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Milliarden-Zocker festgenommen

26. Januar 2008

Die Polizei hat den Börsenhändler der Bank Societe Generale festgenommen, der für Verluste in Höhe von fast fünf Milliarden Euro verantwortlich sein soll. Jerome K. wird nun zu den betrügerischen Geschäften verhört.

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Durchsuchung von K.s Wohnung, Quelle: AP
Durchsuchung von K.s WohnungBild: AP

In Zusammenhang mit dem Großbetrug bei der Societe Generale hat die französische Finanzpolizei den Milliarden-Zocker Jerome K. vorläufig festgenommen. Der 31-Jährige sei in Gewahrsam, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Samstag (26.01.2008) aus Justizkreisen in Paris. Am Vortag waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Hauptsitz von Societe Generale in Paris sowie die Wohnung von K. durchsucht worden, der bei eigenmächtigen Finanzgeschäften einen Verlust von 4,9 Milliarden Euro verursacht haben soll.

Durchsuchung der Wohnung

Filiale der Societe Generale in Paris, Quelle: AP
Filiale der Societe Generale in ParisBild: AP

Die Ermittler können Ex-Broker nun mindestens 24 Stunden, auf Veranlassung eines Staatsanwalts sogar bis zu 48 Stunden festhalten und ihn ohne Beisein eines Anwalts befragen. Zuvor hatte ein Großaufgebot von Sicherheitskräften am Sitz der Finanzpolizei in Paris eine einfahrende Wagenkolonne von Journalisten abgeschirmt. Die Anwältin des Händlers hatte betont, dass K. nicht auf der Flucht sei, sondern der Justiz zur Verfügung stehe.

Am Freitagnachmittag hatten die Ermittler laut Staatsanwaltschaft bereits die Wohnung K.s im Pariser Nobel-Vorort Neuilly-Sur-Seine durchsucht und sie laut Augenzeugen mit mehreren Koffern verlassen. K. hatte sich dort nach Angaben der Nachbarn seit mehreren Wochen nicht mehr blicken lassen. Eine Durchsuchung in der Zentrale von Societe Generale am Freitag habe das Ziel gehabt, K.s dortigen Computer sicherzustellen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Den Ermittlern seien freiwillig "einige für die Untersuchung wichtige Gegenstände" übergeben worden. Eine Sprecherin der Bank bestätigte die Durchsuchung, nannte jedoch keine Einzelheiten.

Kann er allein gehandelt haben?

Die Aufdeckung des Skandals hatte ein Beben ausgelöst und die Frage aufgeworfen, ob der Broker tatsächlich ganz allein gehandelt hatte – in Finanzkreisen wurden Zweifel daran laut. Nach Angaben der SG hat er sich durch seine betrügerischen Geschäfte vermutlich nicht persönlich bereichert. Einige Analysten spekulierten außerdem, die SG habe den Zwischenfall mit ihrem Handeln noch verschlimmert.

Um Fassung bemüht: SG-Chef Daniel Bouton, Quelle: AP
Um Fassung bemüht: SG-Chef Daniel BoutonBild: AP

Société Générale-Chef Daniel Bouton betonte in der Zeitung "Le Figaro" (Samstagsausgabe), die Milliardenverluste seien nicht durch eine verfehlte Unternehmensstrategie verursacht worden. "Es ist mehr wie ein unbeabsichtigtes Feuer, das eine große Fabrik einer Industriegruppe zerstört", sagte er. Zugleich wies Bouton den Vorwurf zurück, seine Bank habe den Skandal vertuschen wollen, sowie die Spekulation, die Krise seiner Bank habe zur Zinssenkung der US-Notenbank geführt.

Die hochriskanten Geschäfte seien am 18. Januar vom System der SG entdeckt worden, so Bouton weiter. Am 20. Januar sei das Management über das gesamte Ausmaß des Problems informiert worden. Als einen Tag später die Finanzmärkte in Asien und Europa kollabiert seien, "hatte das einen katastrophalen Effekt".

Handelsvolumen über dem SG-Börsenwert

Der französische Präsidentschaftsberater Raymond Soubie sagte im Fernsehen, K.s Handelsvolumen habe mehr als 50 Milliarden Euro betragen und damit mehr als der derzeitige Börsenwert von Societe Generale von 35,9 Milliarden Euro.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, forderte schärfere interne Kontrollen der Banken. Aus dem Fall in Frankreich und anderen "Betrugsfällen in großem Stil" müsse die Lehre gezogen werden, dass eine Verschärfung der internen Kontrollen eine "absolute Notwendigkeit" sei, sagte Trichet dem französischen Fernsehsender LCI.

Deutsche Bank besorgt

K. soll laut einem "Spiegel"-Bericht auch eine gigantische Wette auf den deutschen Börsenindex Dax aufgebaut haben. Allein bei diesem Geschäft habe er vermutlich rund zwei Milliarden Euro Verlust eingefahren, berichtete das Magazin unter Berufung auf Insider.

Als Reaktion auf das Milliarden-Desaster veranlasste Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann offenbar eine sofortige Überprüfung der internen Sicherheitssysteme seiner Bank. Unmittelbar nachdem er von dem Skandal in Frankreich erfahren habe, habe Ackermann die zuständigen Stellen in seinem Haus angerufen, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". (stu)