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Patentes Schneckentempo

Thilo Guschas12. April 2004

In der globalisierten Welt werden internationale Patente immer wichtiger, um geistiges Eigentum zu sichern. Anlaufstelle in Europa ist das Europäische Patentamt in München. Dessen Mühlen mahlen jedoch sehr langsam.

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Erfinder des Grammophons: Emil BerlinerBild: dpa

Frank Kurtz ist Erfinder. Zur Demonstration seines geistigen Kindes pfeift er eine kurze Melodie in ein Mikrofon, das an einen Computer angeschlossen ist. Einen Bruchteil einer Sekunde später hat der Computer die Melodie identifiziert. Der Rechner stellt sie in Notenschrift auf dem Bildschirm dar und spielt sie nach. Dann durchkämmt der Rechner seine Datenbanken, in denen Lieder und symphonische Werke gespeichert sind. Er forscht nach Stücken, in denen die gepfiffene Tonfolge vorkommt. Nach kurzer Zeit listet er zwei Titel auf: Das deutsche Kinderlied "Alle meine Entchen" und den Pop-Song "Candle in the Wind" von Elton John.

Gefahr für Erfinder

Ein solches System, mit dem man durch ein einfaches Pfeifen Musiktitel recherchieren kann, könnte sich kommerziell hervorragend vermarkten lassen. Davon sind seine Erfinder, der Informatiker Frank Kurth von der Universität Bonn und sein Kollege überzeugt. Ihre Erfindung lasse sich sogar erweitern und zur Identifikation von Radiomusik verwenden. "Wenn man da sein Mobilfunkgerät vor den Lautsprecher hält", erklärt Kurth, "dann könnte man durch das Handy das Musikstück aufnehmen lassen, dann übertragen zu einem Dienstleistungs-Anbieter, und der Dienstleistungs-Anbieter könnte dann sagen: 'Dabei handelt es sich um ein Stück von Elvis Presley'."

Europäisches Patentamt Logo
Europäisches Patentamt Logo

Doch wie bei allen Erfindungen besteht die Gefahr, dass ein unerwünschter Nachahmer die Idee der beiden auf den Markt bringt und dafür abkassiert. Um die Musik-Erkennungs-Maschine davor zu schützen, haben sich die beiden Forscher an das Europäische Patentamt (EPA) gewendet, um sich ihre Idee international patentieren lassen.

Drei Hürden

Das EPA stellt zuerst fest, ob die neue Technik der beiden Bonner Erfinder, auch im Sinne des Patentrechts eine Erfindung sein kann. Dazu muss sie erstens neu sein. Und zweitens darf die erfinderische Tätigkeit nicht offensichtlich sein. Rainer Osterwald vom EPA erläutert, was das bedeutet: "Also, wenn ich Fachmann bin und schon ein gewisses Vorwissen habe, dann darf ich nicht einfach eins und eins zusammenzählen müssen." Und drittens die Frage: Ist die Erfindung gewerblich anwendbar? Diese drei Punkte müssen erfüllt sein.

Die Kernidee ist, dass das Europäische Patentamt eine internationale Patentanmeldung erleichtert. Erfinder müssen nicht mehr mühsam in jedem einzelnen Land mit den dortigen Patentämtern verhandeln.

28 Mitglieder

Gegründet wurde die Behörde 1977 in München, wo sie ihren Hauptsitz hat. Zuvor hatten sich 21 europäische Staaten geeinigt, das grenzübergreifende Projekt anzugehen. Obwohl es sich hierbei also um einen Zusammenschluss europäischer Staaten handelt, ist das EPA dennoch keine Einrichtung der Europäischen Union. ...... Auch Staaten wie die Schweiz und die Türkei, die nicht in der EU sind, gehören zu den mittlerweile 28 Mitgliedsstaaten.

Wer ein Patent anmeldet, kann wählen: Entweder lässt er sein Patent für eines oder mehrere der 28 europäischen Mitgliedsstaaten gelten. Oder aber er wählt ein Patent mit globaler Reichweite, das bis zu 120 Länder umfasst. Dies ist natürlich wesentlich teurer und wird vor allem für Pharma-Produkte beantragt.

Sprachbarrieren

Doch auch wenn das EPA eine internationale Patentmeldung erheblich erleichtert - langwierig bleibt sie doch. Je nach dem, wie komplex die Erfindung ist, braucht die Behörde mitunter jahrelang, bis sie eine Erfindung geprüft hat. Besonders aufwändig ist dabei, dass die Beschreibung des Patents in jedem einzelnen Staat, für den es gelten soll, in die jeweilige Landessprache übersetzt werden muss.

"Unterstellen wir mal, Sie wollen das Patent auch in Deutschland sichern lassen", erklärt Rainer, "dann geht eine Übersetzung Ihrer Patentschrift an das deutsche Patentamt in deutscher Sprache, oder wenn Sie es in Frankreich haben, müssen Sie eine französische Übersetzung machen, und müssen es dann beim französischen Patentamt hinterlegen, in Italien auf Italienisch beim italienischen, und so weiter und so fort."

Optimismus

Frank Kurth und sein Erfinder-Kollege Michael Clausen haben ihre Musik-Erkennungs-Maschine bereits vor drei Jahren bei der EPA als Patent eingereicht. An die Übersetzung in mehrere Sprachen ist derzeit noch immer nicht zu denken - das Verfahren ist noch in der Prüfung. Doch Frank Kurth ist geduldig; er hofft, dass es sich schätzungsweise um anderthalb Jahre handeln wird, bis das Patent dann erteilt wird.

Bis dahin wird den beiden Erfindern diese Zeit sicher nicht allzu lang - musikalische Unterhaltung haben sie ja.