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Politik

Wahlen ohne Wahlplakate in Albanien

Pandeli Pani z.Z. Tirana
23. Juni 2017

Am Wochenende wählen die Albaner ein neues Parlament, doch Bilder mit den Kandidaten sind auf den Straßen nicht zu sehen. Stattdessen schmücken Plakate mit dem Wunsch "Frohen Ramadan" den Hauptboulevard Tiranas.

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Albanien Tirana Parlamentswahlen
Keine Fahnen, kein Geschrei: Die friedlichen Teilnehmer einer Abschlusskundgebung der Sozialistischen Partei in Tirana Bild: DW/P. Pani

Wenn man das ständige Hupen der Autos und den Verkehrslärm ignoriert, ist es fast still auf den Straßen und Plätzen in Tirana. Kaum etwas deutet auf die Wahlen am Sonntag: Keine Wahlplakate, keine lauten Wahlveranstaltungen, kaum aggressive Kampftiraden oder Beschimpfungen der politischen Gegner. Auch in den vollen Cafes hört man keine hitzigen Diskussionen zwischen Wählern, die traditionell zu den Anhängern der Sozialistischen Partei (PS) oder der Demokratischen Partei (PD) gehören. Solche Streitgespräche endeten in Albanien früher manchmal in Handgreiflichkeiten und sogar Körperverletzung oder Mord.

Bis Mitte Mai sah alles ganz anders aus. Durch ihre Blockadehaltung hatten die PD-Abgeordneten das politische Leben in Albanien fast lahmgelegt: Sie boykottierten seit Februar das Parlament und ließen sich nicht für die Wahl registrieren. Mitten auf dem zentralen Boulevard in Tirana hatte die PD ein Protestzelt aufgestellt: Von dort aus beschallten PD-Politiker und ihre Anhänger aus meterhohen Lautsprechern den Amtssitz des albanischen Premiers, andere Regierungsgebäude und die ganze sechsspurige Hauptstraße bis spätabends mit aggressiven Reden und lauter Musik.       

Nur durch den Druck und die Vermittlung von Vertretern der EU und des US-Außenministeriums kam es zu einem Gespräch zwischen den Vorsitzenden der PS und der rivalisierenden PD. Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel forderte die PD bei seinem Besuch in Tirana Mitte April auf, den Parlamentsboykott zu beenden.

Premier Edi Rama und PD-Chef Lulzim Basha vereinbarten im Mai die Bildung einer parteiübergreifenden Übergangsregierung, in der die Opposition das Amt des stellvertretenden Regierungschefs sowie vier wichtige Ministerien übernahm, und eine Reihe anderer Maßnahmen, die faire Wahlen garantieren sollen. 

Albanien: Ein Dorf am Ende der Welt

Populistische Wahlversprechen

Als machtbewusste, aber sich kaum voneinander unterscheidende Politclans haben die Sozialisten und die Demokraten Albanien in den letzten beiden Jahrzehnten abwechselnd regiert - mit Hilfe der kleinen LSI (Sozialistische Bewegung für Integration) als Mehrheitsbeschafferin.

Nun wollen die beiden großen Parteien PS und PD allein regieren - ohne die LSI als Königsmacherin. Premier Rama sagte, er möchte der Steuermann sein, der Albanien in die EU führt. Er wolle auf seinem Schoß "keine launischen Kinder" (eine Anspielung auf die LSI), die ihn hindern würden, das Ruder so zu steuern, wie er es möchte. Auch der PD-Vorsitzende Basha bezeichnete die LSI als "den Kaufmann von Venedig", der "politische Schmutzgeschäfte macht".

Nicht nur der Angriff auf den früheren Koalitionspartner verbindet die beiden großen Parteien in diesen Tagen. Es gibt Übereinstimmungen in vielen populistischen, nicht realisierbaren Wahlversprechen: Steuersenkungen, rascher Wirtschaftsaufschwung, Kampf gegen die Korruption und die Cannabis-Produktion. Und natürlich auch bei ihrem wiederholten Versprechen einer politischen Ausrichtung Albaniens in Richtung EU und Westen. 

Verstrickungen der Politik

Albanien werde in Brüssel vor allem daran gemessen, ob die bereits im vergangenen Sommer vom Parlament beschlossene Justizreform nun auch endlich umgesetzt werde, sagt Romana Vlahutin, EU-Botschafterin in Albanien, im DW-Interview. Ein schwieriges Unterfangen, denn viele Staatsbedienstete im Justizbereich gelten als korrupt und haben sich ihre Posten mit Schmiergeldern erkauft. Und in dieses Geflecht aus Korruption und Bestechlichkeit der Justiz ist auch die Politik tief verstrickt.

Albanien Tirana Parlamentswahlen
Bis Mitte Mai stand hier, auf dem zentralen Boulevard in Tirana, ein Protestzelt der oppositionellen Demokratischen Partei Bild: DW/P. Pani

Ein erster Schritt dieser Justizreform war vergangene Woche die Einrichtung einer unabhängigen Kommission, die die rund 800 Richter und Staatsanwälte des Landes auf ihre fachliche und persönliche Eignung hin prüfen soll. Auch wurde neulich ein "Entkriminalisierungsgesetz" für Vertreter der Politik und Öffentlichkeit verabschiedet: Dadurch haben einige ehemalige Abgeordnete und andere Personen ihre Kandidaturen zurückgezogen, weil sie verschiedener Delikte verdächtigt werden oder bereits mehrfach vorbestraft sind. Dennoch, sagt Afrim Krasniqi, Direktor eines unabhängigen Instituts für politische Studien in Tirana, kandidieren an deren Stelle Familienmitglieder oder andere Verwandte.   

Der Publizist und ehemalige Außenminister in der PD-Regierung zwischen 2005 und 2007, Besnik Mustafaj, glaubt nicht, dass eine große Koalition zwischen PS und PD ein Hoffnungsträger für Albanien sein würde. Doch egal, ob am Sonntag der Favorit Edi Rama oder Außenseiter Lulzim Basha triumphiert, egal, ob es danach zu einer großen Koalition oder dem erneuten Regierungseintritt der LSI als Mehrheitsbeschafferin kommen sollte: Der politische Weg kann nur in die EU führen. Weil die EU-Perspektive das Einzige ist, was die zerstrittenen Parteien - langfristig - gemeinsam haben.