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Partnerschaft noch mit Fragezeichen

Ingo Mannteufel15. April 2005

Die Industriemesse in Hannover mit Russland als wichtigster Gastnation ist zu Ende. Es war eine Woche der vielen guten Nachrichten für die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Doch nicht nur, meint Ingo Mannteufel.

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Die Hannover Messe ist am Freitag (15.4.2005) mit einem kräftigen Besucherplus zu Ende gegangen. Das lag wahrscheinlich auch am diesjährigen Partnerland: Russland. Fraglos kann man mit Russland gegenwärtig gute Geschäfte machen. Die Petrodollar treiben die russische Wirtschaft voran. Nach Jahren des Niedergangs besteht immenser Investitionsbedarf in der russischen Industrie. Deutsche und russische Unternehmen - Gasprom, BASF, Siemens, Russische Eisenbahnen und andere - konnten deshalb in Hannover Projekte in Milliardenhöhe auf den Weg bringen.

Geschäfte und Partnerschaft

Das freut zu Recht einen angeschlagenen deutschen Regierungschef, der mit allen Möglichkeiten versucht, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Verständlich ist auch, dass er die deutsch-russischen Wirtschaftsvereinbarungen als historisch bezeichnet. Wer wünscht sich denn nicht 60 Jahre nach dem von Deutschen verursachten Zweiten Weltkrieg eine enge Freundschaft zwischen den beiden Völkern?

Jedoch: Gerade wer an einer echten und langfristigen Partnerschaft zwischen Deutschen und Russen interessiert ist, sollte sich nicht in Sicherheit wiegen. Eine deutsch-russische Freundschaft entsteht nicht automatisch, nur weil man gemeinsam gute Geschäfte macht. Erst recht nicht in einer globalisierten Welt mit freiem Kapital und transnationalen Unternehmen. Deutsche Geschäftsleute sind jetzt in Russland aktiv, weil sie schnellen Gewinn wittern. Doch genauso wie sie jetzt gekommen sind, können sie Russland wieder verlassen. Was dann von einer deutsch-russischen Partnerschaft bliebe, ist offen.

Schlechte Nachrichten

Deutsche Unternehmen brauchen für ein langfristiges Engagement das, was sich auch russische Unternehmen und erst recht russische Bürger wünschen: einen Rechtstaat mit einer unabhängigen Justiz, eine verlässliche Steuer- und Wirtschaftsgesetzgebung, eine unbestechliche, weltoffene und zügig arbeitende Verwaltung.

Dazu hat es in dieser Woche auch einige - weniger erfreuliche - Nachrichten gegeben: Die überraschend gestiegene Steuernachforderung gegen den britisch-russischen Ölkonzern TNK-BP in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar allein für das Jahr 2001. Die Klagen russischer Großunternehmer auf dem Russischen Wirtschaftsforum in London über die unsicheren Investitionsbedingungen und die Sorge vor Verstaatlichungen. Die nationalistisch-protektionistisch motivierte Absage an Siemens, den Konzern Power Machines zu erwerben. Den kann nun Russlands Aluminium-König Oleg Deripaska günstig übernehmen. Vergessen werden darf auch nicht die noch laufende Affäre um Yukos und Michail Chodorkowski. Deutsche Unternehmer schweigen lieber öffentlich über diese schlechten Nachrichten. Doch sie beobachten diese Entwicklungen sehr genau und setzen dann ihre Geschäftsentscheidungen im Stillen um.

Demokratie und freie Marktwirtschaft

Eine langfristige wirtschaftliche Modernisierung Russlands ist ohne die Entwicklung einer freien Zivilgesellschaft, freien Medien und einer liberalen - im Unterschied zu einer "gelenkten" - Demokratie nicht möglich. Demokratie und freie Marktwirtschaft sind zwei Seiten derselben Medaille, und wiederum nur auf gemeinsamen Werten und Grundüberzeugungen lässt sich eine Partnerschaft aufbauen.

Wer sich schon darüber freut, dass auch Deutsche und Russen in der heutigen Welt gemeinsame Geschäfte machen können, kann mit dieser Woche zufrieden sein. Wer sich eine echte deutsch-russische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert wünscht, kann es noch nicht sein.