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Parteienstreit über längeren Ausnahmezustand

19. Juli 2016

Seit acht Monaten gilt in Frankreich der Ausnahmezustand. Nach dem Terroranschlag von Nizza wird er sehr wahrscheinlich ausgeweitet. Allerdings zanken Regierungs- und Oppositionslager, wie lange die Maßnahme gelten soll.

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Französische Spezialeinheiten der Polizei im Einsatz in Paris (Foto: AFP)
Spezialeinheiten der französischen Polizei im Einsatz in ParisBild: Gety Images/AFP/G. van Hasselt

Die französische Regierung hat mit Blick auf den Anschlag von Nizza wie angekündigt die Verlängerung des Ausnahmezustands auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss eine Vorlage, die vorsieht, den bis zum 26. Juli befristeten Ausnahmezustand um drei weitere Monate verlängern. Präsident François Hollande sagte, es werde im Rahmen des Rechtsstaats alles getan, um die Franzosen zu beschützen. Das Parlament muss der Verlängerung noch zustimmen. In der Nationalversammlung sollten die Beratungen bereits an diesem Dienstag beginnen. Im Senat, der von der Opposition dominiert wird, steht das Thema am Mittwoch auf der Tagesordnung.

Der französische Premierminister Valls (links) mit Innenminister Cazeneuve nach Kabinettssitzung in Paris (Foto: AFP)
Das Kabinett von Premierminister Manuel Valls (vorne links) hat der Verlängerung bereits zugestimmtBild: Getty Images/AFP/B. Guay

Allerdings fordert die konservative Opposition, den Ausnahmezustand sogar um sechs Monate auszudehnen. Justizminister Jean-Jacques Urvoas zeigte sich im Radiosender Europe 1 offen für das Ansinnen der Partei "Die Republikaner" des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy. Auch Regierungssprecher Stéphane Le Foll sagte, eine Einigung sei möglich.

Vierte Verlängerung?

Hollande hatte die Verlängerung nach dem Attentat von Nizza mit 84 Toten bereits angekündigt. Am Nationalfeiertag am 14. Juli hatte er noch gesagt, der Ausnahmezustand solle Ende Juli auslaufen. Der Ausnahmezustand war nach den Pariser Terroranschlägen vom 13. November verhängt und seitdem dreimal verlängert worden, zuletzt mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft und das Radrennen Tour de France.

Anders als bei der letzten Verlängerung vor zwei Monaten soll diesmal auch wieder die Möglichkeit geschaffen werden, Hausdurchsuchungen ohne Richterbeschluss anzuordnen. Zudem sollen Ermittler unter dem Notstandsrecht Computer und Telefone der Verdächtigen auswerten dürfen. Dies war früher bereits so vorgesehen, der Verfassungsrat hatte die Möglichkeit im Februar mangels ausreichender rechtlicher Garantien für die Betroffenen aber für ungültig erklärt. Le Foll versicherte nun jedoch, die Anforderungen der Verfassungswächter seien inzwischen erfüllt.

Der Ausnahmezustand ermöglicht außerdem Ausgangssperren, Versammlungsverbote, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss auch in der Nacht und Hausarrest für Menschen, die als Gefahr für die Sicherheit und öffentliche Ordnung angesehen werden. Bürgerrechtsorganisationen hatten die Sonderrechte wiederholt kritisiert und deren Nutzen angezweifelt. Vor allem die Grünen erheben Bedenken gegen die Einschränkung der individuellen Freiheitsrechte.

Der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel hatte am Donnerstag voriger Woche einen Lastwagen in eine Menschenmenge in Nizza gelenkt und 84 Menschen getötet. Nach Angaben der Behörden hatte der Mann sich in kurzer Zeit radikalisiert und den Anschlag über mehrere Tage vorbereitet. Die Ermittler fanden Hinweise auf sein "unbestreitbares Interesse" an der dschihadistischen Bewegung.

Republikaner in der Offensive

Das politische Klima in Frankreich ist angespannt. Nach der Terrorattacke am Nationalfeiertag wirft die Opposition der Regierung vor, nicht genug gegen den Terror getan zu haben. Nach Ansicht der Republikaner und des rechtspopulistischen Front National schöpft die Regierung die Möglichkeiten des Ausnahmezustands nicht hinreichend aus. Am schärfsten äußerte sich der republikanische Abgeordnete Georges Fenech, der die parlamentarische Untersuchung zu den Anschlägen vom November geleitet hat. "Der Ausnahmezustand löst nichts. Er beruhigt, das ist alles", sagte er nach den Anschlägen von Nizza. Fenech fordert zudem einen Umbau der Geheimdienste.

kle/djo (afp, dpa)