin gelungen. Die drei einigten sich darauf, trotz aller Vorbehalte dem Entwurf der USA zuzustimmen. Militärische Unterstützung gebe es jedoch nicht, auch wolle man die zugesagten finanziellen Beiträge nicht erhöhen, so Schröder nach dem Gespräch. Wie ist die neue Irak-Resolution zu bewerten?

Da hat man nun wochenlang gestritten und gerungen - und mit einem Mal scheint die Lösung gefunden. Wie sonst hätte der UN-Sicherheitsrat einstimmig einer Resolution zum Thema Irak zustimmen können? Nach dem tiefen Zerwürfnis über den Irak-Krieg zwischen den USA und dem "alten Europa" - wie US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verächtlich schimpfte - scheint der Bruch nun gekittet und alle sind bereit zum gemeinsamen Vorgehen. Zumindest haben alle den Schein gewahrt und erwecken nun den Eindruck, dass es ab jetzt nur noch besser werden kann. Und alle - das sind doch sehr widersprüchliche Parteien: Nicht nur Washington und Berlin, sondern auch die USA auf der einen Seite und Syrien auf der anderen.

Wenn so viel Gegensatz mit einem Schlag in Eintracht umschlägt, dann ist wohl etwas Skepsis angebracht. Das "Ei des Kolumbus" jedenfalls hat man hier nicht gefunden. Denn auf was hat man sich geeinigt? Dass der Irak ein Recht darauf habe, souveräner Staat innerhalb anerkannter Grenzen zu sein, oder dass die Präsenz amerikanischer und britischer Truppen im Zweistromland ebenso von vorübergehender Natur sei wie die Arbeit des von Washington eingesetzten "Regierungsrates".

Als hätte Washington nicht immer schon versichert, dass es "natürlich" nur vorübergehend den Irak kontrollieren wolle, um dort demokratische Strukturen aufzubauen. Wie leicht solches dann später trotzdem zu einer Dauereinrichtung werden kann, das werden die Briten wohl noch sehr genau wissen: Sie gewährten Anfang des 20. Jahrhunderts dem Irak angebliche Unabhängigkeit, blieben aber trotzdem im Land und behielten die Fäden in der Hand.

Aber immerhin - nun ist sogar ein Zeitplan aufgestellt worden: Bis zum 15. Dezember 2003 soll der Regierungsrat ein Konzept über die Einführung einer neuen Verfassung und die Abhaltung von Wahlen vorlegen. Und hinter vorgehaltener Hand heißt es jetzt, bis Ende 2004 werde man wahrscheinlich so weit sein, dass in Bagdad eine frei gewählte demokratische Regierung die Amtsgeschäfte übernimmt. Hinter vorgehaltener Hand? Ja, denn: Sich so etwas offiziell vorzunehmen, erschien denn doch wohl allen zu gewagt.

Bleibt konkret die Frage, wie es jetzt vor Ort weitergeht. Und da hat man beschlossen, dass eine "internationale Streitmacht" unter Führung der USA für Ruhe und Ordnung sorgen solle. Die bisher wichtigsten Kritiker am amerikanischen Vorgehen - Deutschland, Frankreich und Russland - stellen aber fest, dass sie hierfür nicht in Frage kämen. Und auch mehr Geld für den Wiederaufbau des Irak ist von diesen Drei kaum zu erwarten. Die EU hat 200 Millionen Dollar angekündigt, von denen Deutschland etwa ein Viertel aufbringt. Das Weiße Haus meint aber, 100 mal mehr Geld zu brauchen - und gerät damit in Schwierigkeiten mit den eigenen Volksvertretern. Vielleicht sollte ein positives Signal gegeben werden für die Geberkonferenz Ende Oktober 2003 in Madrid. Aber: wenn die "Großen" nicht mehr geben - wer dann?

Schließlich die Vereinten Nationen: Sie sollen ihre "vitale Rolle" im Irak stärken und helfen, den Boden zu bereiten für einen neuen und demokratischen Irak. Generalsekretär Kofi Annan schien verlegen: Nach dem schweren Anschlag auf das Bagdader UN-Hauptquartier scheint solch eine Aufforderung nur noch leeren Worten gleichzukommen.

Bei allen Zweifeln muss man aber bilanzieren, dass es der Sache sicher dienlich sein wird, dass man sich wenigstens endlich einmal auf eine gemeinsame Linie geeinigt hat.