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Historischer Wahlsieg

21. April 2008

Der ehemalige Bischof Fernando Lugo hat die 61 Jahre währende Herrschaft der Colorado-Partei beendet und wird neuer Präsident von Paraguay. Lugo trifft auf mächtige, als korrupt geltende Widersacher.

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Wahlsieger Fernando Lugo (Foto: AP)
Wahlsieger Fernando LugoBild: AP
Lugos Anhänger feiern in Asuncion den Wahlsieg (AP Photo/Jorge Saenz)
Lugos Anhänger feiern in Asuncion den WahlsiegBild: AP

Was für eine Blitzkarriere: Er ist gerade mal seit zwei Jahren in der Politik, und doch ist es Fernando Lugo am Sonntag (20.04.2008) gelungen, nach 61 Jahren das Machtmonopol der konservativen Colorado-Partei in Paraguay zu brechen. Fast 30 Jahre lang war der 56-Jährige Priester der katholischen Kirche, Befreiungstheologe, Bischof. Dann gab er sein Amt auf, um nach dem höchsten Staatsamt zu greifen - und siegte.

Nach Auszählung von 13.000 der 14.000 Wahllokale erreichte Lugo 41 Prozent der Stimmen. Regierungskandidatin Blanca Ovelar erhielt 31 Prozent. Auf Platz drei kam der frühere Armeechef Lino Oviedo mit 22 Prozent. Für den Wahlsieg genügte die einfache Stimmenmehrheit.

Feuerwerk und Hupkonzerte

Der scheidende Präsident Nicanor Duarte konnte nach fünfjähriger Amtszeit nicht wiedergewählt werden. Seine Colorado-Partei wird mit Jahrzehnten der Korruption in Verbindung gebracht. Dank eines straffen Parteiapparats und mehrerer hunderttausend loyaler Beamter konnte sie sich so lange an der Macht halten. Ovelar, 50-jährige ehemalige Bildungsministerin, räumte in einer Fernsehansprache ihre Niederlage ein.

"Heute habt ihr an den Wahlurnen gesprochen", sagte Lugo vor mehreren zehntausend Menschen in der Hauptstadt Asunción. "Ihr habt beschlossen, ein freies Paraguay zu sein." Die Anhänger des Oppositionsführers feierten das Ergebnis mit einem Feuerwerk und Hupkonzerten.

Höchste Beteiligung seit dem Ende des Stroessner-Regimes

Mit dem Sieg des "Bischofs der Armen" setzt sich der Trend zu Mitte-Links-Regierungen in Südamerika fort - wie zuvor schon in Venezuela, Bolivien, Ecuador, Brasilien, Argentinien, Chile und Uruguay. Allerdings distanzierte sich Lugo vom venezolanischen Präsidenten. Hugo Chávez sei "ein Mann des Militärs und ich habe einen religiösen Hintergrund", erklärte Lugo. Er vertrat als Bischof von 1994 an die linksgerichtete Theologie der Befreiung und geriet damit in Konflikt mit dem Vatikan. Im Dezember 2006 legte er sein geistliches Amt nieder, weil er sonst nach der Verfassung des Landes nicht für ein politisches Amt hätte kandidieren können.

Lugo warb im Wahlkampf für eine bessere Lebensqualität insbesondere der indigenen Bevölkerung. Er hat nun fünf Jahre Zeit, die grassierende Korruption zu bekämpfen, die Klientelwirtschaft einzudämmen und das verarmte Land zu reformieren. Eine Herausforderung, die von dem freundlichen Mann mit der unauffälligen Nickelbrille und dem graumelierten Haar fast schon ein Wunder verlangt.

Erbitterter Widerstand gegen Reformen erwartet

Dass Lugo Neuling in der Politik und somit unverbraucht ist, nimmt viele Menschen für ihn ein in einem Land, das zu den korruptesten in der Welt zählt. Besonders bei der armen Landbevölkerung ist er beliebt - aber auch in vielen anderen Gesellschaftsschichten verspricht man sich von Lugo einen Neubeginn. Unterstützt wird er nicht umsonst von dem breiten Mitte-links-Bündnis Patriotische Allianz für den Wandel (APC).

Die von Lugo geplante Bodenreform, bei der er dem Heer bettelarmer Kleinbauern Land verschaffen will, wird auf den erbitterten Widerstand der mächtigen und reichen Soja- und Rinderbarone stoßen. Sie bezahlen in ländlichen Regionen die Polizei und sogar das Militär. Und wer zahlt, bestimmt dort die Musik. Bei der angestrebten gerechteren Verteilung der Gewinne aus dem gemeinsam mit Brasilien betriebenen gigantischen Wasserkraftwerk Itaipú stehen Lugo nicht nur das mächtige Brasilien im Wege, sondern auch die Profiteure der bisherigen Veruntreuung eines Teils dieser Gelder in Paraguay. Eine 100-tägige Schonzeit dürfte es daher für Lugo kaum geben - aber wohl auch nicht für seine politischen Widersacher. (mas)