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Panik an Weltmärkten

26. Juni 2002

Der Kursrutsch an den internationalen Börsen scheint unaufhaltsam: Nach erneuten Negativmeldungen aus den USA herrscht Panikstimmung unter den Anlegern, die sich fast um jeden Preis von ihren Aktienpaketen trennen.

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verkaufen, verkaufen, verkaufenBild: APTN

Der Deutsche Aktienindex (DAX) brach am Mittwoch zeitweise (26. Juni 2002) um mehr als fünf Prozent auf unter 4000 Punkte ein – der tiefste Stand seit dem 25. September 2001. Noch schlimmer erwischte es den Neuen Markt: Die Wachstumswerte des Nemax50 fielen um durchschnittlich fast sieben Prozent auf ein Allzeittief von 547 Punkten. Kurseinbrüche verzeichneten auch die Börsen in London und Tokio. Beide Aktienmärkte gaben um mehr als vier Prozent nach. Der französische Leitindex CAC 40 fiel sogar auf den tiefsten Stand seit dreieinhalb Jahren.

Hiobsbotschaft von WorldCom

Auslöser der weltweiten Verkaufswelle war eine Nachricht der zweitgrößten US-Telefongesellschaft WorldCom. Das Unternehmen hatte in der Nacht zu Mittwoch Falschbuchungen in Milliardenhöhe bekannt gegeben und damit das ohnehin geringe Vertrauen der Anleger in die Bilanzierungspraktiken vieler Firmen weiter erschüttert. Die Hiobsbotschaft von WorldCom zog vor allem Telekom- und Technologiewerte in den Keller. Fast im freien Fall befand sich die Aktie der Deutschen Telekom, die um mehr als sechs Prozent fiel. Die Aktien der französischen Telekommunikationsdienstleister Alcatel und France Telecom sowie des Medienkonzerns Vivendi wurden in Paris nach zweistelligen Verlusten sogar vorübergehend vom Handel ausgesetzt.

Andersen erneut belastet

Während WorldCom die Falschbuchungen auf Buchführungsprobleme zurückführte, wird an der Börse bereits von einem der größten Bilanzbetrugsfälle in der Geschichte gesprochen. Eine strafrechtliche Untersuchung wurde nach Darstellung der „Washington Post“ eingeleitet. Ins Visier der Staatsanwälte dürfte dabei ein alter Bekannter geraten: die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Andersen. Den Fachleuten, die die Bücher von Enron testierten, war auch bei den Bilanzen von WorldCom nichts ungewöhnliches aufgefallen.

Als Reaktion auf das Finanzdebakel kündigte WorldCom die sofortige Entlassung seines Finanzchefs und eine umfangreiche Bilanzrevision an. Am Freitag will das angeschlagene Unternehmen zudem mit dem Abbau von 17.000 Stellen beginnen. Unterdessen fielen die Aktien der Gesellschaft auf 20 US-Cent.

Drohender Konkurs

"Der mögliche Betrug bei WorldCom zerstört weltweit Vertrauen und es ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Bilanzierungsbetrügereien bei anderen Unternehmen ans Licht kommen", kommentierte ein Händler in London den Vorfall. Die WorldCom-Enthüllungen bilden den aktuellen Höhepunkt einer beispiellosen Skandalserie die vor wenigen Monaten mit dem Kollaps des Energiehändlers Enron und der Verurteilung seines Wirtschaftsprüfers Andersen wegen Justizbehinderung begann. Bald könnte auch WorldCom das Schicksal von Enron teilen: Nach Einschätzung von Experten steht der ehemalige Telekom-Riese kurz vor dem Gang zum Konkursrichter. (mb)